Fischzüchter Klaus Bächer wacht mit Adlerauge über seine 50 Karpfenteiche
Muckenthal/Wiesau. Das uralte Teichwirtgeschlecht der Bächers zu porträtieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Oder besser: Karpfen in die Oberpfalz. Schwieriger ist es da schon, die Frage zu beantworten: Kann man die Fraktion der Karpfenfans und der Otterschützer versöhnen?

Sie stehen sich meist unversöhnlich gegenüber: Die Naturschutzverbände, die für den aus ihrer Sicht possierlichen Fischotter einen Lebensraum auch im Land der 4800 Teiche verteidigen wollen. Und die Teichwirte, denen der Kamm schwillt, sobald sie auf das gefräßige Raubtier zu sprechen kommen, das in einigen Teichen bis zu 80 Prozent ihres Fischbesatzes leerfrisst – kurioserweise in anderen fast gar nichts und das ohne ersichtlichen Grund.
Und schlimmer für die Fischschützer: Dass der Otter vor lauter Überfluss viele der schuppigen Friedfische nur anknabbert und elendlich verenden lässt – wie die Katze, die mit der Maus spielt. „Man sieht bei diesem Karpfen nur einen Kratzer“, zeigt Fischwirtschaftsmeister Klaus Bächer auf den weißen Strich im grau-braunen Rücken eines toten Spiegelkarpfens. „Der ist nach einem Otterangriff wahrscheinlich vor Schreck verreckt.“
VGH hebt „Entnahme“-Verordnung auf
Die Debatte um die „Entnahme“ von Ottern ist demnach hochemotional. Deshalb ist auch Landrat Roland Grillmeier mit am Fischhof, um seine Unterstützung für die Teichwirte zu demonstrieren. Die Regierung der Oberpfalz hatte im März 2020 für drei Teichanlagen ein „Pilotprojekt“ beschlossen. Es sah Ausnahmegenehmigungen zur Entnahme von zwei männlichen Fischottern durch einen Jäger mittels Lebendfalle und zu ihrer anschließenden Tötung vor.
Für das Modellprojekt ausgewählt waren Lodermühle im Landkreis Tirschenreuth, Stamsried im Landkreis Cham und Plechhammer im Landkreis Schwandorf. Dagegen hatten sich zwei Umweltverbände gewandt: der Bund Naturschutz und die Aktion Fischotterschutz e.V. Vor dem Verwaltungsgericht Regensburg hatten sie Erfolg. Der Freistaat Bayern verlor in erster Instanz und legte Rechtsmittel ein.
„Die Tötung bringe nichts“
Im April 2023 hat der Freistaat eine Verordnung getroffen, nach der Fischotter überall ganzjährig entnommen werden dürfen. Immer dann, wenn sie „ernste fischwirtschaftliche Schäden“ verursachen. Naturschutzverbände klagten erneut erfolgreich gegen die Verordnung am Verwaltungsgericht Regensburg. Die Kammer dort entschied, dass die Ausnahmegenehmigungen rechtswidrig sind.
Aus mehreren Gründen: Zum einen könnten in die genehmigten Fallen auch weibliche Tiere und Jungotter geraten. Zum anderen werde das leere Revier in kurzer Zeit von gebietsfremden Fischottern wieder eingenommen. Die Tötung bringe also nichts. Der VGH in München bestätigte in seinem Urteil vom 30. April 2024 die „Unwirksamkeit einer Verordnung zur ausnahmsweisen Zulassung der Tötung von Fischottern“ – auch aus formalen Gründen, weil die Umweltschutzverbände nicht beteiligt wurden.
Landrat: „Otterbestand ist gesichert“
Landrat Grillmeier ist davon überzeugt, dass die Verbände und das Gericht von falschen Zahlen ausgehen: „Grundlage der Entscheidung ist, dass der Otter noch gefährdet ist“, sagt Grillmeier, „der Bestand ist aber gesichert.“ Die Zahl der Fischotter, die in Niederbayern und der Oberpfalz leben, wurde 2018 auf 650 beziffert. Das ist das Ergebnis einer Bestandsschätzung, vorgenommen von Professor Steven Weiss von der Universität Graz. Fischzüchter wie Bächer gehen nach ihren Beobachtungen noch von weit höheren Zahlen aus: „Ich schätze den Bestand auf 800 allein im Landkreis Tirschenreuth.“
Rückschlüsse könne man auch aufgrund der hohen Verluste schließen, sagt dessen Ehefrau Manuela Bächer: „Es fehlen 2000 Tonnen“, sagt die Chefin des hauseigenen Fisch-Restaurants. „Wir hatten in Deutschland jährlich 6000 Tonnen, jetzt nur noch 4000.“ Für die Bächers sei der Handel bereits nicht mehr möglich, nur noch die Selbstverwertung: „Der wird jetzt durch ausländische Importe ersetzt.“ Nicht gerade ökologisch nachhaltig also.
Leere Teiche sind lukrativer
Während wir im familieneigenen Lokal sitzen, schweift der Blick Klaus Bächers immer wieder durchs Fenster: „Da, ein Seeadler“, zeigt er in die Ferne, wo ein winziger Punkt im Herbsthimmel kreist. Man braucht wohl Adleraugen, um das Geschehen rund um die 50 Teiche nicht aus dem Blick zu verlieren. „15 sind gepachtet, der Rest gehört uns.“ Vor drei Jahren seien es noch 54 gewesen. „Wir haben 12 Hektar verloren.“ Der ehemalige Verpächter habe Eigenbedarf angemeldet und im März den Pachtvertrag gekündigt.
Fördergelder im Vertragsnaturschutzprogramm für leerstehende Teiche von 720 Euro pro Hektar würden einfach mehr abwerfen als die Pacht. „Das wirft auch Fragen an meinen Naturschutz auf“, sagt der Landrat, „wie groß ist der Bedarf an Teichen, und was kann man noch in Vertragsnaturschutz umwandeln?“ Grillmeier will das Thema in seiner Behörde diskutieren. „Mir fehlt da die Mischung.“ Schließlich drohten die ökologisch wertvollen Teiche, ohne Bewirtschaftung zu verschlammen und schließlich auszutrocknen.
Ohne Karpfen verarmt das Ökosystem Teich
„Wir haben mittlerweile ein völliges Ungleichgewicht, das für die Teichwirtschaft in der Oberpfalz massive Probleme schafft“, erklärt Tochter Lena Bächer. Sie hat ihren Master in „Fischbiologie, Fischerei und Aquakultur“ an der Berliner Humboldt-Uni abgeschlossen und ist derzeit an der HAW in Hof als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Eine ganzheitliche ökologische Betrachtungsweise ist der ehemaligen Nordoberpfälzer „Teichnixe“ wichtig: „Unsere naturnahe Teichwirtschaft leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zur regionalen Lebensmittelerzeugung, sondern stellt durch die Bewirtschaftungsform die Grundlage für die Artenvielfalt im aquatischen Ökosystem dar.“
Ohne Karpfen und deren gründelnde Tätigkeit fehle die Eintrübung und Oxidierung organischer Reste am Teichboden. Dadurch entstünden mehr Algen, insbesondere Mikroalgen, und Cyanobakterien. „Wenn deren Biomasse rasch abstirbt, können Sauerstoffmangelsituationen für Fische, Krebse, Amphibien, Insektenlarven und viele andere Tiere entstehen.“ Die Aufwirbelung der organischen Substanz am Boden durch den Karpfen vermische diese mit Sauerstoff und trage zu deren Abbau bei. „Ansonsten bauen sich dicke Schlammschichten auf, sauerstofffreie Zonen entstehen, aus welchen Faulgase emittiert werden.“ Die Teiche würden verlanden.
Auch Enten, Frösche und Muscheln schmecken dem Otter
Das sähen übrigens auch Erwin Möhrlein vom Landesbund für Vogelschutz und Franz Kühn vom Verein zum Schutz wertvoller Landschaftsbestandteile in der Oberpfalz ähnlich, die sich der Klage des „Bund Naturschutz“ nicht angeschlossen hätten. „Der Otter frisst auch Flussperlenmuschel, Edelkrebse, Frösche, Blesshühner, Haubentaucher, Schwäne und Enten“, sagt Klaus Bächer. Auch bei der Frage, was eine Einzäunung bringe, stehe man in Kontakt. „Es gibt ein Projekt, das untersucht, ob die Frösche auf ihren Laichwanderungen durch den Zaun kommen.“ Moorfrösche gebe es bereits keine mehr.
Bächer sieht sich außerstande, sämtliche 50 Teiche einzuzäunen. Das lasse sich wirtschaftlich nicht darstellen und störe auch andere Tiere. „Bisher haben wir gar nicht gezäunt“, sagt Lena Bächer, „da wir gänzlich andere Teichstrukturen haben als Forellenteiche mit deutlich weniger Fläche – maximal wäre es bei Laichteichen möglich.“ Im Übrigen klettere der Otter auch über einen Stabgitterzaun mit vier Zentimetern Maschenweite mühelos hinweg: „Man braucht rundherum auch noch eine Elektrolitze oben.“ Sogar nahestehende Bäume als potenzielle Otterkletterhilfen müssten weg.
Sattelt der Kulturfolger auf Fließgewässer um?
Was aber sagen die Bächers zum Argument der Gerichte, dass der Abschuss von einigen wenigen Tieren bei der von ihnen angenommenen Population kaum zu einer Entlastung beitragen könne – klingt schließlich plausibel? Sie setzen auf die Lernfähigkeit der schlauen Kulturfolger. „Das ist wie beim Biber“, sagt Klaus Bächer, „bei ihm haben wir es auch geschafft, ihn zu Stellen umzuleiten, an denen ein zusätzlicher Damm keine wertvolle Infrastruktur oder natürlich fließende Bäche stört und Felder oder Wohngebiete überflutet.“
So sieht das auch Manuela Bächer: „Wenn der Otter bejagt wird, zieht er sich aus dem bewirtschafteten Bereich zurück.“ In Niederösterreich, wo der Abschuss erlaubt sei, sei die Situation in den Zuchtanlagen wesentlich entspannter. „Wenn wir die Fischotterpopulation aber ungehindert wachsen lassen, erhöht sich auch ohne Bejagung der Druck an den Fließgewässern“, sagt der Fischwirtschaftsmeister.„Eine Bejagung müsste deshalb auch an Aufstiegsstrecken in Flüssen und Laichplätze von Bachforellen, Äschen und anderen Fischen erlaubt sein.“ Wobei die Bächers in ihrem Areal ohnehin nicht jagen durften: „Wir sind zu nahe an den geschützten Waldnaabauen.“
Hoffen auf Abschreckung
Die Bejagung würden die Bächers gerne in den Händen der Wildtiermanager sehen: „Vernünftig wäre es, wenn sich Jakob Keller darum kümmert“, sagt Klaus Bächer. Durch seine Abschreckungstaktik habe er bereits den Druck der Kormoranschwärme auf die Teiche verringert: „Er schaut, wo er schießen kann“, sagt Bächer, „mit einem Schuss trifft er einen und neun fliegen weg.“ Manuela hofft nach mehrmaliger Verschiebung, dass bis 21. Februar festgelegt wird, in welcher neuen Gebietskulisse wie viel entnommen werden darf.
„Bei anderen jagdbaren Wildarten“, ergänzt Expertin Lena, „ist hinlänglich bekannt, dass Schwerpunktbejagung eine zielführende Taktik ist, um Nutzflächen und Wildräume in Einklang zu bringen.“ Die Zeit dränge: „Wieder steht ein Winter an, in welchem die Fische durch den ruhenden Stoffwechsel stark störungsanfällig sind.“ Bereits eine geringe Raubtieraktivität könne einen ganzen Teich voller Karpfen in Winterruhe töten: „Denn diese sterben mittelbar an dem Energiemangel durch die Stressreaktion.“ Je schneller die Behörden fachlich fundierte und mit international geltendem Recht übereinstimmende Verordnungen und Vorschriften, etwa zur Gebietskulisse, erließen, umso eher könne man die gefährdetsten Wassersysteme schützen.
Klaus Bächers Ruhepunkte
Für Fischwirtschaftsmeister Klaus Bächer sind die Teiche weit mehr als eine wirtschaftliche Lebensgrundlage. Er hat eine emotionale Bindung zu „seinen Ruhepunkten“, an denen er sich hinsetzen kann, um die Fische zu beobachten. „Der Karpfen merkt das sofort, die sind genauso aktiv wie andere Tiere, nur dass sie stumm sind.“
Untersuchungen von Biologen zeigen, dass Fische tatsächlich hoch entwickelte Lebewesen sind, deren Intelligenz mit der von Säugetieren oder Vögeln vergleichbar ist. Aktuelle Forschungen anhand des Silvesterkarpfens bestätigen dies: „Fische werden ihrem Ruf als primitive Lebewesen nicht gerecht“, sagt Jens Krause, Leiter der Biologie und Ökologie der Fische am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie.
Clever wie Raben
Fische seien zu Problemlösungsverhalten fähig, könnten von Artgenossen lernen und sogar Traditionen entwickeln. „Eine respektvolle Behandlung haben alle Tiere verdient“, fordert der Biologe. Zwar besitzen Fische kein Großhirn, aber Forschungsergebnisse zeigten längst, dass andere Hirnstrukturen kognitive Leistungen übernehmen können. Wie bei den hoch intelligenten Raben, die Menschen an ihren Gesichtern erkennen und sogar Werkzeuge benutzen. „Ähnliches scheint auch bei den Fischen der Fall zu sein“, sagt der Experte. Einige Fischarten benutzen ebenfalls Werkzeuge, täuschen mit raffiniertem Verhalten Feinde und Konkurrenten und lernten von Artgenossen.
Umso wichtiger sei es, so schonend wie nur irgend möglich zu schlachten. Leben und Tod gehören in der Landwirtschaft eben zusammen wie auf freier Wildbahn. Fressen und gefressen werden, nur mit zivilen Mitteln. „Ich habe seit 20 Jahren ein elektrisches Betäubungsgerät“, sagt Bächer. „Mit einem Deckel wird erst das Wasserbecken abgedunkelt, damit sie ruhig werden.“ Dann würden sie mit Impulsschlägen betäubt und mit einem Schnitt getötet. „Das bekommt der Fisch nicht mit.“
Fischland seit der Steinzeit
Fischfang ist in Bayern seit der Steinzeit belegt. Ab dem Mittelalter geben schriftliche Quellen Auskunft über die Karpfenteichwirtschaft, die in der Oberpfalz vom Zisterzienserkloster Waldsassen begründet wurde. Im 15. Jahrhundert erlebte sie ihre Blütezeit und im 20. Jahrhundert eine Renaissance. Wer sich für eine regionale, umweltschonende Landwirtschaft einsetzt, dürfte sich über die naturnahe Aufzucht und artgerechte Haltung in der Teichwirtschaft freuen. Durch die Aufnahme der natürlichen Nahrung aus dem Wasser und die Zufütterung des meist eigen erzeugten Getreides hat der Oberpfälzer Karpfen einen guten Ruf weit über die Grenzen hinaus.
Bächer behält sein Reich der 50 Teiche immer im Auge. „Man sieht ja nicht, dass da unten Teiche sind“, blickt er über die bewaldete Landschaft. „Man schaut immer wieder runter, ob sich was rührt, ein Kormoran, ein Otter.“ Oder ob einer schwarzfischt. „Früher war das Nachfischen üblich.“ Wenn das Gitter erst mal raus ist, sei der Weiher freigegeben. Die Zeiten seien aber vorbei. „Als ich ein 12-jähriger Stamperer war, sind mal die Reuther Burschen durch den Wald gekommen, haben das Gitter rausgenommen und wollten die Fische am Bachauslauf fischen.“ Bächers Vater habe sie aber erwischt. Eine richtige Räuberpistole eben.
Teiche als Wasserrückhalt
Bächers Teiche würden auch als Wasserrückhalt immer wichtiger. Vor allem in Zeiten des Klimawandels, wo an einigen Orten kaum, an anderen enorme Niederschläge niedergingen. Dazu käme die zunehmende Versiegelung von Flächen, in die das Wasser nicht einsickern könne. Das Speichervolumen in den Oberpfälzer Teichen beträgt rund 70 Millionen Kubikmeter. Die Teiche wirkten aufgrund des großen Wasservolumens außerdem ausgleichend auf die Temperaturen. Durch die Verdunstung wird die Luftfeuchtigkeit positiv beeinflusst. Wo Wasser ist, sei Leben. Die Teichwirtschaft biete Raum für viele seltene Pflanzen und Tiere.
Die Teichwirtschaft garantiere darüber hinaus eine kontinuierliche Aufbesserung des Grundwassers, weil durch die ständige Versickerung des Wassers auf einer Fläche bis zu 10.000 Hektar eine Verteilung des Wassers in der Fläche erfolge. Teiche leisteten zudem einen Beitrag zum Hochwasserschutz. In der Regel bestehe zwischen dem Wasserstand im Teich und der Dammhöhe eine Differenz von rund 20 Zentimetern. Zusätzlich können Teichwirte bei angesagten Regenereignissen schon vorher absenken, um im Fall der Fälle noch mehr Wasser pro Teich aufnehmen zu können. „Bei einer Wasserfläche von rund 7000 Hektar ist die Hochwasser regulierende Wirkung der Teiche beachtlich.“
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