Erinnerung an die Güte in Person: Heuer wäre Alexander Fried 99 Jahre alt geworden
Amberg. Schon wieder zwei Jahre ist es her, dass uns Alexander Fried für immer verlassen hat. Er fehlt uns allen – am meisten seiner Witwe Dorothea Woiczechowski-Fried, Sohn Jonathan und Enkel Jakob. Am Jüdischen Friedhof in Amberg gedachte der engste Familienkreis dem Mann, der drei Konzentrationslager und einen Todesmarsch überlebte und dennoch die Güte in Person blieb.

Im Vorjahr, genau ein Jahr nach dem Tod von Alexander Nesanel Meir Avraham Fried, waren die drei verschiedenen Trauerzeiten abgeschlossen: Nach jüdischem Brauch hatte man das Kaddisch gesprochen.
Außer den zwei Rabbinern Elias Dray und Netanel Lauer, Witwe Dorothea Woiczechowski-Fried, Sohn Jonathan Fried mit Ehefrau Olga und Enkel Jakob verabschiedeten sich auch rund 50 Freunde und Bewunderer vom Ehemann, Vater, Opa und Freund.
Alexander vereinte so viel in sich
Heuer, am zweiten Todestag, gedachte der engste Familienkreis am Jüdischen Friedhof in Amberg dem Mann, der so viele Personen in sich vereinte:
- Das immer in ihm lebendige Kind, das im Stetl des slowakischen Eisenbahnknotens Žilina im Lokal der Eltern aufwuchs und sich von den weitgereisten Gästen unzählige Sprachen aneignete.
- Der Sportler und begeisterte Fußballer, dessen Kondition und Konstitution ihm genauso halfen, die unbeschreiblichen Torturen des menschenverachtenden Nazi-Regimes in drei Konzentrationslagern und auf dem Todesmarsch zur Ostseeküste zu überleben, wie sein unerschütterlicher Glaube, dass doch etwas Gutes im Menschen sein müsse.
- Der Intellektuelle, der nach dem Krieg in Wien promovierte, zum Professor und Kulturdezernenten des Zentralrats der Juden in Düsseldorf avancierte.
- Der Bewahrer des Gedächtnisses an all die ungezählten Holocaust-Opfer, darunter auch fast seine ganze Familie, der jahrzehntelang ohne Verbitterung deutschen Schülern schilderte, was er und seine Leidensgenossen erdulden mussten.
- Vor allem aber der großartige, liebenswerte, gewinnende Mensch, der nicht nur seine Geschichte erzählte, sondern sich aufrichtig für das Leben der anderen interessierte und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stand.
Der Weise von Tirschenreuth lebt weiter
Diese einzigartige Persönlichkeit, diesen Weisen von Tirschenreuth, vermissen nicht nur die engsten Angehörigen. Uns allen fehlt seine Stimme der Vernunft und Versöhnung in einer Zeit, moralisch-geistiger Verwirrung, in der Hassreden zum schlechten Ton nicht nur in den Sozialen Medien gehören, in denen wieder tabulos alles nur ein wenig Andere, vermeintlich Fremde vorverurteilt und ausgegrenzt wird.
Gut, dass mit seiner geliebten Dorothea der zweite Teil des rührenden „Philemon und Baucis“-Paar, das sich spät in Tirschenreuth gefunden hat, weiterlebt und sein Vermächtnis weiterträgt – in seinem Geist und seinem Sinn, mit Anteilnahme und Güte. Dafür sind wir alle, die wir euch beide kennenlernen durften, zutiefst dankbar.
Rabbi Lauer: „Allein gelassen und doch voller Wärme“
Rabbi Netanel Lauer, der erst ein Jahr vor der Corona-Pandemie in Erfahrung gebracht hatte, dass in Tirschenreuth ein Nachkomme lebt, rühmt Frieds phänomenales Gedächtnis: „Er erinnerte sich noch genau an meinen Großvater.“ Besonders beeindruckt sei er von Frieds Schilderungen der geliebten Mutter Julischka gewesen: „Wenn er über seine Mutter sprach, weinte er noch als 90-Jähriger, weil er es nie verkraftet hatte, sie auf seiner Flucht verlassen zu haben – ihm wurden die besten Jahre seiner Jugend gestohlen.“
Obwohl völlig alleingelassen in einer unmenschlich kalten Welt, sei er ein Mensch voller Wärme gewesen: „Er hat etwas Großartiges aus seinem Leben gemacht.“ Weil er trotz seines Schicksals Menschen mochte, habe er für sich entschieden: „Ich kann nicht nur für mich leben, ich muss anderen etwas geben.“ Er habe immer sprechen und erklären wollen: „Ein erstaunlicher Mensch.“ Die Krönung aber, sagt Lauer, indem er Jonathans Sohn Jakob knuddelt, seien seine Enkelkinder.
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