Fensterwurf wird neu verhandelt: Mutter sehnt sich nach den Kindern

2021 hatte eine Mutter ihre Kinder aus dem Fenster des Frauenhauses geworfen. Sie wähnte sich auf der Flucht vor Verfolgern. Inzwischen wird sie psychiatrisch behandelt und würde gern ihre Kinder wieder sehen.

syrische Mutter Fensterwurf Landgericht Weiden
Eine syrische Mutter warf unter dem Eindruck einer paranoiden Schizophrenie ihre Kinder aus dem Fenster. Sie stand deshalb in Weiden vor Gericht. Foto: Christine Ascherl

Das Landgericht Weiden hatte die Syrerin (32) nach einem Sicherungsverfahren Ende 2021 dauerhaft in der Forensik untergebracht. Die Revision gegen diese Entscheidung ging durch: Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies es zur Neuverhandlung nach Weiden zurück. Möglichen realen Hintergründen des attestierten Verfolgungswahnes sei nicht ausreichend nachgegangen worden.

Gewalttätiger Ehemann

Seit Dienstag steht die vierfache Mutter wieder in Weiden vor Gericht. Vor den Kameras versteckt sie sich hinter einem Kopftuch. Es ist alles ein wenig viel, viele Kameras, viele Zuhörer. Am ersten Verhandlungstag gibt Verteidiger Rouven Colbatz eine ausführliche Stellungnahme ab. Seine Mandantin möchte eines sehnlichst: ihre Kinder wieder sehen. “Sie liebt ihre Kinder über alles und wollte in keinster Weise, dass diese in Todesgefahr gebracht oder ihnen Schmerzen zugefügt wurden.”

Überraschendes Treffen mit dem ältesten Sohn

Die zwei Töchter und zwei Söhne befinden sich seit der Tat im April 2021 in Obhut des Jugendamtes und leben in Pflegefamilien. Kontakt zur Mutter hatten sie in den letzten zwei Jahren nur in Videotelefonaten. Zumindest ihren Ältesten sieht die 32-Jährige am Dienstag tatsächlich, wenn auch nur kurz: Der inzwischen Zwölfjährige ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeuge geladen.

Aus der Aussage wird nichts (der Vormund vom Jugendamt Straubing fehlt). Aber der Bub freut sich sichtlich, seine Mutter einmal “live” zu treffen, gratuliert ihr nachträglich zum Geburtstag. Für kommenden Donnerstag ist er jetzt noch einmal geladen, dann mit Vormund. Anwalt Colbatz hofft, dass den beiden dann ein viertelstündiges Gespräch erlaubt wird.

Anwalt: Zur Tatzeit in Ausnahmezustand

Die Frau aus Syrien befand sich zum Zeitpunkt der Tat in einer psychischen Ausnahmesituation, argumentiert Colbatz in seiner Stellungnahme vor Gericht. “Zum einen war sie vor ihrem Ehemann geflüchtet, der gegenüber den Kindern und ihr gewalttätig war.” Zum anderen litt die 32-Jährige an einer psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie.

Die Flucht aus dem Frauenhaus sei ihr durch die Tür nicht möglich gewesen. Die Zimmertür war verschlossen, sie hatte zu diesem Zeitpunkt schon keinen Schlüssel mehr. Colbatz: “Aus ihrer Sicht war nur die Flucht über das Fenster möglich.” Ihre beiden Töchter (damals 1,5 und 8 Jahre alt) stürzten aus dem Fenster, gedrängt oder gestoßen, das sei ihr nicht erinnerlich. Den kleinen Sohn (6 Monate) hatte die Mutter in einer Babytrage vor sich, der zweite Sohn (10) versuchte die Mutter von innen festzuhalten.

Sie habe damit in keinster Weise den Tod ihrer Kinder gewollt, so der Anwalt. Die Entfernung des Fensters zum Gehsteig (5,40 Meter) habe sie nicht realisiert. Die Mädchen erlitten Brüche und Prellungen.

Inzwischen besteht Krankheitseinsicht

Seit April 2021 befindet sich die Frau in einem Bezirksklinikum. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe sie Krankheitseinsicht gewonnen. “Sie wünscht sich nichts mehr, als die Krankheit in den Griff zu bekommen”, sagt Colbatz. Auch ihre Deutschkenntnisse hätten sich deutlich verbessert. Sie sei mit jeder stationären und ambulanten Maßnahme einverstanden, die zur Heilung beitrage, etwa Psychotherapie oder medikamentöser Behandlung.

Die dritte Strafkammer unter Vorsitz von Josef Weidensteiner hörte am Dienstag bereits eine Reihe von Zeugen an. Darunter war auch die Leiterin des Weidener Frauenhauses. Die Mitarbeiterinnen hatten damals rasch bemerkt, dass mit dem Neuzugang aus dem Allgäu etwas nicht stimmt. Die psychischen Auffälligkeiten führten dazu, dass die Syrerin am Tag der Tat zu einer Untersuchung ins Bezirkskrankenhaus gebracht werden sollte. Dem kam der Sturz ganz knapp zuvor.

Nächster Verhandlungstag ist der Donnerstag, 16. März, 9 Uhr.

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