Der unheimliche Wirbelwind: So groß ist die Tornadogefahr in der Oberpfalz

Nordoberpfalz. Sommer, Hitze, heftige Gewitter. Bilden sich sogenannte Superzellen, steigt das Tornadorisiko - auch in der nördlichen Oberpfalz. Ein Experte des Deutschen Wetterdienstes klärt auf.

In den USA fegen jährlich 1200 Tornados übers Land. Aber auch die Oberpfalz ist nicht davor gefeit. Foto: Pixabay/Sunrae

Wo Tornados auftauchen, hinterlassen sie eine Spur der Verwüstung. Mit Windgeschwindigkeiten von teilweise mehr als 500 Kilometern pro Stunde fegen sie übers Land. Sie sind die stärksten Winde der Welt. Ihre Zerstörungskraft ist enorm. Kein Landstrich ist vor dem unheimlichen Wirbelwind sicher, auch nicht die nördliche Oberpfalz. Über die Tornadogefahr unterhielt sich OberpfalzECHO mit Tobias Reinartz. Der Diplom-Meteorologe ist Mitglied der siebenköpfigen Tornadoarbeitsgruppe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach.

Herr Reinartz, wie entsteht eigentlich ein Tornado und welche Faktoren müssen da zusammenspielen?

Tobias Reinartz: Man unterscheidet generell zwei Typen von Tornados: Typ 1 und Typ 2. Typ-1-Tornados entwickeln sich an der Unterseite einer sogenannten Superzelle – eine rotierende, besonders starke Gewitterzelle. Essenziell für ihre Entstehung ist eine hohe Windscherung, also eine starke Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe und vor allem in unteren Luftschichten auch eine starke Änderung der Windrichtung mit der Höhe. Dazu muss die Wolkenuntergrenze recht niedrig sein, unter 1000 Meter in etwa. Wie nun genau Tornados entstehen und warum sich an manchen Superzellen Tornados bilden und an manchen nicht, ist noch nicht hundertprozentig verstanden und weiterhin Gegenstand der Forschung.

Typ-2-Tornados sind in der Regel etwas schwächer und kurzlebiger als Typ-1-Tornados und können sich an Schauer- oder Gewitterwolken bilden. Für ihre Entstehung ist es im Gegensatz zum Typ 1 wichtig, dass der Wind in höheren Luftschichten schwach ist. Zudem muss die Temperatur mit der Höhe stark abnehmen und der Wind in bodennahen Luftschichten zusammenströmen. Die Wolkenuntergrenze sollte auch hier niedrig sein.

Wie unterscheidet sich ein starker Gewittersturm, der ja auch Schäden anrichtet, von einem Tornado?

Reinartz: Tatsächlich kommt es in der Öffentlichkeit häufig zu Verwechslungen zwischen einem Gewittersturm, im Fachjargon Downburst genannt, und einem Tornado. Bei Downbursts handelt es sich um Fallböen im Abwindbereich eines Gewitters. Dabei wird Luft mit dem starken Niederschlag nach unten gerissen. Ist die Luft in den unteren Schichten dazu relativ trocken, verdunstet ein Teil des Niederschlags, wodurch sich die Luft abkühlt und durch die zunehmende Dichte weiter beschleunigt wird. Kommt die Luft am Boden an, strömt sie horizontal weg.

Dabei können problemlos Böen über 100 km/h auftreten. Selbst Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h sind nicht ausgeschlossen. Da kann man schon mal denken, dass da eben ein Tornado durchgefegt wäre. Klarheit liefert häufig das Schadensbild. Während sich bei einem Tornado oft eine chaotische Anordnung der Trümmerteile, umgestürzten Bäume, und so weiter, ergibt, ist bei einem Downburst häufig eine bestimmte Richtung auszumachen, in die zum Beispiel die Bäume gekippt sind.

Man hat den subjektiven Eindruck, dass es früher keine beziehungsweise weniger Tornados gab als heutzutage. Das liegt aber daran, dass es früher weder Smartphones noch Internet gab. Tobias Reinartz, Diplom-Meteorologe

Warum taucht dieses Wetterphänomen auch jetzt in Deutschland auf? Ist das die Folge des Klimawandels?

Reinartz: Tornados gab es schon immer in Deutschland. Im Schnitt werden rund 50 Tornados pro Jahr in Deutschland beobachtet. Man hat den subjektiven Eindruck, dass es früher keine beziehungsweise weniger Tornados gab als heutzutage. Das liegt aber daran, dass es früher weder Smartphones noch Internet gab. Tornados sind meist extrem kleinräumige und kurzlebige Ereignisse, sodass die Wahrscheinlichkeit, einen zu Gesicht zu bekommen oder gar von einem getroffen zu werden sehr, sehr, sehr gering ist.

Mittlerweile hat aber so gut wie jeder ein Smartphone in der Hosentasche, wodurch, wenn man doch mal einen sieht, ihn sofort fotografiert oder filmt und über das Internet mit der ganzen Welt teilt. Mit Blick auf die Statistik der letzten 20 Jahre ist aktuell aber kein Trend ersichtlich, dass es zu einer tatsächlichen Zu- oder Abnahme der Tornados in Deutschland kam.

Gibt es überhaupt Ecken in Deutschland oder auch Bayern, die nie von einem Tornado heimgesucht werden können?

Reinartz: Tornados können überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit auftreten, sofern die atmosphärischen Bedingungen passen.

Wie sieht die Tornado-Gefährdungslage in der nördlichen Oberpfalz aus?

Reinartz: Wenn die atmosphärischen Bedingungen passen, besteht auch bei Ihnen die Gefahr, dass sich ein Tornado bildet. Die Wahrscheinlichkeit, von einem Tornado getroffen zu werden, ist aufgrund seiner Kleinräumigkeit aber extrem gering. Das gilt übrigens auch für die USA, wo jährlich etwa 1200 Tornados beobachtet werden.

Welche Tornado-Stärken werden hauptsächlich bei uns gemessen?

Reinartz: Tornados in Deutschland können genauso stark werden wie in den USA. Für die Einteilung ihrer Stärke gibt es verschiedene Tornadoskalen, wobei die sogenannte Fujita-Skala die bekannteste ist. Sie reicht von einem F0 („schwach“, Windgeschwindigkeiten bis 117 km/h) bis F5 (Windgeschwindigkeiten zwischen 419 und 512 km/h). Alle Stärken wurden in Deutschland bereits dokumentiert, wobei es deutlich häufiger „schwächere“ F0- und F1-Tornados gibt, als starke F2 bis F5 – was übrigens auch für die USA gilt. Bisher gab es in Deutschland zwei F5-Tornados, den letzten davon am 23. April 1800 in Dittersdorf in Sachsen.

Gibt es so etwas wie eine Tornado-Vorwarnung?

Reinartz: Bei akutem Tornadoverdacht, beziehungsweise bei der Beobachtung eines Tornados wird von Seiten des DWD eine Unwetterwarnung vor schweren Gewittern mit Tornadogefahr ausgegeben. Besteht für einen größeren Teil des Landes eine erhöhte Tornadogefahr, wird in diesen Regionen zudem bereits einige Stunden im Vorfeld über eine sogenannte Vorabinformation auf das Potenzial schwerer Gewitter mit Tornadogefahr hingewiesen.

Deutscher Wetterdienst (DWD) unterhält Tornadoarbeitsgruppe

Nachdem mehrere starke Tornados die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen hatten, wurde im Jahr 2004 die Stelle des Tornadobeauftragten beim Deutschen Wetterdienst eingerichtet. Als der sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hatte, wurde 2023 die neue Tornadoarbeitsgruppe geschaffen, die in der Vorhersage- und Beratungszentrale des DWD in Offenbach angesiedelt ist.

Sieben Mitglieder

Sie besteht aus einem Team von insgesamt sieben Personen: Marcus Beyer, Felix Dietzsch, Christian Herold, Tobias Reinartz, Adrian Leyser, Jens Winninghoff und Marco Manitta. Die Organisation als Team bringt den Vorteil mit sich, dass sich trotz der Arbeit im operationellen 24/7-Wechselschichtdienst oftmals ein Teammitglied im Dienst befindet. Damit ist es möglich, zeitnah auf aktuelle Ereignisse zu reagieren.

Gewitter hinterherjagen

Die Mitglieder der Tornadoarbeitsgruppe bringen nicht zuletzt durch ihre tägliche Arbeit entsprechende Fachkenntnisse zum Thema mit. Das Team setzt sich aus Mitarbeitern zusammen, die in Aus- und Fortbildungen die Themen Konvektion und Tornados schulen, in ihrer Freizeit Gewittern hinterherjagen oder in Form von wissenschaftlicher Arbeit auf dem Gebiet der Tornadoforschung tätig sind.

Ansprechpartner rund um Tornados

Die Arbeitsgruppe ist in erster Linie Ansprechpartner für alles rund um das Thema Tornados. Gerade wenn in sozialen Medien Schadensbilder oder Aufnahmen eines potenziellen Tornados kursieren, ist das Interesse oft groß, Klarheit zu schaffen.

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