Ein Fest für die Feuerwehr, die Ukraine und den Sieg des Kalush Orchestra beim ESC

Altendorf. Benefizkonzert für die Ukraine und 150-jähriges Feuerwehr-Jubiläum in Altendorf (Kreis Schwandorf): Drei Bands rocken die Terrasse des Sportheims. Mittendrin Familien aus dem Donbass. Um 1.30 Uhr steht fest: Das ukrainische Kalush Orchestra gewinnt den Eurovision Song Contest 2022.

Schirmherr des Benefizkonzerts für die Ukraine ist Bürgermeister Markus Schiesl (rechts oben). Collage: jrh

Wir verständigen uns auf Deutsch, Tschechisch und mit dem Google-Übersetzer. Natascha ist die Mutter von Jewgeni, der seit ein paar Wochen mit seiner Frau und dem kleinen Sohn in Altendorf lebt. „Ein Sohn ist hier, der andere in Russland“, sagt sie. „Das zerreißt mir das Herz.“

Andrej lebt mit seiner Familie im Ural. „Russen und Ukrainer haben sich immer verbunden gefühlt.“ Doch jetzt ist alles anders. „Keiner kommt mehr raus aus Russland“, sagt sie. Ihr Mann hält zu Hause im Donbass die Stellung: „Er ist ein guter Mann, er hilft, Menschen zu evakuieren.“ Tränen laufen über ihr Gesicht. „Entschuldigung.“ Sie telefonieren jeden Tag. Die Stadt ist eingekesselt.

Fußball mit den Dorfkindern

Jewgeni ist einer der wenigen Männer, die das Land verlassen konnten. Der Bergbauingenieur hat ein Grubenunglück überlebt und wurde als untauglich ausgemustert. Er, seine Frau und der Kleine bemühen sich, Deutsch zu lernen. Am Tisch, dem Kühlschrank, Stühlen, Fenstern kleben Zetteln mit den deutschen Begriffen. Die hat eine Nachbarin angebracht. Noch können sie an keinem Kurs teilnehmen. Die Bürokratie fordert ihren Tribut. „Wir danken euch allen, Altendorf ist ein guter Ort.“

Der Punkrock von der Bühne übertönt die Zwischentöne. Alle wippen im Rhythmus mit den Füßen. Für einen Abend die bedrückende Gegenwart vergessen. Die Kinder kicken am Nebenplatz in wildem Durcheinander. Die Dorfkinder kümmern sich rührend um den kleinen David. „Er kommt aus der Ukraine“, sagt ein Mädchen, „er kennt die Regeln noch nicht.“ Wenn er im Eifer des Gefechts ins Straucheln kommt, fragen sie: „Brauchst du ein Pflaster?“

12 Punkte aus fast ganz Europa

Die Wörter werden breiter, die Sätze noch undeutlicher. Die letzten Bratwürste und Steaks riechen leicht verbrannt. Weit nach Mitternacht verfolgen wir den Punkte-Countdown des ESC am iPad. Noch liegt die Ukraine auf Platz 6. Die letzten Punkte der Publikumsvoten werden addiert. Jetzt ist die Ukraine dran: Über 400 Punkte, ein Durchschnitt von 11,1 – fast alle europäischen Länder verleihen der Ukraine 12 Punkte, twelve points, douce points – und katapultieren das von Russland überfallene Land auf Platz 1. Ein politisches Votum, wie erwartet. Ein Sieg in Herzform.

Das ukrainische Kalush Orchestra durfte nur mit einer Sondergenehmigung nach Turin reisen. Die Musiker sind im wehrfähigen Alter. Ihr peppiger und gleichzeitig anrührende Crossover-Folk-Rap-Song „Stefania“ besingt die Mutter von Kalush-Frontmann Oleh Psiuk. Eine Annäherung an die Volkslyrik im Infokasten. Am Ende des Abends sind alle gerührt. Wenn alle Siege so leicht zu erringen wären. Dafür nehmen wir Maliks letzten Platz, den leisen, aber keineswegs unwürdigen deutschen Beitrag gerne in Kauf.

„Stefania“ (Schlaflied einer Mutter)

Das Feld blüht, doch ihr Haar ergraut,
Mutter, sing mir dein Wiegenlied‘
Sing dein liebes Wort ganz laut

Als Baby hat sie mich gewiegt,
sie gab mir eine Melodie,
nicht nimmst du meinen Willen mir,
den habe ich von ihr.

Sie wusste mehr als König Salomon.
Meinen Heimweg finde ich als Sohn,
auch wenn alle Straßen Schutt und Asche sind.‘
Sie weckt mich nicht, im Sturm ganz blind.

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