„Dietrich Bonhoeffer wird mit Vorliebe von Schwurblern und Rechten missbraucht“

Weiden. Einen hochinteressanten Vortrag über Dietrich Bonhoeffer hielt der Journalist und Theologe Arnd Henze beim evangelischen Bildungswerk, der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und des Freundeskreises Weiden der Evangelischen Akademie Tutzing.

WDR-Redakteur und Theologe Arnd Henze. Foto: Siegfried Bühner

„Möglicherweise wäre Trump ohne Dietrich Bonhoeffer nicht Präsident geworden.“ Diese von ihm selbst als „überspitzt“ bezeichnete These formulierte WDR-Redakteur und Theologe Arnd Henze gleich am Beginn seiner Ausführungen.

Bonhoeffer wurde missbraucht

Die Zuhörer bekamen ein rhetorisches Feuerwerk eines journalistischen Profis zu hören. Mit historischen Fakten begründete Henze, warum Bonhoeffer für Trump eine wichtige Rolle
gespielt habe. Vor allem sei der NS-Widerstandskämpfer als „Zeuge des Kulturkampfes in den USA“ missbraucht worden. Seit Jahrzehnten kämpfen die sogenannten Evangelikalen in den USA gegen eine Liberalisierung der Gesellschaft und bezogen sich im US-Wahlkampf 2016 auf Zitate von Bonhoeffer. Eine wichtige Rolle spielte dabei laut Henze auch die Bonhoeffer-Biografie des Autors Eric Metaxas. So wie Bonhoeffer gegen „das Böse“ Widerstand geleistet habe, müsse auch der Kampf gegen Abtreibung und andere liberale gesellschaftliche Normen geführt werden. Laut Henze sei im US-Wahlkampf ein „Bonhoeffer-Moment“ verbreitet worden. Damit wird auch der Kampf gegen Judenvernichtung mit dem Kampf gegen Abtreibung gleichgesetzt.

Trump ließ Gedenktafel installieren

Obama und Hillary Clinton seien Hassfiguren der Evangelikalen und sogar mit Hitler-Deutschland gleichgesetzt worden. Trump versprach „wir erfüllen eure Wunschliste“, sodass laut Henze 75 Prozent der evangelikalen Wählerschaft tatsächlich ihn gewählt hätten. Bei den knappen Mehrheiten in den Swing-Staaten war die Mobilisierung für Trump wohl ausschlaggebend. Tatsächlich habe Trump später auch „geliefert“, wie unter anderem an der Ernennung erzkonservativer Richter abzulesen sei. Folge war, dass Trump für Bonhoeffer eine Gedenktafel mit seiner Unterschrift in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg habe installieren lassen.

“Wohlfühl-Bonhoeffer” zum Säulenheiligen gemacht

Das Bündnis von Trump mit den Evangelikalen spiele laut Henze auch bei den Verschwörungsideologen und beim Sturm auf das Kapitol eine Rolle und halte bis heute noch an. Deshalb fragte Henze im Vortrag „Wie konnte es passieren, dass Bonhoeffer als
Figur des Kulturkampfes verwendet wird?“. Er gab darauf eine ausführliche Antwort: „Wir sind daran selbst schuld, denn Bonhoeffer wurde beliebig gemacht.“ Der Referent sprach von einem „Prozess hin zum Wohlfühl-Bonhoeffer“, bei dem dieser zum „Säulenheiligen“ mit
Kalendersprüchen („Von guten Mächten wunderbar geborgen“) gemacht worden sei.

Auch die Rechten missbrauchen

In Wirklichkeit sei der Widerstandskämpfer „immer sperrig geblieben“, sagte Henze. Auch sei er „niemals fertig gewesen“ und hätte sich weiterentwickelt und immer „Theologie auf Realität angewandt und nicht umgekehrt“. Henze zog weitere Parallelen zum Missbrauch von Bonhoeffer auch in Deutschland und verwies auf Bonhoeffer-Zitate in AFD-nahen Beiträgen in den sozialen Netzwerken. Außerdem würden auch andere historische und aktuelle Geschehnisse von Rechtsradikalen, Querdenkern, Reichsbürgern und Verschwörungsideologen verfälscht für deren Zwecke verwendet.

Kirchen sind gefordert

Beispiele seien das Tragen des gelben Sterns, Sätze wie „ich fühle mich wie Sophie Scholl“ oder die vermeintliche „Corona- und Merkel-Diktatur“, gegen die man sich wie gegen die Hitler-Diktatur widersetzen müsse. Für Henze ist es „ein Gebräu aus vielen Facetten“. Rechtsextreme dürften sich nicht auf die bekennende Kirche berufen und die friedliche Revolution in der DDR für sich vereinnahmen. Während in der Gesellschaft um den Begriff Widerstand „ein Vakuum bestehe, dürfe er in der Querdenkerszene frei verwendet werden“.
Schließlich gehe es auch um die Machtfrage „wem gehört der öffentliche Raum?“ Dies sei auch eine Herausforderung für die Kirchen, betonte der Redakteur.

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1 Kommentare

Arnd Henze - 17.03.2023

Liebe Redaktion, herzlichen Dank für den wohlwollenden Bericht. Ein kleiner Hinweis: ich habe in meinem Vortrag fast immer von der „Religiösen Rechten“ und nur punktuell von „Evangelikalen“ gesprochen. Da gibt es zwar vor allem in den USA deutliche Schnittmengen – zum Glück gibt es aber auch viele Evangelikale, die sich dem Kulturkampf von Rechts verweigern.