Drei Jahre Krieg in der Ukraine: Foto-Ausstellung eines mutigen Helfers aus Speichersdorf

Weiherhammer. Vor so viel Mut und Menschlichkeit kann man nur den Hut ziehen. Alexander Kraus unterstützt mit seinem Verein „Humanitas in Centro“ Menschen an der russischen Front. Fotos von Hilfseinsätzen des Speichersdorfers sind ab 11. März im Foyer der BHS zu sehen.

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß

Alles begann mit der Flutkatastrophe im Ahrtal. „Als ich in den Nachrichten eine Meldung über vermisste Leute gehört hatte, konnte ich nicht mehr stillsitzen, sondern wollte helfen.“ Alexander Kraus nimmt über Instagram Kontakt zur Hilfsorganisation 22 Wildlife auf, fährt auf eigene Faust ins Krisengebiet, sucht nach Vermissten und Flutopfern, räumt Keller leer und organisiert Hilfslieferungen.

Zusammen mit einem Kollegen von 22 Wildlife schließt sich der damals 20-Jährige nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine am 24. Februar 2022 einer Hilfsaktion für notleidende Menschen in der Ukraine an.

Seitdem riskiert Krauß zusammen mit Mitgliedern seines Vereins „Humanitas in Centro“ – Menschlichkeit im Zentrum – den er aus organisatorischen Gründen ins Leben rief und um Spendenquittungen ausstellen zu können – Leib und Leben an der Front. Bei einem gezielten russischen Drohnenanschlag auf seinen Konvoi werden vergangenes Jahr zwei seiner Fahrzeuge zerstört, ein Fahrer schwer verletzt.

Foto-Dokumentation im LCB

Die Foto-Ausstellung „Einsatz unter Lebensgefahr“ im Foyer des Life-Cycle-Buildings (LCB) der BHS Corrugated in Weiherhammer dokumentiert, die Situation der Menschen an der Front und die Arbeit der Helfer mit rund 40 großformatigen Aufnahmen auf Leinwand, Videos seiner Body-Cam, seinem Schutzanzug, zwei Einsatzfahrzeugen, der Polizeijacke eines getöteten Polizisten und einem Food-Pack.

Anmeldeschluss für den Besuch der Ausstellungseröffnung am 11. März um 18 Uhr ist der 6. März per E-Mail an vernissage@bhs-world.com. Die Ausstellung ist vom 12. bis 28. März montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr ohne Anmeldung zugänglich.

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Foto: Alexander Krauß
Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Foto: Alexander Krauß
Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Foto: Alexander Krauß
Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Foto: Alexander Krauß
Verleihung des Bayerischen Engagiert-Preises 2023 an Alexander Krauß im Doppelkegel der BMW-Welt München. Foto: Matthias Balk/Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
Verleihung des Bayerischen Engagiert-Preises 2023 an Alexander Krauß im Doppelkegel der BMW-Welt München. Foto: Matthias Balk/Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß
Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Foto: Alexander Krauß
Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Foto: Alexander Krauß
Verleihung des Bayerischen Engagiert-Preises 2023 an Alexander Krauß im Doppelkegel der BMW-Welt München. Foto: Matthias Balk/Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

Mit 22 Wildlife in die Ukraine

Nach Ausbruch des Krieges suchten Millionen Ukrainer Schutz in benachbarten EU-Ländern wie Polen, Tschechien und Deutschland. Doch in den Frontgebieten leben noch immer viele alte und kranke Menschen, die zu schwach oder zu arm für eine Flucht sind.  „Humanitas in Centro“ hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Menschen mit Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Dort, wo kritische Infrastrukturen von Russland zerstört wurden und große Hilfsorganisationen wie ICRC oder UN auf Grund der großen Gefahr nicht mehr hinfahren, fängt deren Arbeit erst richtig an.

Drei Tage nach seiner letzten Hilfslieferung ins Ahrtal ist Alexander Krauß schon wieder auf Achse Richtung Ukraine: „Ich bin da so ein wenig reingerutscht“, beschreibt er den ersten Impuls, mit Sandro von der Hilfsorganisation 22 Wildlife, den er im Ahrtal kennenlernte, im Dezember 2022 nach Charkiw zu fahren. „Im Ahrtal-Camp waren Leute aus verschiedensten Richtungen und politischen Anschauungen, aber man hat immer diesen Zusammenhalt gespürt.“ Seit Kriegsbeginn ist er mit den Kollegen der NGO in Kontakt. „Ich habe sie auch finanziell unterstützt, als ihnen das Geld ausging.“ Nach dem Rückzug von 22 Wildlife habe Sandro mit anderen Helfern eine Feldküche initiiert.

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß

Luftalarm in Charkiw

Krauß ist bereits in die Vorplanungen rund um den 14. Dezember herum eingebunden. Die ersten Eindrücke machen deutlich, was Krieg bedeutet: „Schon in der zweiten Nacht in Charkiw hatten wir Luftalarm.“ Dann ging es weiter zu einem Krankenhaus nahe der russischen Grenze, etwa vier Kilometer von der Front entfern. „Bei Dunkelheit kann man sich nicht mit einem beleuchteten Fahrzeug in Frontnähe bewegen“, erklärt der Helfer aus Speichersdorf, „wir haben dann, weil wir naiv waren, im 4. Stock des Krankenhauses geschlafen“ – auch das bei einem Einschlag kein sicherer Ort. „Es war höllisch laut“, erzählt er weiter, „Raketen schlugen neben dem Krankenhaus ein.“ Die unerfahrenen Freiwilligen liefen aufgeschreckt zu den Krankenschwestern, um zu fragen, ob sie besser einen Bunker aufsuchen sollten. „Die haben uns beruhigt, es habe schon lange keine Treffer mehr im Krankenhaus gegeben.“

Am nächsten Tag bekochte das Team in seiner Feldküche die Menschen aus dem Dorf:

Ich habe etwas vom Auto geholt, das war eine so surreale Stimmung, einerseits das Gelächter von Kindern, andererseits hörte ich die Einschläge im Nachbarort – das war erschreckend. Alexander Krauß

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß

Überall dort, wo andere nicht hinkommen

Richtig Angst habe er aber nicht empfunden. „Der Respekt ist da“, versucht er seine Gefühlslage zu beschreiben, „man weiß, was passieren kann, aber dass wir nie unvorbereitet in einen Einsatz gegangen sind, gibt einem Sicherheit.“ Die Freiwilligen aus verschiedenen Ländern fahren oft direkt an die Front, agieren im Einsatzgebiet auch bald mit der ukrainischen Hilfsorganisation „Universal Aid Ukraine“ (UAU). Vom gemeinsamen Camp aus bringen sie mit sechs bis acht Freiwilligen Spenden, Lebensmittel und Medikamente in die Frontgebiete.

Bis heute ist die Einheit in der Stadt Kramatorsk, im Oblast Donezk, stationiert, um die Versorgung der Dörfer und Städte entlang an der Ostfront auf rund 200 Kilometern abzusichern. „Vorerst bleibt es dabei, auch wenn wir nicht wissen, wie sich die Lage weiterentwickelt.“ Seit Februar arbeitet Krauß‘ Verein nur noch mit UAU zusammen. „Wir waren auch in der Millionenstadt Dnipro“, dem administrativen Zentrum der Oblast Dnipropetrowsk, „wir versorgen Menschen überall dort, wo andere nicht hinkommen.“

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß

Drohnenangriff auf das Einsatzteam

Im August vergangenen Jahres kommt es zu einem Drohnenangriff auf das Einsatzteam in der Ukraine. Zwei Fahrzeuge werden zerstört, vier Freiwillige teils schwer verletzt. Krauß geht von einem gezielten Angriff aus. „Ich selbst war nicht vor Ort“, erzählt er, „ich bin eine Woche vorher abgereist.“ Am Steuer der zwei Fahrzeuge saßen Mitglieder des Evakuierungsteams, die jeweils mit vier Zivilsten unterwegs waren. „Ein Pickup und ein Duster“, beschreibt Krauß Details, „eigentlich in einem verhältnismäßig sicheren Gebiet, wo wir schon zig-mal gefahren sind.“

Die beiden Hilfstransporte sind allein auf der Straße unterwegs: „Nirgends war Militär zu sehen, der Angriff kam aus heiterem Himmel.“ Eine Drohne explodiert knapp neben dem ersten Fahrzeug. „Schrapnelle durchschlagen das Fahrzeug wie Butter, es war ein Wunder, dass sich die Wagen danach noch ein Stück bewegen ließen, so zerstört wie sie waren.“ Ein Schrapnell-Teil sei einen Meter hinter dem Beifahrer durch das Auto geschossen.

Wären die nur etwas langsamer gefahren, hätte es mindestens den Beifahrer erwischt – sie hatten alle einen Schutzengel. Alexander Krauß

Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Fotos: Alexander Krauß

Eddys Arm und Bein zerfetzt

Angriffe auf Hilfsorganisationen wie UAU oder das Rote Kreuz seien gängige Praxis – im Februar 2023 etwa auf die Ausgabestelle an der Front. „Eddy, britischer Helfer eines ukrainischen Helfer-Teams, hatte weniger Glück.“ Zwei umgebaute Ducato-Geldtransporter, weiße Busse mit Schutzkennzeichnung, seien schon einmal von einer Drohne angegriffen worden. Bei einer Attacke auf ein baugleiches Fahrzeug hätten vor drei Wochen Schrapnell-Teile Eddys linken Arm und linkes Bein zerfetzt: „Sie mussten amputiert werden.“ Es sei erstaunlich, wie gelassen der 28-Jährige sein Schicksal genommen habe: „Er war fast schon zu gut drauf, für das, was ihm passiert ist.“

Matthias Uri, der seit Kriegsbeginn für die BHS Corrugated Hilfslieferungen koordiniert, war Ende Januar zeitgleich vor Ort: „Was hast du für eine Blutgruppe?“, sei er aufgeregt gefragt worden. „Weil Eddy schon viel Blut verloren hatte, haben wir von Kramatorsk aus versucht, so schnell wie möglich zum Krankenhaus in einem Vorort zu kommen“, erzählt Uri. „Wir sind mit 160 durch die Ortschaft geheizt.“ Als sie ankommen, stellt sich heraus, dass Eddy bereits die Blutspende einer Militäreinheit bekommen hatte. „Mental war das aber für das Team verheerend“, erzählt der Helfer aus Weiherhammer.

Zwei Tage lang waren alle total down. Matthias Uri

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß

Morddrohungen auf Insta

Am übernächsten Tag seien sie nach Dnipro gefahren, um den englischen Patienten zu besuchen: „Wir haben ihm einen Teddy mitgebracht“, beschreibt er die bangen Momente, als sie Eddy gegenüberstehen. „Er hat sich gefreut und sich überhaupt nicht beklagt – es ist bewundernswert, welch wahnsinnige Motivation der junge Kerl hat.“ Weil es nicht mehr viele Organisationen gebe, die solche Evakuationen machen würden, werde die Lage an der vorrückenden Front immer bedrohlicher.

„Es wird von russischer Seite gezielt nach Hilfsorganisationen gefahndet“, sagt Uri. „Bei einem anderen Vorfall feiern Russen in ihren Telegram-Channels den Angriff ab.“ Daran sehe man, dass Evakuierungsfahrzeuge gezielt mit Drohnen angesteuert würden. „Wir haben die richtigen erwischt“, zitiert Krauß eine andere Telegram-Gruppe. „Canadian-Alex zum Beispiel wurde explizit zum Abschuss freigegeben.“ Auch er selbst habe schon Morddrohungen bekommen. „Über Insta hat man mir geschrieben, die Russische Föderation werde meine Familie auslöschen.“ Da die Adresse seines Firmensitzes bekannt sei, mache er sich schon Sorgen. Ein Ex-Bundeswehr-Offizier habe ihn gewarnt:

Man weiß ja nicht, wie viele russische Agenten in Deutschland unterwegs sind. Alexander Krauß

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß

Bilanz nach drei Jahren Krieg

Vergangenen Montag vor drei Jahren, am 24. Februar 2022, startete Russland seinen brutalen Angriffskrieg auf die gesamte Ukraine. Während die neue US-Administration derzeit gerade die Opfer zu Tätern umdefiniert, und die Angst in der Ukraine wächst, nicht nur von den USA in Stich gelassen zu werden, zieht der ehemalige Nato-General General Erhard Bühler in einem Podcast eine Bilanz der Folgen von Putins „militärischer Spezialoperation“.

Mindestens 12.000 zivile Todesopfer, Hunderttausende von getöteten Soldaten auf beiden Seiten, Millionen von Vertriebenen, für ihr ganzes Leben geschädigte und verletzte Soldaten, Gewalt und Unterdrückung in den besetzten Gebieten, verschleppte Kinder, Erschießungen von ukrainischen Kriegsgefangenen, eine Kriegsführung der Russen, als ob es das humanitäre Völkerrecht nicht gäbe – all das sind Konsequenzen der Allmachtfantasien des Kreml-Herrschers.

Eindrücke vom Krieg in der Ukraine: Militärfahrzeuge in Kiew. Foto: Alexander Krauß

Schlag ins Gesicht der Ukrainer

Die Lage sei auch für die Helfer kompliziert: „Es ist ein Schlag ins Gesicht der Ukrainer“, sagt Uri. Die sich zuspitzende Situation an der Front sei auch dem zögerlichen Handeln des Westens geschuldet. „Jetzt sitzt jemand im Weißen Haus, der Fakten schafft“, sagt Uri.

Das nehmen auch die US-Helfer vor Ort nur noch mit Kopfschütteln zur Kenntnis. Matthias Uri

„Aus Helfersicht wünscht man sich, dass der Krieg bald vorbei ist“, beschreibt Uri seinen inneren Zwiespalt. „Aber zu welchem Preis – gibt sich Putin damit wirklich zufrieden?“ Der BHS-Ingenieur hat seine Zweifel. „Die Situation erinnert an das Münchener Abkommen von 1938, als die Engländer und Franzosen Hitler das so genannte Sudetenland zum Fraß vorwarfen, in der Annahme, er gäbe sich damit zufrieden.“ Was folgte, ist die Geschichte des Zweiten Weltkriegs mit über 60 Millionen Toten.

Eindrücke vom Krieg in der Ukraine: Kundgebung auf dem Majdan in Kiew. Foto: Alexander Krauß

Hybride Kriegsführung bei uns längst Realität

Und Krauß assistiert mit einem anschaulichen Vergleich: „Was würden wir machen, wenn die Russen in Deutschland einmarschieren und Bayern besetzen? Würden wir dann auch zustimmen, wenn die Amerikaner meinen, man müsse über unsere Köpfe hinweg Kompromisse schließen?“ Die Chronologie von Putins Aggressionen von Tschetschenien und Georgien über Syrien bis zur Ukraine zeige: „Man kann sich auf dessen Zusagen nicht verlassen.“ Und man sollte auch nicht vergessen: Die hybride russische Kriegsführung mit Morden im Berliner Tiergarten, mit Sabotageakten, Medienmanipulation und gekauften Parteien in ganz Europa ist längst Realität.

Dennoch befürchten beide: „Ich sehe, wie den Menschen in der Ukraine die Kraft ausgeht“, sagt Uri. „Von daher würde ein Waffenstillstand erst einmal guttun.“ Das Problem dabei: Auch Putins marode Kriegswirtschaft könnte sich von der gnadenlosen Menschen- und Materialschlacht erholen. Eines sei jedenfalls klar: „Wenn keine Waffen mehr geliefert werden, wird sich der Frontverlauf nach Westen verschieben.“ Der Schwerpunkt der Hilfsaktionen habe sich deshalb von Hilfslieferungen auf Evakuierungen verschoben.

Alexander Krauß verteilt mit seinem Verein Humanitas in Centro Hilfsgüter im Oblast Dnipro. Foto: Alexander Krauß

Russen stehen vor Pokrowsk

„Die Russen stehen an der Stadtgrenze von Pokrowsk“, schildert Krauß die mörderische Gefahr, in der sich die 53.000 Einwohner der Industrie- und Bergbaustadt in der Oblast Donezk im Osten der Ukraine befänden. „Man muss Tausende von Menschen rausschaffen, kann sie aber nicht mit Bussen evakuieren, weil sie leichte Zielscheiben russischer Angriffe wären.“ Die mühsame und gefährliche Alternative:

Wir bringen sie in Kleinbussen mit höchstens 7 Leuten raus. Alexander Krauß

Außer den drei genannten Organisationen würde keine mehr Evakuierungsmaßnahmen leisten. „Wir haben im Camp eine Koordinatorin, die alle Anfragen entgegennimmt“, sagt Uri, „das ist ein hochriskantes Thema.“ Man sei sich der Verletzlichkeit der Aktionen bewusst. „Wir fahren zwischen 3 und 8 Einsätze pro Tag und versuchen, ein Backup-Fahrzeug bereitzuhalten.“ Anschließend bringe man die Menschen in nahegelegene, halbwegs sichere Gebiete. „Von holen dort holen sie dann größere Busse ab.“

Nach dem Drohnenangriff auf zwei Fahrzeuge der Hilfsorganisation Humanitas in Centro im August 2024. Foto: Alexander Krauß

Wenn die Front zusammenbricht

Auch auf den Worst Case, dass die Front völlig zusammenbricht und die Russen durchmarschieren, müsse man sich vorbereiten. „Wir hatten von Anfang an 300 Liter Sprit im Camp, damit wir jederzeit Richtung Westen aufbrechen können“, sagt Uri. Schon vom ersten Tag an sei man auf dieses Szenario vorbereitet gewesen.

Schließlich habe man der Ukraine zu Beginn des Krieges keine drei Tage Widerstand zugetraut. Jetzt sind es schon drei Jahre. „Auch die Gefahr eines Atomschlag war gegeben“, räumt Uri ein. Schließlich wusste in der Phase, als Kiew noch relevante Gebiete zurückeroberte, niemand, wie Putin reagieren würde, stünde er mit dem Rücken zur Wand.

Speichersdorfer vom Freistaat in der Kategorie „Feuer & Flamme“ ausgezeichnet

Im Juni 2023 wurde Alexander Krauß als damals 21-Jähriger in der Kategorie „Feuer & Flamme“ von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann als einzige Einzelperson für seine jahrelange, ehrenamtliche Arbeit im In- und Ausland ausgezeichnet: „Offensichtlich brennt da jemand, ist Feuer und Flamme für aktive Nächstenliebe.“

„Das heißt wohl so, weil ich Feuer und Flamme für die Aktion war“, versucht Krauß das Etikett schmunzelnd zu erklären. Dass er auch seit dem 12. Lebensjahr bei der Speichersdorfer Feuerwehr aktiv ist, spielte dabei wohl keine Rolle, obgleich auch dafür die Bezeichnung gepasst hätte. „Man hat mir bei der Feier gesagt, in die Kategorie ,Mut‘ hätte ich auch reingepasst.“ 

„Die Spendenbereitschaft hat leider kontinuierlich abgenommen“, sagt Krauß. „Und an größere Geldgeber käme er als kleiner Verein, obwohl gerade bei „Humanitas in Centro“ jeder Cent in die Hilfsprojekte flösse, nicht heran: „Ich habe versucht, Gelder beim Auswärtiger Amt zu beantragen“, erzählt er, „mir wurde mitgeteilt, wir seien dafür zu klein, nur Projekte ab 5 Millionen Euro würden berücksichtigt.“

Auch Mattias Uri stellt frustriert fest, dass die Spenden immer weniger würden. Zum Teil seien die Deutschen, obwohl allenfalls peripher betroffen, „kriegsmüde“, zum Teil spalte die politische Agitation von AfD und BSW die Gesellschaft. „Wir hoffen, dass sich durch die Foto-Ausstellung wieder mehr Leute für das Schicksal der Ukrainer interessieren.“

Die nachlassende Spendenbereitschaft korreliert mit dem zunehmenden Desinteresse der Medien   an dem Thema. „Unsere Zeitung berichtet nicht mehr“, zeigt sich Alexander Krauß von der oberfränkischen Heimatzeitung enttäuscht. „Als ich nach dem Drohnen-Angriff auf unsere Fahrzeuge und Helfer eine Mitteilung an sämtliche Medien verschickt hatte, gab es von den meisten keine Rückmeldung.“ Dabei gehe es ihm nicht um seine persönlichen Verdienste: „Sondern um meine Mitglieder, die ihr Leben riskiert haben“, ist er schockiert, „dass das jetzt totgeschwiegen wird.“

Den Angriff auf seine in Bayreuth zugelassenen Evakuierungsfahrzeuge hat Krauß als Kriegsverbrechen bei der Staatsanwaltschaft in Bayreuth angezeigt. „Die wussten erst gar nicht, was sie damit anfangen sollten“, beschreibt er seinen Präzedenzfall. „Sie haben sich dann an das BKA gewandt, von dort ein Formular bekommen, inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen Unbekannt.“

* Diese Felder sind erforderlich.