Echo-Wahlinitiative: Auf der Suche nach dem Ruck durch die Oberpfalz

Weiden. Wenn nicht jetzt, wann dann? Das Vertrauen in die politischen Parteien, sogar in die Demokratie selbst war seit Gründung der Bundesrepublik noch nie so gering wie heute. Das Land scheint vor den Krisen unserer Zeit erstarrt. Unsere Echo-Wahlinitiative sucht nach Lösungen.

Echo-Wahlinitiative mit drei Oberpfälzer Mittelständlern zu Besuch beim Motorsport-Unternehmer Bernd Wagner (von links): Mit Grammer-Solar-Chef Siegfried Schröpf aus Amberg und dem Flosser Tiefbau-Unternehmer Harald Gollwitzer, Foto: Jürgen Herda

„Was fehlt bei der aktuellen Schicht der Politiker“, sagt der frühere Finanzminister Peer Steinbrück in einem satirischen Jahresrückblick mit Florian Schroeder, „sie unterliegen einer Beschreibungsangst.“ Anders, als der Gründer der Arbeiterpartei Ferdinand Lasalle mal gesagt habe: „Alle Politik beginnt damit auszusprechen, was ist.“

All die Bemäntelung von dem, was ist, sei eigentlich keine Politik. „Und wenn wir es mit einer Zeitenwende zu tun haben, dann erwarte ich von den Politikern, dass sie uns und mir nicht einreden, es könne alles so bleiben, wie es ist.“

Internationale Krisen und hausgemachte Misere

„Was ist“, prasselt jeden Tag über die sozialen und tatsächlichen Medien auf uns ein: Krisen, so weit das Auge reicht: der mörderische russische Krieg in der Ukraine, der nicht weniger blutige Nahost-Konflikt, der hybride Krieg Putins auch in Deutschland – mit Auftragsmorden, Anschlagsplänen und einer gesteuerten Propagandaschlacht. Mit weitreichenden Folgen für Europa: Inflation, hohe Energiepreise, Verunsicherung in weiten Teilen der westlichen Gesellschaften.

Dazu kommen hausgemachte Probleme, die seit Jahrzehnten vom Politikbetrieb links und rechts liegengelassen wurden: marode Infrastrukturen und Schulen, ein unter dem demografischen Druck kaum mehr finanzierbares Sozial-, Renten- und Gesundheitssystem, ein gravierender Arbeitskräftemangel – und eine über Jahrzehnte gewachsene, kaum mehr zu entwirrende Bürokratie.

Eigeninitiative ist gefragt

Auf der anderen Seite neigen Medien dazu, das Bild düsterer zu malen, als die Wirklichkeit ist: Klickzahlen und Algorithmen belohnen hysterische Debatten, Hassreden und Untergangsfantasien. „Wir sind auch nicht der kranke Mann in Europa“, sagt Steinbrück im selben Gespräch. „Das ist eine Art Selbstkasteiung und liefert nicht die Zuversicht und das Vertrauen in die eigenen Potenziale.“ Richtig. Und es entspricht auch nicht unserem Ansatz von konstruktivem Journalismus, der nicht nur die Misere beschreiben will, sondern nach Lösungen fragt.

In einer gemeinsamen Echo-Initiative mit regionalen Unternehmern planen wir deshalb eine überparteiliche Wahl-Berichterstattung, bei der wir zwischen 7. Januar und 11. Februar einige relevante Aspekte in aller Tiefe mit Experten beleuchten möchten. Da die Politik, gefangen in einem zunehmend zersplitterten Parteiensystem, allein nicht in der Lage ist, den Gordischen Knoten zu durchschlagen, reicht es in einer demokratischen Gesellschaft nicht, am Seitenrand zu stehen und die Misere zu beklagen. Eigeninitiative ist gefragt.

Unternehmer-Trio skizziert seine Erwartungen

Drei gestandene, mittelständische Unternehmer aus der mittleren und nördlichen Oberpfalz beschreiben ihren Blick auf die deutsche Misere – und schlagen Lösungen vor. Harald Gollwitzer, Chef eines Spezialtiefbauunternehmens aus Floß, Siegfried Schröpf, Geschäftsführer von Grammer Solar und der Amberger Bernd Wagner, auf allen Rennstrecken dieser Welt zu Hause, beschreiben aus den verschiedenen Perspektiven ihrer Branche, welche Faktoren ihre Entwicklung hemmt.

Dabei geht es den drei Praktikern nicht um eine Gewinnmaximierung: Sie wollen, dass ihr Unternehmen und vor allem ihre Mitarbeiter langfristig in der Region eine Perspektive haben – auch unter ihren Nachfolgern. „Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigstes Potenzial“, sagt Gollwitzer. „Deshalb ist es für mich auch wichtig, welche Ängste, Nöte und Sorgen sie umtreiben.“ Auch die Sicht der Belegschaft wird deshalb in unserer Reihe zur Sprache kommen und die Agenda der nächsten Wochen bestimmen – den Auftakt macht die Unternehmerrunde, deren Ergebnisse am 7. Januar bei uns publiziert werden.

Unsere Schwerpunktthemen

14. Januar: Ein Ruck fehlt in Deutschland

  • Deutschlands Meta-Krise: Nach Corona und Russischem Angriffskrieg die Metakrise – wir verlieren unser Geschäftsmodell, weil Trump den US-Schutz für Europa aufkündigt, das billige Gas als Futter unserer Industrie weg ist, der Protektionismus unsere Exporte gefährdet und die Industrie in einigen Bereichen den Anschluss verloren hat. Was tun?
  • Investitionen mit knappen Mitteln: Durch Schröders aus der Not geborenen Agenda 2010 wurde Deutschland zum Globalisierungsgewinner. Und ist wieder zurückgefallen als Investitionsstau-Meister. Wie durchschneiden wir den Gordischen Knoten, um mit knappen Mitteln die Wirtschaft in Schwung, Schulen, Straßen und Brücken instand und die Bundeswehr in Verteidigungsbereitschaft zu setzen?
  • Alle reden vom Bürokratieabbau: Keiner schafft es. In Jahrzehnten des „Mehr Demokratie wagen“ sind Mitbestimmungsrechte bei Baumaßnahmen, im Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz gewachsen, die eine wirtschaftliche Entwicklung fesseln. Wie kann man sich davon auch juristisch sauber befreien, ohne zu viel Porzellan zu zerschlagen?

21. Januar: Wie bekommen wir die Inflation in den Griff?

  • Hohe Lebensmittelpreise, unbezahlbare Mieten in Großstädten, schwindelerregende Immobilienpreise: Das Leben ist teuer geworden, selbst in ländlichen Regionen wie der nördlichen Oberpfalz. Aber höhere Löhne heizen die Produktionskosten und damit die Inflation weiter an. Was sind die Ursachen, was kann man dagegen tun?
  • Krisen und Kriege als Preistreiber bei Energie und Lebensmittel: Auch wenn die Energiepreise gefallen sind, billig ist anders. Ein Krieg in der Kornkammer Europas trägt sicher nicht zur Entlastung bei. Dazu kommen Mehrkosten durch den Klimawandel. Die CSU fordert die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die SPD ist offen für Preisdeckel – hilft das weiter?
  • Preiserhöhungen im Windschatten der Krisen: Haben sich die Handelskonzerne einfach ein sattes Plus mit faulen Ausreden gegönnt? Das Kartellamt hat die Preisentwicklung untersucht und – beispielsweise bei Sonnenblumenöl und Butter – „keine Anhaltspunkte für Preisabsprachen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“ gefunden. Verbraucherschützer halten die Datengrundlage für unzureichend und fordern eine staatliche Beobachtungsstelle nach dem Vorbild anderer EU-Länder, mit dem Ziel, die Mechanismen der Preisbildung vom Acker bis zum Supermarktregal besser zu durchleuchten.
  • Selbst das Häuschen im ländlichen Raum bald unerschwinglich? Es war lange das Lebensmodell auf dem Land: das Häuschen als Altersvorsorge. Inzwischen kostet selbst ein Modul-Holzbau mit Grundstück eine halbe Million. Was macht das Bauen so teuer? Rohstoffpreise, Handwerkerleistungen und immer mehr Auflagen: Leben Menschen in Italien und Frankreich wirklich so viel gefährlicher, ungesünder oder umweltschädlicher ohne deutsche Brandschutz-, und Klimaschutzauflagen?

28. Januar: Die Rente – Sicher und genug zum Leben?

  • Das deutsche Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher Rente, privater (Riester-Rente) und betrieblicher Vorsorge funktioniert mehr schlecht als recht. Viel zu wenige sorgen vor. Wer vorsorgt, spart meist zu wenig. Viele können sich die zusätzliche Vorsorge nicht leisten. Der DGB fordert eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 50 Prozent, keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters, eine Anrechnung von Kindererziehung, Pflege etc., und eine Finanzierung versicherungsfremder Leistungen durch den Bund. Ist das auch unter Bedingungen einer Rezession realistisch?
  • Ösi-Modell: Kann das stattliche, aber teure österreichische Modell Vorbild auch für Deutschland sein? 
  • Schwedisches Modell: Sind die Skandinavier beim Rentensystem um Jahrzehnte voraus? Das sagen Experten. 
  • Kombi-Modell: Ließen sich bei einer Anlehnung an das Ösi-System versicherungsfremde Leistungen, die Österreich nicht kennt, harmonisieren? Wie die Mütterrente oder die abschlagsfreie „Rente mit 63“. Oder auch Leistungen, die es in beiden Ländern gibt, auch wenn sie zum Teil anders heißen, wie Grundsicherung im Alter, Witwen- und Waisenrenten und Erwerbsminderungsrenten?
  • Ist eine Kombination aller Systeme denkbar?

4. Februar: Fachkräftemangel, Migration und Integration

  • Menschlichkeit und Kontrolle verbinden: Migrationsforscher Gerald Knaus fordert eine Migrationspolitik, die sowohl menschlich als auch kontrolliert ist. Das bedeutet, dass Migration geordnet und legal ablaufen muss, ohne die Rechte von Geflüchteten und Migranten zu verletzen. Er lehnt eine Politik der Abschottung ab, spricht sich jedoch für klare Regeln aus, um unkontrollierte Migration und illegale Schleusertätigkeit einzudämmen.
  • Kooperation mit Drittstaaten: Er setzt auf Abkommen mit Drittstaaten, ähnlich wie das EU-Türkei-Abkommen, um Migration zu steuern. Diese Vereinbarung sollte auf Gegenseitigkeit, rechtstaatlichen Grundsätzen und gerechterer Lastenteilung beruhen. Ziel ist es, Migranten vor gefährlichen Routen zu schützen und sichere, legale Wege zu eröffnen.
  • Förderung legaler Wege: Um irreguläre Migration einzudämmen, fordert er die Schaffung legaler Alternativen wie Arbeitsmigration, Resettlement-Programme und temporäre Schutzmechanismen. Witron und BHS haben eigene Schulen in Entwicklungsländern etabliert, die Arbeitsagentur vermittelt ausgebildete Fachkräfte aus Südamerika.
  • Integration: Wie viel Mittel und Ressourcen stehen tatsächlich zur Verfügung, wie viele Hürden bei der Einreise, bei der Anerkennung von Qualifikationen, bei Sprachkursen behindern die Integration?

11. Februar: Resümee – Wie meistern wir die Chancen der Krise?

Diskutieren Sie mit, schicken Sie uns zu den Themenblöcken ihre Fragen, Anregungen und Vorschläge – aber bitte berücksichtigen Sie: Wir wollen uns nicht im Weltuntergangsmodus einrichten, sondern suchen nach Lösungen, wollen die Ärmel hochkrempeln und im besten Fall Politiker aus unserer Region motivieren, unsere Impulse in den politischen Prozess einzuspeisen. Stellen Sie sich vor, es wäre Parlament, und die Abgeordneten handelten im Interesse ihrer Wähler!

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