Digitalisierung im Gesundheitswesen: Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten

Weiden. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran. Professor Dr. Steffen Hamm zeigte in Weiden, wie elektronische Patientenakte und E-Rezept den Alltag verändern – und warum der Mensch dabei die größte Herausforderung bleibt.

Digitalisierung im Gesundheitswesen
Prof. Steffen Hamm referierte bei GEPVONA im Servicebereich der Volksbank Raiffeisenbank Nordoberpfalz eG zum Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen.

„Ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen wirklich ein Segen?“ Mit dieser provokanten Frage eröffnete Birgit Lanzl von der Volksbank Raiffeisenbank Nordoberpfalz eG einen gut besuchten Vortragsabend im Rahmen von GEPVONA. Der Referent, Professor Dr. Steffen Hamm von der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden, nahm die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine spannende Reise durch Chancen, Fortschritte und Stolpersteine der digitalen Transformation im Medizinwesen.

Vom Automobil zur Telemedizin – ein Vergleich mit Symbolkraft

Zu Beginn zog Hamm einen ungewöhnlichen Vergleich: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen befinde sich derzeit auf einem ähnlichen Entwicklungsweg wie einst das Automobil. „Anfangs gab es viele Bedenken und Ängste. Heute ist das Auto unverzichtbar – so wird es auch mit der Digitalisierung kommen“, betonte der Professor. Entscheidend sei, dass die Vorteile erlebbar und verständlich gemacht werden.

4P-Medizin: Präventiv, personalisiert, prädiktiv, partizipativ

Die sogenannte 4P-Medizin bildet laut Hamm die Grundlage einer modernen Gesundheitsversorgung: präventiv, personalisiert, prädiktiv und partizipativ. Diese Prinzipien verbinden medizinisches Fachwissen mit digitalen Möglichkeiten, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen, individuell zu behandeln und Patientinnen und Patienten aktiv einzubinden.

Die elektronische Patientenakte: Pflicht seit Oktober 2025

Seit dem 1. Oktober 2025 ist die elektronische Patientenakte (ePA) in Deutschland verpflichtend eingeführt. Bereits seit Anfang 2025 liefen Testphasen in Modellregionen. Versicherte, die ihre Daten lieber in Papierform beim Arzt behalten möchten, können widersprechen – das sogenannte Opt-out-Verfahren bleibt erhalten.
Die ePA ermöglicht es, Arztbriefe, Diagnosen, Medikationen und Untersuchungsergebnisse zentral digital zu speichern. Der Zugriff erfolgt über eine App der Krankenkasse oder über den Computer. Versicherte behalten die volle Kontrolle darüber, wer auf ihre Daten zugreifen darf und welche Informationen verborgen oder gelöscht werden. „Die Hoheit über die eigenen Gesundheitsdaten bleibt beim Patienten“, betonte Hamm.

Vorteile und Herausforderungen der ePA

Die Vorteile der ePA liegen auf der Hand: weniger Doppeluntersuchungen, bessere Behandlungsqualität, Zeitersparnis und höhere Transparenz. Besonders wichtig sei laut Hamm, dass Patientinnen und Patienten künftig jederzeit und ortsunabhängig Einblick in ihre Gesundheitsinformationen erhalten. Auch Behandelnde profitieren von einem schnellen Zugriff auf relevante Daten, etwa im Notfall.
Doch es gibt auch Schattenseiten. Viele Versicherte scheitern an der aufwendigen Erstidentifikation über das eID-Verfahren oder PostIdent. „Die hohen Sicherheitsanforderungen stehen nicht immer im Einklang mit der Benutzerfreundlichkeit – ein klassisches Sicherheits-Nutzbarkeits-Paradoxon“, erklärte Hamm. Der Schlüssel zum Erfolg sei, digitale Anwendungen zukünftig so zu gestalten, dass sie einfach nutzbar und alltagstauglich sind.

Das eRezept: Weniger Aufwand, mehr Sicherheit

Neben der ePA stellte Hamm auch das elektronische Rezept (eRezept) vor. Gerade in der Erkältungssaison bringe es große Vorteile, da Rezepte digital ausgestellt werden können – ohne dass Patientinnen und Patienten persönlich in die Praxis kommen müssen. Das spare Zeit, minimiere Ansteckungsrisiken und entlaste Arztpraxen. „Die Grundfunktionen laufen bereits stabil“, so Hamm.

Telematikinfrastruktur 2.0 – Blick in die Zukunft

In den kommenden Jahren soll die Telematikinfrastruktur weiter ausgebaut werden. Zu den nächsten Schritten zählen der elektronische Medikationsplan, strukturierte Labordaten und E-Überweisungen. Auch Impfausweise, Mutterpässe und Vorsorgehefte sollen digital integriert werden. Mit der sogenannten TI 2.0 wird zudem die Videokommunikation Teil der medizinischen Grundversorgung. Künstliche Intelligenz soll künftig helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen und Ärztinnen bei Entscheidungen zu unterstützen.

GEPVONA als regionales Kompetenzzentrum

Am Ende des Abends dankte Birgit Lanzl den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern und verwies auf weitere Veranstaltungen des Projekts GEPVONA. Dieses gemeinsame Institut von OTH Amberg-Weiden und der Volksbank Raiffeisenbank Nordoberpfalz eG fördert den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Bevölkerung. Ziel ist es, Wissen greifbar zu machen und die Menschen in der Region auf ihrem Weg in die digitale Zukunft mitzunehmen.

Fazit: Digitalisierung braucht Vertrauen

Professor Hamm fasste zusammen: „Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist kein Selbstläufer – sie steht und fällt mit dem Vertrauen der Menschen.“ Nur wenn Bürgerinnen und Bürger die Vorteile verstehen und erleben, könne die digitale Medizin ihr volles Potenzial entfalten. Die Veranstaltung zeigte deutlich, dass Aufklärung, Geduld und Dialog der Schlüssel zum Erfolg sind.

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