Der Weg zur Resilienz – kein freies Spiel für Kritiker und Katastrophisierer

Pressath. „Einen Sch… muss ich.“ Dieser Satz mag nicht ganz stubenrein sein. Doch für Michaela Blattnig ist er eine der Schlüsselformeln für mehr Gleichmut und Souveränität in den unvermeidlichen Stresssituationen des Alltags.

Ein Gummi-Stehaufmännchen symbolisiert für Michaela Blattnig die “resiliente” Seele, die Stresssituationen abzufedern vermag. Diese Fähigkeit, nach einem Schicksalsschlag “schnell wieder aufzustehen” und daraus sogar gestärkt hervorzugehen, könne man in jedem Alter “wie einen Muskel trainieren”. Foto: Bernhard Piegsa

„Resilienz“ lautete das Zauberwort, mit dem die Diplom-Sozialpädagogin Michaela Blattnig aus Burglengenfeld die rund 100 Besucher des Vortragsnachmittags vertraut machte, zu dem die Selbsthilfegemeinschaft „Generationen Hand in Hand“ (GeHiH) in den
Pressather Pfarrsaal eingeladen hatte.

Resilienz, so die gebürtige Immenreutherin, bezeichne das „Immunsystem der Seele“, das den Menschen vor belastungs- und stressbedingten Krankheiten bewahren helfe und befähige, gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Sie beruhe auf sieben Faktoren: Da sei zunächst die „Akzeptanz“ von Veränderungen als potenziell chancenträchtiger Teil des Lebens. Dies schließe die Einsicht ein, dass Krisensituationen „Normalfälle des Lebens“, aber auch überwindbare Phasen darstellten. Letzteres gelte sogar für Situationen, die man nicht selbst ändern könne.

Wenn Ihnen im Straßenverkehr jemand die Vorfahrt nimmt, bringt es nichts, sich darüber zu ärgern, denn das kostet nur Energie, ohne an der Situation etwas zu ändern.Michaela Blattnig

Weitere Aspekte seien Optimismus, Eigenverantwortung, Lösungs- und Zukunftsorientierung im Sinne von Selbstvertrauen, Neugier und fester Hoffnung, dass man durch aktives Handeln eine Problemlage bessern könne.

Vorsicht und Augenmaß

Zu den Resilienzfaktoren zählte die Referentin schließlich die Rollenklarheit als Einsicht in die Aufgaben, die man entweder als verbindliche Regeln einhalten müsse oder freiwillig als Pflichten akzeptiert habe, und die Netzwerkorientierung im Sinne des Aufbaus und der Pflege sozialer Kontakte, was auch das Recht beinhalte, andere um Hilfe zu bitten.

Mit Vorsicht und Augenmaß, so Blattnig weiter, sollte man seine fünf “inneren Anteile” erkennen, einsetzen und im Zaum halten: So trage beispielsweise jeder einen Antreiber in sich, der zu effizientem und ehrgeizigem Handeln motiviere. Lasse man diesem Anteil aber zu freies Spiel, führe das dazu, dass man „niemals Feierabend hat“. Der Kritiker-Anteil treibe zu Einsicht in eigene Defizite und Selbstoptimierung an, was im Extremfall aber bis zur Untergrabung des Selbstwertgefühls führen könne, und der Wesenszug des „Katastrophisierers“ erziehe zu Vorsicht, die aber auch in Zaghaftigkeit, Überbesorgtheit und Mutlosigkeit entarten könne.

Für Resilienztrainerin Michaela Blattnigs (Dritte von rechts) anschaulichen Vortrag dankten Bürgermeister Bernhard Stangl, GeHiH-Geschädftsführer Elisabeth Gottsche und Joachim Sertl (von Links) sowie GeHiH-Organisationsteammitglied Cornelia Spitaler und Vorsitzender Karl Lorenz (von rechts). Foto: Bernhard Piegsa

Harmoniesüchtige und Vermeider

Zwei Seiten berge ebenfalls der Persönlichkeitsanteil des Harmoniesüchtigen in sich: „Er sorgt dafür, dass wir gemocht werden und eine gute Stimmung im Verhältnis zu anderen herrscht. Wird er aber in Ihnen zu laut, so geraten Sie immerfort ins Hintertreffen, weil Sie meinen, dass stets zuerst die anderen dran sein müssten, für die Sie sich überfordern.“ Schließlich gebe es noch den Wesenszug des Vermeiders: Er ermutige dazu, „mal fünf gerade sein zu lassen“, was allerdings auch in fortwährendes Wegschieben unangenehmer Herausforderungen abgleiten könne.

Resilienz stehe wesentlich für eine umfassende Selbsterkenntnis und Selbstannahme auf der Basis eines positiven Denkens, gab Michaela Blattnig zu verstehen. Üben könne man dies beispielsweise durch Erstellung einer Liste eigener Stärken und durch eine morgendliche Routine, bei der man sich fragt, wie man sich heute fühlen möchte und was man hierzu brauche. Abends sollte man sich dann auf die erbaulichen Erfahrungen des Tages besinnen: „Wofür bin ich heute dankbar, was war heute besser als gestern?“

„Ich muss nicht, sondern ich darf“

Von essenzieller Bedeutung für ein wirksames Resilienztraining sei auch,
eigenverantwortliches Handeln zu üben, indem man Entscheidungen möglichst bewusst und unabhängig von äußeren Einflüssen und unhinterfragten Gewohnheiten treffe.

Auch in Pflichten und Problemen solle man vorrangig Chancen erkennen, etwa indem man in notwendigem frühem Aufstehen keinen lästigen Zwang sehe, sondern eine Chance, sich einige Minuten Zeit der Stille vor dem Start in den Alltag zu gönnen, oder indem man ein Problem als Herausforderung begreife und anpacke: „Ich muss nicht, sondern ich darf.“

Die Notfallbox

Zur Aufheiterung in bedrückenden Situationen könne man ferner eine „Notfallbox“ bereithalten, die aufbauende Dinge enthalte wie Kärtchen mit den notierten persönlichen Stärken, die Rufnummern guter Freunde, Erinnerungen an beglückende Erlebnisse oder eine CD mit Lieblingsmusik.

Glaubenssätze anpassen und nutzen

Schließlich riet Blattnig zur Hinterfragung anerzogener Glaubenssätze, indem man zum Beispiel aus einem „Eigenlob stinkt“ ein selbstbewusstes „Eigenlob stimmt“ mache, Perfektion als positiv erstrebenswertes Ziel statt als Zwang auffasse oder die eigene Liebenswürdigkeit nicht mehr an eine eingebläute vermeintliche Pflicht binde, es allen recht zu machen.

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