Echo-Wahlinitiative: Oberpfälzer Mittelständler beschreiben ihre Situation
Amberg/Weiden. „Jetzt ist es schon so weit, dass ich nachdenken muss, bevor ich was sage“, bedauert sich Thomas Gottschalk. Das wollen wir alle beherzigen und den anderen zuhören, bevor wir unsere vorgefassten Meinungen herunterleiern. In der ersten Runde unserer Echo-Wahl-Initiative beschreibt das mittelständische Unternehmer-Trio seine Lage.
Mit Bernd Wagner, einem Spediteur, Logistiker und Sportausstatter, der die Strecken der Formel 1 und anderer Motorsportevents mit Brücken, Tribünen und Bewerbung ausstattet, Harald Gollwitzer, einem Spezialtiefbau-Unternehmer, der komplexe Objekte beispielsweise am Hamburger Hafen bebaut und Siegfried Schröpf, Geschäftsführer von Grammer Solar, einem PV- und Solar-Thermik-Unternehmer der ersten Stunde mit Niederlassungen in Spanien und Chile, bilden wir einen Querschnitt der vielfältigen, mittelständischen Oberpfälzer Wirtschaft ab.
Was alle eint: Dass es uns nicht reicht, wenn alle eine Situation, die zum Teil kritisch, aber beileibe nicht hoffnungslos ist, bekritteln und bejammern, aber keiner Anstalten unternimmt, die Lage zu verbessern. Unser Ansatz: Wir beschreiben die Ausgangslage und stellen Fragen, was wir machen müssen, um unsere Position in der nördlichen Oberpfalz und darüber hinaus zu verbessern.
Fangen wir mit dem Gastgeber an: Bernd, du bist weltweit unterwegs, hast einen Außenblick, aber bist trotzdem in Amberg stationiert. Wie stellt sich für dich die wirtschaftliche Lage dar – wo siehst du die größten Hemmnisse für dein Geschäftsmodell?
Bernd Wagner: Ich bereise Länder wie China, Amerika, Mexiko alle Jahre zur gleichen Zeit und sehe nur Fortschritte, egal, wo wir sind. Sie verändern sich in eine positive Richtung. Wenn ich dann nach Hause komme, Deutschland oder Europa, dann merkst du genau das Gegenteil. Wir entwickeln uns zurück. Wenn man regional oder überregional in die Wirtschaft reinhört, beklagt jeder das Gleiche:
Bei uns ist Bürokratie wirklich ein Thema – bis Dinge entschieden werden, sind wir schon in der Sache oder vom technologischen Stand überholt. Bernd Wagner
Sigi, deine Unternehmensentwicklung verfolge ich seit vielen Jahren, mit einem ständigen Auf und Ab im Kontext der EEG-Gesetzgebung. Du hast immer betont, dass es dir nicht um Subventionen, sondern um ein verlässliches Umfeld geht. Wie ist aus deiner Sicht die aktuelle Lage?
Siegfried Schröpf: Wie immer, ein Auf und Ab. Wir sind momentan, was den Gesamtmarkt betrifft, in einer Abwärtsbewegung, leider. Man könnte meinen, dass die Ampel-Regierung besonders viel für die Solarenergie getan hat. Sie hat sich auch bemüht, das zu tun, ohne Zweifel. Das Resultat endet da, wie es Bernd Wagner eben skizziert hat. Wir sehen keine Fortschritte, wir sehen eine große Verunsicherung im Markt, und Verunsicherung führt dazu, dass eben nicht investiert wird. Das gilt für große, aber auch für kleine Investitionen im Wohnbereich.
Die Leute wissen nicht, wie geht’s denn eigentlich weiter? Bernd Wagner hat mich gerade gefragt, „da gibt’s doch eine neue Förderung?“ Da geistert so vieles durch den Raum, und dann ist der Endverbraucher oder Investor verunsichert. Das ist das größte Investitionshemmnis. Es wird weniger Geld verdient, dann geht ein Negativkreislauf los, den wir in Ostbayern schon merken. Im IHK-Gremium wird oft betont, dass wir die am stärksten wachsende Region sind.
Und wer sind die Wachstumstreiber? Das sind nicht die Großen wie BMW, sondern Namen, die man teilweise gar nicht kennt in der zweiten oder dritten Zuliefererreihe. Und die sind jetzt am Kämpfen, weil der Automarkt einbricht. Siegfried Schröpf
Auch da ist der potenzielle Käufer verunsichert. Es ist ja noch offen, welche Technologie tatsächlich besser ist. Und die Leidtragenden sind jetzt erst mal die Firmen in der dritten Reihe. Aber diese Firmen sind unsere Kunden. Wir sind sehr viel im Gewerbebereich tätig. Und da spüre ich schon sehr deutlich, dass der eine oder andere sagt, „das verschieben wir jetzt erst mal auf nächstes Jahr“.
Es ist für mich sehr schwer erträglich, wenn man die Wirtschaft auf Großbetriebe reduziert. So wird das in der Öffentlichkeit wahrgenommen, „die Wirtschaft“, das sind immer DAX-Unternehmen. Die haben andere Interessen als wir. Meine Welt ist die des Mittelständlers – ob das ein Automobil-Fan, ein Tiefbauer oder Einzelhändler ist. Und ich bin der Meinung – Harald Gollwitzer hat das gerade gesagt – dass der Mittelstand immer noch die tragende Säule ist.
Harald, du hast mal gesagt, dein Arbeitsfeld, der Spezial-Tiefbau ist nicht ganz so konjunkturabhängig, aber die wirtschaftliche Lage wird dich auch treffen über kurz oder lang. Wie sind deine Rahmenbedingungen?
Harald Gollwitzer: Uns plagt am meisten die Verfügbarkeit von überdurchschnittlich motivierten Montage-Mitarbeitern auf den Baustellen. Wir sind viel in Norddeutschland unterwegs, und da sehen wir große Probleme auf uns zukommen. Momentan können wir es noch mit den alten Mitarbeitern bewältigen, aber perspektivisch, in einem Zeitraum von 3 bis 5 Jahren, werden wir das Geschäft nicht mehr wie bisher betreiben können. Das heißt, wir werden uns strategisch neu aufstellen und Veränderungen vorantreiben, damit wir in drei, vier Jahren nicht vor der Situation stehen, das Geschäft, wie in den vergangenen 10, 15 Jahren nicht mehr erfolgreich betreiben zu können. Das ist unsere größte Herausforderung.
Wir sind in einem Spezialbereich tätig, aber das heißt nicht, dass wir keinen Wettbewerb ausgesetzt sind, ganz im Gegenteil. Der hat in den vergangenen Jahren zugenommen, und der Kuchen, der zu verteilen ist, wird nicht größer, sondern tendenziell immer kleiner. Der Einbruch im Wohnungsbau betrifft uns momentan nicht besonders. Dafür hatten wir im Bereich der Energieversorgung die Möglichkeit, neue Aufträge zu akquirieren. Sodass ich davon ausgehe, dass unsere Firmengruppe in den nächsten ein, zwei Jahren, unsere Aufträge halten kann. Und das zweite Thema, das über uns schwebt, sind die Forderungsausfälle von Kunden – und da muss man mittlerweile sogar die Öffentliche Hand dazuzählen. Da geht es um große Summen, das muss man erst wieder verdienen.
Mich treibt aber noch was anderes um, warum wir diese Wahlinitiative ergriffen haben: Wir müssen diesen Blick von außen, des Mittelstands, mal veröffentlichen, ohne parteipolitisch zu werden – das bin ich 40 Jahre gewesen. Ich kenne da alle Höhen und Tiefen. Harald Gollwitzer
Was uns in Deutschland lähmt, ist diese Haltung, die uns vermittelt wurde, von wem auch immer, es gebe einen anstrengungslosen Wohlstand. Das heißt, das Geschäft geht automatisch so weiter, die Firmen verdienen automatisch Geld, der Staat kriegt automatisch Steuereinnahmen, die werden immer mehr, und man muss sich nur überlegen, für welche neuen Dinge man die ausgibt.
Das müssen wir aus unseren Köpfen rausbringen, motivierend, nicht mit dem Zeigefinger. Da muss jeder Unternehmer, ob klein oder groß, jeder Arbeitnehmer, ob er viel oder wenig verdient, muss seinen Beitrag dazu leisten. Wir brauchen grundlegende politische Veränderungen auf verschiedenen politischen Handlungsfeldern. Das ist ein sehr dickes Brett. Das zu bohren, schaffen wir nur gemeinsam.
Siegfried Schröpf: Da möchte ich gerne was dazu sagen. Wir hören, woanders geht’s aufwärts, wir aber sind eine Krisenregion, in Deutschland und Europa. Ich finde es auch ganz gut, dass wir nicht Deutschland allein betrachten, weil ich glaube, dass Frankreich ein ähnliches oder größeres Problem hat. Es geht nichts voran, wir sind in der Krise – da denkt man doch eigentlich, wir sind ein vollkommen verarmtes Land. Wenn man sich mal vor Augen hält: 2010 hatten wir ein Steuervolumen, Einnahmen des Staates, von 530 Milliarden Euro. 2023 hatten wir ein Steuervolumen von 915 Milliarden. Wir sind ein unheimlich reiches Land. Wir steigern unser Einkommen, wir haben Geld ohne Ende.
In einer Situation, wo wir so reich sind, wie noch nie, da fragst du dich doch: Was ist da los? Es ist ja nicht wie vor 100 Jahren, da gab’s in Deutschland kein Geld. Da war die große Inflation, da war alles verarmt, da war wirklich nichts da. Aber das ist ja heute nicht so. Der Vergleich mit damals ist grotesk. So reich, wie heute, ist noch nie ein Land gewesen. Siegfried Schröpf
Die Frage ist dann aber: Warum haben wir in einer konjunkturell besseren Situation nicht in die wesentlichen Aufgaben investiert – wie die Sanierung von Straßen und Brücken, wie in Bildung und Schulen, die alle offensichtlich am Hund sind. Das ist ja kein Versäumnis der Ampel, sondern mindestens seit der Kohl-Regierung. Man hat Ausgaben vermieden, die nicht unbedingt sofort sein mussten, die nicht wahlentscheidend waren. Das ist offensichtlich auch eine Krankheit unseres vierjährigen Wahlturnus‘, der begünstigt, dass sich die Parteien auf Wohltaten für ihre Zielgruppen fokussieren.
In den folgenden Veranstaltungen und Publikationen werden wir versuchen, diesen Fragen auf den Grund zu gehen: Wir können wir den demografischen Wandel bewältigen, ausreichend Fachkräfte mobilisieren und die Renten stabil finanzieren – Herausforderungen gibt es genügend für die nächste Regierung.
Unsere Schwerpunktthemen
14. Januar: Ein Ruck fehlt in Deutschland
- Deutschlands Meta-Krise: Nach Corona und Russischem Angriffskrieg die Metakrise – wir verlieren unser Geschäftsmodell, weil Trump den US-Schutz für Europa aufkündigt, das billige Gas als Futter unserer Industrie weg ist, der Protektionismus unsere Exporte gefährdet und die Industrie in einigen Bereichen den Anschluss verloren hat. Was tun?
- Investitionen mit knappen Mitteln: Durch Schröders aus der Not geborenen Agenda 2010 wurde Deutschland zum Globalisierungsgewinner. Und ist wieder zurückgefallen als Investitionsstau-Meister. Wie durchschneiden wir den Gordischen Knoten, um mit knappen Mitteln die Wirtschaft in Schwung, Schulen, Straßen und Brücken instand und die Bundeswehr in Verteidigungsbereitschaft zu setzen?
- Alle reden vom Bürokratieabbau: Keiner schafft es. In Jahrzehnten des „Mehr Demokratie wagen“ sind Mitbestimmungsrechte bei Baumaßnahmen, im Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz gewachsen, die eine wirtschaftliche Entwicklung fesseln. Wie kann man sich davon auch juristisch sauber befreien, ohne zu viel Porzellan zu zerschlagen?
21. Januar: Wie bekommen wir die Inflation in den Griff?
- Hohe Lebensmittelpreise, unbezahlbare Mieten in Großstädten, schwindelerregende Immobilienpreise: Das Leben ist teuer geworden, selbst in ländlichen Regionen wie der nördlichen Oberpfalz. Aber höhere Löhne heizen die Produktionskosten und damit die Inflation weiter an. Was sind die Ursachen, was kann man dagegen tun?
- Krisen und Kriege als Preistreiber bei Energie und Lebensmittel: Auch wenn die Energiepreise gefallen sind, billig ist anders. Ein Krieg in der Kornkammer Europas trägt sicher nicht zur Entlastung bei. Dazu kommen Mehrkosten durch den Klimawandel. Die CSU fordert die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die SPD ist offen für Preisdeckel – hilft das weiter?
- Preiserhöhungen im Windschatten der Krisen: Haben sich die Handelskonzerne einfach ein sattes Plus mit faulen Ausreden gegönnt? Das Kartellamt hat die Preisentwicklung untersucht und – beispielsweise bei Sonnenblumenöl und Butter – „keine Anhaltspunkte für Preisabsprachen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“ gefunden. Verbraucherschützer halten die Datengrundlage für unzureichend und fordern eine staatliche Beobachtungsstelle nach dem Vorbild anderer EU-Länder, mit dem Ziel, die Mechanismen der Preisbildung vom Acker bis zum Supermarktregal besser zu durchleuchten.
- Selbst das Häuschen im ländlichen Raum bald unerschwinglich? Es war lange das Lebensmodell auf dem Land: das Häuschen als Altersvorsorge. Inzwischen kostet selbst ein Modul-Holzbau mit Grundstück eine halbe Million. Was macht das Bauen so teuer? Rohstoffpreise, Handwerkerleistungen und immer mehr Auflagen: Leben Menschen in Italien und Frankreich wirklich so viel gefährlicher, ungesünder oder umweltschädlicher ohne deutsche Brandschutz-, und Klimaschutzauflagen?
28. Januar: Die Rente – Sicher und genug zum Leben?
- Das deutsche Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher Rente, privater (Riester-Rente) und betrieblicher Vorsorge funktioniert mehr schlecht als recht. Viel zu wenige sorgen vor. Wer vorsorgt, spart meist zu wenig. Viele können sich die zusätzliche Vorsorge nicht leisten. Der DGB fordert eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 50 Prozent, keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters, eine Anrechnung von Kindererziehung, Pflege etc., und eine Finanzierung versicherungsfremder Leistungen durch den Bund. Ist das auch unter Bedingungen einer Rezession realistisch?
- Ösi-Modell: Kann das stattliche, aber teure österreichische Modell Vorbild auch für Deutschland sein?
- Schwedisches Modell: Sind die Skandinavier beim Rentensystem um Jahrzehnte voraus? Das sagen Experten.
- Kombi-Modell: Ließen sich bei einer Anlehnung an das Ösi-System versicherungsfremde Leistungen, die Österreich nicht kennt, harmonisieren? Wie die Mütterrente oder die abschlagsfreie „Rente mit 63“. Oder auch Leistungen, die es in beiden Ländern gibt, auch wenn sie zum Teil anders heißen, wie Grundsicherung im Alter, Witwen- und Waisenrenten und Erwerbsminderungsrenten?
- Ist eine Kombination aller Systeme denkbar?
4. Februar: Fachkräftemangel, Migration und Integration
- Menschlichkeit und Kontrolle verbinden: Migrationsforscher Gerald Knaus fordert eine Migrationspolitik, die sowohl menschlich als auch kontrolliert ist. Das bedeutet, dass Migration geordnet und legal ablaufen muss, ohne die Rechte von Geflüchteten und Migranten zu verletzen. Er lehnt eine Politik der Abschottung ab, spricht sich jedoch für klare Regeln aus, um unkontrollierte Migration und illegale Schleusertätigkeit einzudämmen.
- Kooperation mit Drittstaaten: Er setzt auf Abkommen mit Drittstaaten, ähnlich wie das EU-Türkei-Abkommen, um Migration zu steuern. Diese Vereinbarung sollte auf Gegenseitigkeit, rechtstaatlichen Grundsätzen und gerechterer Lastenteilung beruhen. Ziel ist es, Migranten vor gefährlichen Routen zu schützen und sichere, legale Wege zu eröffnen.
- Förderung legaler Wege: Um irreguläre Migration einzudämmen, fordert er die Schaffung legaler Alternativen wie Arbeitsmigration, Resettlement-Programme und temporäre Schutzmechanismen. Witron und BHS haben eigene Schulen in Entwicklungsländern etabliert, die Arbeitsagentur vermittelt ausgebildete Fachkräfte aus Südamerika.
- Integration: Wie viel Mittel und Ressourcen stehen tatsächlich zur Verfügung, wie viele Hürden bei der Einreise, bei der Anerkennung von Qualifikationen, bei Sprachkursen behindern die Integration?
11. Februar: Resümee – Wie meistern wir die Chancen der Krise?
Diskutieren Sie mit, schicken Sie uns zu den Themenblöcken ihre Fragen, Anregungen und Vorschläge – aber bitte berücksichtigen Sie: Wir wollen uns nicht im Weltuntergangsmodus einrichten, sondern suchen nach Lösungen, wollen die Ärmel hochkrempeln und im besten Fall Politiker aus unserer Region motivieren, unsere Impulse in den politischen Prozess einzuspeisen. Stellen Sie sich vor, es wäre Parlament, und die Abgeordneten handelten im Interesse ihrer Wähler!
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1 Kommentare
Bravo ! Endlich werden unserer aller Probleme angesprochen. Weiter so die Politik hat scheinbar wie immer keine Ahnung was im Mittelstand abgeht und was es heißt Unternehmer zu sein. Geht es der mittelständischen Wirtschaft gut, geht es auch den Menschen gut. Der Mittelstand entnimmt kein Kapital aus der Firma wie die Großunternehmen, er investiert.