Falkenbergs Burg-Museum: Wegen Graf von der Schulenburg Gedenkort nationaler Bedeutung
Falkenberg. Wie die meisten Männer des 20. Juli ist Friedrich Werner Graf von der Schulenburg eine ambivalente Persönlichkeit: Tief in das nationalsozialistische Unrechtsregime verstrickt, wird er von dessen Schergen nach dem Anschlag auf Hitler hingerichtet. Er ist aber auch der Bauherr, ohne den es Burg Falkenberg in dieser Form heute nicht geben würde.

Da ist einmal Friedrich Werner Graf von der Schulenburg, adeliger Spitzendiplomat aus Sachsen-Anhalt, liiert mit der exzentrischen Deutsch-Russin Alwine Sophie „Alla“ Duberg, die er als Botschafter in Teheran kennenlernte. Dass sie später als Alwine von Duberg geführt wird, ist Teil der kuriosen Amour fou – der obsessiven Liebesbeziehung zweier schillernder Persönlichkeiten.
„Der Botschafter war so in sie verliebt, dass er ihr einen Adelstitel angedichtet hat“, erklärt Bürgermeister Matthias Grundler bei einer Burgführung für das Echo. „Er hat irgendwann mal begonnen, in seiner Korrespondenz von Alwine von Duberg zu schreiben“, fährt Grundler fort.
„Niemand fragt danach und dir ist es doch egal“, zitiert der Soziologe und Romanautor Stefan Piasecki in einem Vortrag aus einem Brief an die Geliebte. Das sei später sogar aufgeflogen. „Es hat keine Konsequenzen gegeben“, sagt der Bürgermeister, „es war der Versuch, sie ein Stück weit vor den deutschen Behörden in eine gewisse Position zu bringen.“
Dorfleben statt Großstadt-Glamour
Der Vater der gebürtigen Petersburgerin sei Schneider mit einem Pelzgeschäft gewesen. Duberg habe 1918 einen spielsüchtigen Kaufmann geheiratet, mit dem sie nach Teheran ausgewandert sei. Dort lernte sie nach der Trennung von ihrem Gatten den deutschen Diplomaten Schulenburg kennen. Eine Heirat kam für das Paar nicht infrage: „Der Graf konnte sie nicht heiraten, da Alwine keine Reichsdeutsche war.“
Dieses pompöse Gespann würde auch heute noch Furore machen, schlüge es plötzlich in der ländlichen Oberpfalz auf. 1936, als der Graf die Burgruine erwarb, dürfte das unverheiratete, semiadelige Paar im tief katholischen Falkenberg, drei Jahre nach der Machtergreifung Hitlers, freilich eine veritable Sensation gewesen sein. Für die lebenslustige Großstädterin Duberg wohl eher der Schock ihres Lebens. Dörfliche Beschaulichkeit statt berauschendes Großstadtleben.
Bauherrin mit Alkoholproblemen
Und dann auch noch diese Burg, mehr Ruine als Gebäude, die ihr Geliebter als Altersruhesitz aufwendig sanieren und einrichten ließ. Mit Betonung auf „lassen“. Da der Spitzendiplomat nur selten in der Oberpfalz verweilen konnte, sollte seine „Alla“ den Wiederaufbau der Burg überwachen. Zu viel für die alkoholabhängige Frau, die sich in ihrer Überforderung mit den Falkenbergern überwirft.
Die zunehmenden Spannungen bringen die streitbare Dame zunehmend in Gefahr. Schulenburg habe vergeblich versucht, die Wogen zu glätten. „1941 wurde sie denunziert und aus dem Ort verbannt“, sagt Grundler, „kurz darauf inhaftiert.“ Nur unter Aufbietung aller Kontakte sei es dem Grafen gelungen, sie wieder freizubekommen. Wie Schulenburg selbst zum Verschwörer-Kreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg stößt, ist nicht dokumentiert.
Kein Verein für Widerstandskämpfer
„Man darf sich das ja nicht so vorstellen, dass für jedermann klar war, wer im Widerstand engagiert ist“, erklärt Grundler das lebensgefährliche Unterfangen, Kontakt zu potenziellen Regimekritikern aufzunehmen – nach dem Motto: „Und dann gehe ich da mal hin und melde mich im Verein an.“ Dennoch sei diese Verschwörer-Gruppe immer weitergewachsen, sich bis Menschen getraut hätten, andere einzuweihen. „Schulenburg jedenfalls wurde angesprochen.“
Belegt sei, dass Schulenburg in Kontakt zu dem DNVP-Politiker Carl Friedrich Goerdeler, einem der führenden zivilen Köpfe der Widerstandsbewegung, gestanden habe. Goerdeler sollte nach einem erfolgreichen Attentat vom 20. Juli 1944, an dessen Planung er maßgeblich beteiligt war, das Amt des Reichskanzlers übernehmen.
Für diese Gruppe stand nicht die völlige Kapitulation im Raum, sondern man wollte mit Waffenstillständen entweder im Osten oder im Westen retten, was zu retten ist. Matthias Grundler

Schulenburg sollte mit Stalin verhandeln
Schulenburg war als Außenminister für eine solche Übergangsregierung vorgesehen. „Ich habe erst vor kurzem Wolfgang Venohrs Buch über Stauffenberg – ‚Stauffenberg: Symbol des Widerstandes‘ – gelesen“, schildert der Bürgermeister die Rolle des Grafen. „Da beschreibt er, dass Schulenburg, sobald Hitler beseitigt und eine neue Reichsregierung durch die Verschwörer eingesetzt wäre, hinter die feindlichen Linien in die Sowjetunion eingeschmuggelt werden sollte, um einen Waffenstillstand auszuloten und vorzubereiten.“
Dass man ihm das zutraute, liege an Schulenburgs Einschätzung von russischer Seite, „ehrlicher Makler für die deutsch-russischen Beziehungen“ gewesen zu sein, der sich unter Einsatz seines Lebens für einen Frieden zwischen beiden Staaten starkgemacht habe. Um seine Motive besser zu verstehen, beleuchtet Grundler das Spannungsfeld, in dem sich Schulenburg bewegte: „Es geht um einen Adeligen, der eine Karriere in der Nazizeit weitergeführt hat, die schon in der Weimarer Republik als Konsul im diplomatischen Dienst begann.“ Der Graf sei sicher kein Widerstandskämpfer gewesen, aber auch kein großer Freund der Nazis.
Architekt des Hitler-Stalin-Pakts
Sein Denken sei vielmehr durch die wilhelminische Ära geprägt gewesen. „Er war überzeugter Anhänger der Idee der deutschen nationalen Einheit, der Diplomatie Bismarcks.“ Dessen friedenssicherndes Bündnissystem, das Deutschlands Stellung und Macht in Europa wahren und eine Einkesselung inmitten Europas verhindern sollte, sei sein großes Vorbild gewesen. „Auf der einen Seite hat er die Idee begrüßt, Deutschland von der Schmach von Versailles und dem Diktat nach dem Ersten Weltkrieg zu befreien“, sagt Grundler. „Auf der anderen Seite war die Machtübernahme der Nazis ein Bruch mit diesem Wertesystem – mit dem ganzen Rassenwahn wusste er wenig anzufangen.“
Was bleibt von dem Mann, der Burg Falkenberg wieder aufgebaut hat? „Er war ein Adeliger ohne Standesdünkel, der auf die Menschen offen zugegangen ist. Und gleichzeitig der Architekt des Hitler-Stalin-Pakts – ein Pakt zwischen den zwei blutrünstigsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts.“ Sein Motiv dabei sei aber nicht Hitlers Wahnfantasie von der Unterwerfung Europas entsprungen.
Er versuchte, irgendwie den Frieden zwischen Deutschland und Russland zu wahren, weil ein Krieg mit Russland für sein Idol Bismarck immer als das große Schreckgespenst gegolten hatte. Matthias Grundler

Das Ende des Grafen und seiner Geliebten
Die Verhaftung Schulenburgs erfolgte nicht gleich nach dem misslungenen Attentat vom 20. Juli, „weil man ihn im ersten Moment nicht als Mitverschwörer auf dem Zettel hatte“. Dennoch habe er schon länger unter Beobachtung gestanden, weil er nicht die Linientreue an den Tag gelegt habe, die man erwartet hätte. Auf seine Spur sei man durch eine Verkettung unglücklicher Ereignisse gekommen. „Nach dem Brand in dem Berliner Hotel Bristol, fand man in einem Tresor unter anderem eine Liste von Leuten, die sich in der neuen Reichsregierung betätigen sollten.“ Darauf stand auch sein Name.
Verhaftet wurde er erst am 19. Oktober und wegen Hochverrats angeklagt. Im Prozess vor dem Volksgerichtshof bestritt er am 23. Oktober 1944 vergeblich, von Umsturzplänen etwas gewusst zu haben. Gerichtspräsident Roland Freisler verurteilte ihn zum Tode. Am 10. November 1944 wurde Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg in der Hinrichtungsstätte des Strafgefängnisses Berlin-Plötzensee gehängt. Im April 1944 wurde Alwine Duberg erneut verhaftet, kurz darauf starb sie unter ungeklärten Umständen. Vermutet wird, dass sie wie der Graf von den Nationalsozialisten umgebracht wurde.
Anlässlich der Ermordung des Grafen am 10. November vor 80 Jahren veranstaltete die Marktgemeinde im vergangenen Herbst einen großen Gedenkakt mit einem Empfang in der Burg und der Vorstellung der neuen Forschungsergebnisse von Professor Piasecki.
Burg Falkenberg: Gedenkort nationaler Bedeutung
Das Burg Falkenberg historisch, denkmalpflegerisch, baulich und kulturell als Gedenkort von nationaler Bedeutung eingestuft wird, liegt weniger an ihrer majestätischen Architektur, fest im Fels verankert und seit hunderten von Jahren steinerner Wächter über dem Ort. Burgen gibt es viele in Deutschland, aber nur wenige, in denen Zeitgeschichte so greifbar wird.
Durch die historische Persönlichkeit Friedrich Werner Graf von der Schulenburgs ist Falkenberg zugleich ein Kulminationspunkt des NS-Regimes und des Widerstands gegen dessen Terror. Wären das Attentat und der Putschversuch geglückt, hätte die Burg womöglich dem Außenminister des Deutschen Reichs als Alterswohnsitz gedient. Die Geschichte wäre vielleicht anders verlaufen.
Umgekehrt ist nach dem gescheiterten Anschlag auf Hitler ein Kelch an den Falkenbergern vorübergegangen. „Als Schulenburg im August verhaftet wird, beschlagnahmt die Gestapo die Burg“, schildert Bürgermeister Matthias Grundler die weitere Verwendung des Komplexes, „durchsucht sie und überlässt sie dann letztlich der SS, die wiederum eine Nebenkommandantur zum KZ-Flossenbürg hier einrichtet.“
Auf der Burg werden Kriegsgefangene, besonders aus Griechenland und Polen inhaftiert. „Im Vergleich zum KZ-Flossenbürg war es eine relativ humane Station“, sagt Grundler. „Sie hatten geregelten Freigang im Burghof.“ Lange sei man davon ausgegangen, dass Falkenberg in diesem Geflecht von Außenlagern des KZ-Flossenbürg keine große Rolle gespielt habe. „Bis Dr. Jörg Skribeleit, der Leiter der heutigen Gedenkstätte, auf uns zugekommen ist, nachdem wir die Burg gekauft hatten und das Architekturbüro beauftragt haben, das Museum zu konzipieren.“ Skribeleit habe eine wichtige Arbeit angestoßen: „Er hat begonnen, die Funksprüche, die die Nazis vor der Befreiung des KZ nicht mehr vernichten konnten, entschlüsseln zu lassen.“
Bei der Entschlüsselung der Enigma-Technologie sei Falkenberg viel häufiger aufgetaucht, als man gedacht habe. „Wir waren alle überrascht und auch schockiert“, erzählt der Bürgermeister, „weil ein Plan vorsah, die Führung des Reichsarbeitsdienstes – eine Stelle, von der aus noch viele Todesbefehle und Befehle zu diesen Todesmärschen ausgegangen sind – aus Berlin nach Süden zu evakuieren.“ Nach den Berliner Vorstellungen hätte diese mörderische Behörde in der Burg Falkenberg einziehen sollen.
„Aus heutiger Sicht ist das Gott sei Dank nicht geschehen“, zeigt sich Grundler erleichtert. „Wäre die Geschichte des Hauses so verlaufen, könnte man dann heutzutage hier ohne weiteres Hochzeiten feiern?“ Das hätte der Burg eine westlich düsterere Aura beschert. „Dr. Skribeleit sagt zurecht, es wäre wert, genauer zu hinterfragen, warum die Flossenbürger Kommandostruktur diesen Plan aktiv gebremst hat – warum wissen wir leider nicht.“
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