Das Oberpfälzer Künstlerhaus – ein Ort des Austauschs

Nordoberpfalz/Schwandorf. Jürgen Dehm ist seit März der neue Leiter des Oberpfälzer Künstlerhauses. Im Gespräch erzählt er vom bunten Leben, das in der Kebbel-Villa herrscht. Tendenz steigend.

Jürgen Dehm. Foto: Elena Helfrecht

Stefan Voit: Vor knapp einem Jahr haben Sie die künstlerische Leitung des Oberpfälzer Künstlerhauses in Schwandorf übernommen. Wie haben Sie die Institution in dieser Zeit kennengelernt?

Jürgen Dehm: Die Fronberger Gründerzeitvilla präsentiert sich mir als recht vielseitig: in erster Linie natürlich als Ausstellungshaus, aber auch als Ort des künstlerischen Austausches. Schon kurz nach der Eröffnung als Künstlerhaus 1988 wurde das Artist-in-residence-Austauschprogramm mit dem Virginia Center for the Creative Arts in den Vereinigten Staaten initiiert.

Damals waren die amerikanischen Künstlerinnen und Künstler noch in einem Fronberger Hotel untergebracht, Räume im ersten Stock der Kebbel-Villa nutzten sie als Ateliers. Heute gibt es jenseits des Skulpturenparks ein separates Stipendiatenhaus mit großen Ateliers, Schreib- und Komponistenzimmern, das unseren Artists-in-residence nicht nur als Wohn- und Arbeitsort, sondern vor allem als Ort des Austausches von Ideen und der Interaktion dient.

Voit: Ein Ort also, der zur Zusammenarbeit einlädt?

Dehm: Hier entwickelten eine ganze Reihe an Gastkünstlerinnen und Gastkünstler gemeinsame Projekte, die sie dann an einem der Open Studio Days präsentierten. Bei diesen Projekten spielen die Grenzen der eigenen Praxis oder Sprachbarrieren keine Rolle. Es war daher spannend zu sehen, wie beispielsweise eine französischsprachige Schriftstellerin zusammen mit einem deutschen Druckgrafiker, der zuvor keine Berührung mit der französischen Sprache hatte, eine Performance entwickelte, die in hohem Maße von gesprochenen Bestandteilen bestimmt wurde. Die mehrwöchigen Aufenthalte bei uns bieten die Zeit und Ressourcen sowohl in Ruhe die eigene künstlerische Praxis zu vertiefen als auch zu experimentieren und Neues zu wagen.

Voit: Welche Schwerpunkte wollen Sie in der Villa für die kommenden Ausstellungen und Projekte setzen?

Dehm: Ende Januar zeigen wir die erste Einzelausstellung des 1934 in Prag geborenen, tschechischen Objektkünstlers und Filmemachers Jan Švankmajer in der Oberpfalz. Švankmajer ist mit seinen in der Tradition des Surrealismus stehenden Arbeiten sicher der aktuell bedeutendste lebende tschechische Künstler. Seine Arbeiten wurden international in großen Museumsausstellungen, etwa in Moskau oder in Amsterdam, präsentiert, in der Oberpfalz ist er bislang allerdings nicht in Erscheinung getreten. Parallel dazu gibt es im ersten Stock Collagen und eine Videoarbeit von Maria Thurn und Taxis zu sehen geben.

Voit: Das heißt auch, es werden zukünftig mehrere Ausstellungen gleichzeitig stattfinden?

Dehm: Im April und Mai werden wir mit der britischen Malerin India Nielsen und dem Künstler Michael Franz aus Neustadt/WN wieder eine internationale Position mit einer lokalen kombinieren. Die Bilder, die Nielsen zeigen wird, malte sie vor einigen Monaten während eines Aufenthalts in Fronberg. Der Einfluss der aktuellen Popkultur und des Internets ist darin deutlich spürbar.

Dennoch sind die veränderten Produktionsbedingungen – Nielsen arbeitet normalerweise in ihrem Studio mitten in London – in den Gemälden nachvollziehbar. Michael Franz, der an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und der Kunstakademie Münster unterrichtet, wird sich in seiner Ausstellung mit medial vermittelter Erinnerung auseinandersetzen. Darin spielt die Popkultur der 1990er-Jahre im Landkreis Schwandorf eine nicht unwesentliche Rolle. Bei den Doppelausstellungen geht es auch darum zu zeigen, dass die wiedererstarkten Grenzziehungen, wie sie in den letzten Jahren aufgetreten sind, internationale Zusammenarbeit nicht verhindern können.

Voit: Werden Sie auch Möglichkeiten für Nachwuchskünstlerinnen und Künstler bieten?

Dehm: Die Akademien in München und Nürnberg sind nicht weit. Wir arbeiten gerade daran, attraktive Angebote für emerging artists zu entwickeln. Live Talk and Music von und mit Sven Faller oder der Goldene Oktober sind wichtige Veranstaltungen im Künstlerhaus, die sich etabliert haben.

Voit: Wie wichtig ist dieses Zusatzprogramm und wird es beibehalten?

Dehm: Der in Schwandorf lebende Bassist und Autor Sven Faller hat mit seinem Live Talk and Music-Format, bei dem er regelmäßig mit Gästen auftritt, gezeigt, dass eine Kombination des Lokalen mit dem Überregionalen, des Bekannten mit dem eher Unbekannten, sehr anziehend sein kann.

Ebenso gelingt es Christoph Soldan, dem Künstlerischen Leiter des Goldenen Oktober, jedes Jahr ein attraktives Programm mit internationalen Musikerinnen und Musikern zusammenzustellen. Die Kebbel-Villa versteht sich als ein Ort des Austausches, an dem die Produktion, Präsentation und Förderung zeitgenössischer Kunst im Zentrum stehen. Die Grenzen zu den Nachbardisziplinen halten wir dabei bewusst offen.

Jürgen Dehm

  • Seit 1. März neuer Leiter im Oberpfälzer Künstlerhaus
  • Studium in Regensburg, Bochum und Stockholm
  • Seit 15 Jahren Kurator, Ausstellungsmacher, Autor und Dozent
  • Zuletzt tätig an der Universität Innsbruck

Aktuelle Ausstellung

  • Jan Svankmajer; Unnatürliche Geschichten
  • Maria Thurn und Taxis: The Rules of the Game
    Die Vernissage ist am 29. Januar, 11 Uhr. Die Ausstellung ist bis 19. März zu sehen.

Weitere Infos zum Oberpfälzer Künstlerhaus gibt es hier.

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