Franziska Voigt nippte vom Champagner: “Ich dachte, jetzt sterbe ich”

Weiden. Franziska Voigt (37) war Restaurantleiterin des "La Vita". Auch sie hat vor einem Jahr vom Champagner getrunken.

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Ein Jahr danach: Franziska Voigt. Sie war Mitarbeiterin im Restaurant La Vita und stieß mit den Stammgästen an. Foto: Christine Ascherl

Vor einem Jahr, in der Nacht zum 13. Februar 2022, wurde in einem Lokal in Weiden in der Oberpfalz eine Drei-Liter-Flasche Champagner geöffnet. Acht Menschen tranken. Sieben erlitten Vergiftungen, einer starb. Wie die Ermittlungen ergaben, enthielt die Flasche reines, flüssiges MDMA, quasi den Rohstoff für die Herstellung von Ecstasy-Tabletten.

Alles über das Champagner-Unglück und den Stand der Ermittlungen.

Franziska, du hast vor einem Jahr als Restaurantleiterin im “La Vita” gearbeitet und mit den Gästen vom Champagner getrunken. Die Geschichte ist genauso unbegreiflich wie vor einem Jahr. Denkst du noch oft darüber nach?

Franziska Voigt: Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht darüber nachdenke. Am Sonntag ist eine Messe für Harry, da fahre ich hin.

Für dich waren das Stammkunden?

Franziska Voigt: Einen Teil der Gruppe kenne ich, seit ich 16 bin. Auch Harry kannte ich seit fast 20 Jahren. Sie kamen jeden Freitagabend und haben Party gemacht. An diesem Wochenende kamen sie ausnahmsweise auch am Samstag. Sie wollten die RTL-Sendung bei uns anschauen, bei der Markus Kandidat war.

Wie kam die Doppel-Magnum „Moët Ice ins Spiel?

Franziska Voigt: Ich habe ihnen am Freitag erzählt, dass wir im “Barretto” eine Drei-Liter-Flasche haben. Das war ungewöhnlich. Die bekommt man nicht alle Tage. Und sie meinten: Franzi, kannst du das nicht organisieren, dass wir das morgen hier trinken können.

Die Flasche war noch original verpackt?

Franziska Voigt: Ja, die war anfangs noch in der Holzkiste, später in der Kühlung. Der Barkeeper des “Barretto” hatte sie von einem Bekannten, der die Flasche ursprünglich für die Party seines 40. Geburtstags besorgt hatte, die dann aber wegen Corona ausfiel. Nachts haben wir die Flasche geholt. Barkeeper Lukas hat sie über den Markt getragen, und ich hatte die Gläser in der Hand. Das waren Moët-Gläser aus Acryl.

Vom Öffnen gibt es ein Handy-Video?

Franziska Voigt: Ja, aber ich weiß gar nicht, wer das gedreht hat. Das Ganze wurde ein bisschen zelebriert. So eine Flasche trinkt man ja nicht allerweil. Es wurde geklatscht. Lukas hat die Flasche entkorkt. Im Hintergrund lief RTL. Kandidat Markus lief da gerade herein.

Dann haben acht Leute getrunken: Fünf Männer, drei Frauen.

Franziska Voigt: Wir haben angestoßen. Dann weiß ich fast nichts mehr. Ich habe einen Schluck getrunken und den Rest ins Waschbecken gespuckt. Das hat mir laut Arzt das Leben gerettet. Ich hab’ noch gesagt: Der schmeckt doch nicht, der ist doch gekippt. Vor meinen Augen blinkte es techno-mäßig wie Discolicht, ich fiel in ein schwarzes Loch und bin zusammengesackt. Ich dachte: Warum sterbe ich jetzt? Man hat mir immer gesagt, ich würde zu viel arbeiten – und jetzt habe ich den Salat.

Das Drama um dich herum hast du gar nicht mitbekommen?

Franziska Voigt: Nein, nichts mehr. Erst am nächsten Tag bin ich gegen 8, halb 9 aufgewacht. Alles war verschwommen, ich sah eine blaue Decke. Im ersten Moment dachte ich: Bin ich im Himmel? Dann erkannte ich vorne links zwei Gestalten, die sagten: Sie sind im Klinikum in Amberg. Ich fragte: Warum? Was ist mit den anderen? Es wurde mir gesagt, die seien auf die Krankenhäuser der ganzen Oberpfalz verteilt; es war was in der Flasche.

Wie hast du diesen ersten Tag erlebt?

Franziska Voigt: Der Tag war wirklich übel, das wünsche ich niemanden. Ich habe nicht einmal mehr die Nummer von Marcello zusammengebracht und schließlich meinen Papa angerufen. Dem habe ich alles Mögliche erzählt, nur nicht, dass ich im Krankenhaus liege. Marcello ging gleich ans Telefon. Ich sagte: Ich lebe wieder, mach dir keine Sorgen. Dann habe ich meine Chefin in der Anwaltskanzlei angerufen und für Montag abgesagt. An diesen Anruf habe ich gar keine Erinnerung mehr, das hat sie mir im Nachhinein erzählt. An dem Sonntag war ich nicht ich selbst, hatte Angstzustände und Halluzinationen. Wie so etwas jemand freiwillig nehmen kann, ist mir ein Rätsel. Das war gruselig.

Dein damaliger Partner Marcello de Vita kam für eine Nacht in polizeiliches Gewahrsam.

Franziska Voigt: Das Schlimme am Sonntag war, dass niemand sich erklären konnte, was passiert ist. Bei mir im Krankenhaus standen drei, vier Mal Polizeibeamte, die mich immer wieder vernommen haben. Die Polizei hat sehr gute Arbeit geleistet, indem sie sehr schnell klargestellt hat, dass das La Vita damit nichts zu tun hat. So etwas kann dich deine Existenz kosten. Das haben am Anfang auch viele gesagt.

Wie war die Reaktion eurer Gäste?

Franziska Voigt: Die Anteilnahme war ganz, ganz groß. Ich hatte am Anfang ein Blumenmeer im Laden stehen. Wir haben am Samstag drauf wieder aufgemacht. Die Stammgäste standen geschlossen hinter uns. Die haben Blumen mitgebracht, Kuchen gebacken, uns Pralinen geschenkt. Ich bin auch unserem Stammgast Werner dankbar, der zufällig gerade dann ins La Vita kam, als alles passierte. Er hat den ersten Notruf abgesetzt. Er ging dann gleich nochmal raus und rief die Einsatzzentrale ein zweites Mal an: Schickt alles, was ihr habt. Irgendwas stimmt hier nicht. Ich bin Werner sehr dankbar dafür. Ein Sanka allein hätte da nichts geholfen, da ging es um Minuten.

Wie hast du die Folgen weggesteckt? Körperlich und psychisch?

Franziska Voigt: Ich bin eine, die wieder voll ins Leben brettern muss. Das hat mir geholfen. Wir haben am Samstag wieder aufgemacht, ich habe auch schon wieder ein bisschen bedient. Mir hat auch geholfen, darüber zu reden. Verarbeitet haben wir das alle noch nicht. Ich hatte das große Glück, dass es mir körperlich wieder gut ging. Anfangs konnte ich nicht einmal schreiben oder einen Löffel halten.

Gibt es ein Leben davor und danach?

Franziska Voigt: Ich habe das Leben mehr schätzen gelernt, weil ich gesehen habe: So schnell könnte es vorbei sein.

Hast du eine Erklärung gefunden, was es mit dieser Flasche auf sich hat?

Franziska Voigt: Meiner Meinung nach ist das ein großer Drogenring, der dahinter steht. Ich will auch gar nicht wissen, wie viele Köpfe schon gerollt sind, weil diese Flasche abhandengekommen ist. Sie soll einen Wert von 360.000 Euro gehabt haben. Jeder, der gewusst hätte, was da drin ist, hätte die nicht für ein paar hundert Euro auf Ebay verkauft.

Würde es dir etwas bedeuten, wenn die Urheber zur Rechenschaft gezogen werden könnten?

Franziska Voigt: Natürlich möchte ich, dass die Urheber zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings bringt das Harry auch nicht zurück, und die entstandenen Schäden werden dadurch auch nicht wiedergutgemacht.

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