US-Truppenübungsplatz: Die Schmerzgrenze ist erreicht

Grafenwöhr. Jahrelang war es im Wortsinn ruhig um den Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Seit einigen Wochen aber bringt der Schießlärm die Anwohner wieder um den Schlaf. Dagegen wehren sich Bürgerinitiativen und Lokalpolitiker.

Von Udo Fürst

Johann Lehner kann ein Lied davon singen: „Der Schießlärm ist schon an der Schmerzgrenze. Vor allem nachts war es kaum noch auszuhalten“, sagt der 22-Jährige, der nach einem halben Jahr seine Wohnung in der Stadt wieder aufgab und wegzog. So wie dem jungen Mann geht es vielen Menschen nicht nur in Grafenwöhr. Seit Wochen sorgt der Krach aus dem Truppenübungsplatz für massive Beschwerden der Anwohner. Sogar in Creußen – 25 Kilometer Luftlinie entfernt – war regelmäßig nachts starker Lärm zu hören. Nun hat das zuständige Bundesamt bis zum kommenden Jahr eine neue Lärmmessung angekündigt. Anhand der Messung könnten passgenaue Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, sagte eine Sprecherin.

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Johann Lehner hat den Lärm nicht mehr ertragen und ist aus Grafenwöhr weggezogen. Foto: Udo Fürst

Am intensivsten war der Geräuschpegel nach Angaben von Anwohnern in Kirchenthumbach vor vier Wochen. Besonders stark waren Artillerieübungen zu hören. Auch Schießlärm aus den 20-Millimeter-Bordkanonen der amerikanischen Bradley-Panzer nervte die Anwohner. Geschossen wurde teilweise bis ein Uhr am Morgen.

“Der Lärm ist unerträglich!”

Werner Dier aus Bernreuth bei Auerbach ist Vorsitzender des Bürgerforums Umwelt und Truppenübungsplatz (BUT). „Der Lärm ist unerträglich“, sagt Dier. Die Schießbahn 213 auf dem Übungsplatz liegt 500 Meter von seinem Haus in Bernreuth entfernt. Dort sei in den vergangenen Wochen mit Panzerhaubitzen geübt worden, die Lärmbelastung habe mehr als 150 Dezibel betragen. Zum Vergleich: Ein Presslufthammer ist 120 Dezibel laut, ein Kampfflugzeug 140. Bei 120 Dezibel liegt die Schmerzgrenze des menschlichen Ohres.

Längere Zeit sei auf der Schießbahn 213 Ruhe gewesen. Nun sei der Übungsbetrieb mit schweren Geschützen wieder aufgenommen worden. Das Bürgerforum fordert das Ende von Übungen mit Haubitzen in Häusernähe, den Verzicht auf Übungen von Stryker-Brigaden und Panzerverbänden und das Aus für die Schießbahn 213. Dier wirft dem Militär vor, Lärmschutzgesetze nicht einzuhalten.

Beschwerden “absolut berechtigt”

Auerbachs Bürgermeister Joachim Neuß hält die Situation für „unerträglich. Vor allem nachts, wenn es gegen halb zwölf so richtig losgeht.“ Er bezeichnet die massiven Beschwerden der letzten Zeit als „absolut berechtigt“. Laut dem Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr in Bonn lege das NATO-Truppenstatut fest, dass Gaststreitkräfte das deutsche Recht achten müssen. Die Schießzeiten seien in einer Verwaltungsvereinbarung geregelt. Im April habe es eine Ausnahmegenehmigung für drei Werktage gegeben. Demnach war es den US-Streitkräften erlaubt, mit dem Schießen um 4.30 Uhr zu beginnen.

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Teilweise bis um 4 Uhr morgens wird auf dem Truppenübungsplatz geschossen. Darüber beschweren sich nun viele Anlieger vor allem aus dem Auerbacher Raum. Foto: US Garrison

Aufgrund der Beschwerden soll bis 2019 eine Schießlärmmessung an ausgewählten Orten um den Übungsplatz durchgeführt werden. Anhand der Messung könnten dann passgenaue Lärmschutzmaßnahmen durchgeführt werden, erklärt eine Sprecherin des Bundesamtes. Auch die Gespräche zwischen der Bundeswehr und den US-Streitkräften, die es bis 2011 regelmäßig gab, sollen wieder aufgenommen werden.

Bis zwei Uhr darf geschossen werden

Bei größeren Übungen seien manchmal große Artillerie- und Panzergeschosse sowie Flugzeuge im Einsatz, erklärt Franz Zeilmann, Pressesprecher der US-Armee Garrison Bavaria in Grafenwöhr. Manchmal verursache dies je nach Wetterlage größere Lärmentwicklung. Es gebe verschiedene Maßnahmen zur Lärmreduzierung wie Erdwälle oder Baum- und Strauchbepflanzungen. Wann immer möglich, würden Übungen tagsüber und an Wochentagen durchgeführt. Gemäß dem NATO-Truppenabkommen ist die offizielle Schießzeit von Mai bis Juli von 8 bis 2 Uhr für die Nutzung von Munition ab 20 Millimeter festgelegt.

Munition unter 20 Millimeter kann täglich rund um die Uhr verschossen werden. Im Sommer könnten Nachtübungen bis nach Mitternacht dauern, von November bis Januar würden die Schießübungen bereits um 23 Uhr abgeschlossen. Nachtschießen sei ein wichtiger und unverzichtbarer Teil der militärischen Ausbildung, sagt Zeilmann.

Johann Lehner könnte dies jetzt egal sein. So wie einigen Facebookusern, die für die Anwohnerbeschwerden kein Verständnis aufbringen: „Dann sollen sie dort nicht bauen“ oder „Dann müssen sie halt wegziehen“ lauteten zwei von vielen Posts in einem entsprechenden Diskussionsforum. Lehner kann dagegen mit den Betroffenen mitfühlen. „Ich weiß was es bedeutet bis um 4 Uhr morgens kein Auge zuzubekommen.“

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