Freude in Grafenwöhr: Ortsfeiertag wird immaterielles Kulturerbe
Grafenwöhr. Seit fast 300 Jahren wird immer am 20. Januar der Gelübdefeiertag St. Sebastian in Grafenwöhr gefeiert. Jetzt wurde dieser besondere Feiertag in die immaterielle Kulturerbeliste aufgenommen.

Riesenfreude in Grafenwöhr. Der Gelübdefeiertag St. Sebastian ist zum immateriellen Kulturerbe ernannt worden. Im Nürnberger Heimatministerium wurde jetzt die Urkunde überreicht. Seit fast drei Jahrhunderten wird er jedes Jahr am 20. Januar gefeiert. Nur während der Naziherrschaft war es verboten, ihn zu zelebrieren. Er ist trotz eines „Alters“ lebendiger denn je.
Neben einer Urkunde gab es auch eine Plakette. Bürgermeister Edgar Knobloch würde sie gerne an der Pestsäule am Marktplatz anbringen und damit der Öffentlichkeit zugänglich machen. Der Gelübdetag ist in Grafenwöhr nie in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil. Er hat sogar immer wieder neue Impulse bekommen, durch die Lehrerin Leonore Böhm und dem Pfarrer Hans Bayer zum Beispiel. Das war Anfang der 80er Jahre.
Gebackene Sebastianpfeile
Leonore Böhm hat die Geschichte des Sebastianstags in die Schulen getragen. Heute steht er sogar auf dem Lehrplan, ist Bestandteil des Sachkundeunterrichts. Auf Anregung von Pfarrer Bayer werden bis heute in der Berufsschulküche des St. Michaels-Werks sogenannte Sebastianspfeile gebacken, eine süße Leckerei aus Hefeteig, dessen Rezeptur übrigens ein gut gehütetes Geheimnis ist. Der Heilige Sebastian war wegen seines christlichen Glaubens verfolgt und mit Pfeilen beschossen worden. Seine Häscher hatten ihn für tot gehalten, doch er überlebte die Attacke.
Einzelhandel hat an dem Tag zu
Der Sebastianstag ist auch ein lokaler Feiertag. Viele der alteingesessenen Einzelhandelsgeschäfte haben an dem Tag zu, auch die Stadtverwaltung hat geschlossen. Halb Grafenwöhr ist am 20. Januar auf den Beinen. Jede Menge Vereine sind mit von der Partie, wie der Heimatverein, die Feuerwehr, die Stadtkapelle und federführend die Kolpingfamilie. Und auch eine Abordnung der US-Armee nimmt regelmäßig teil. Denn der Heilige soll die Menschen nicht nur vor Seuchen und Krankheiten bewahren, er ist zudem Schutzpatron der Soldaten.
Prüfungskommission vor Ort
Im vergangenen Jahr war die Kulturerbe-Prüfungskommission am 20. Januar live dabei. „Die waren beeindruckt, wie die Bürger zusammenhalten und den Ehrentag hochhalten“, erzählt der Bürgermeister. Was die Jury aber auch beeindruckte, ist nicht nur die lange Tradition, die bis heute bewahrt wird, sondern auch die Tatsache, dass dieser Festtag mit der Zeit gehen darf.
Am Marktplatz formiert sich der Kirchenzug. Nach dem Gottesdienste in der – in der Regel vollbesetzten – Maria-Himmelfahrt-Kirche verharrt man an der Pestsäule. Hier werden schwarzer Tee mit einem Schuss Rum und die gebackenen Sebastianspfeile gereicht. Im Anschluss geht es zum Weißwurstfrühschoppen in die umliegenden Gasthäuser. Mit dabei immer die Stadtkapelle, die im Wirtshaus aufspielt.
Seuche grassierte in Grafenwöhr
Zurück geht dieser Tag auf das Jahr 1730. Damals grassierte eine Seuche in Grafenwöhr – vermutlich die Pest. Viele Leute starben. Damals wurde der Seuchen- und Pestheilige Sankt Sebastian angerufen. Sollte die Sterblichkeit zurückgehen, gelobte man ihm zu Ehren jedes Jahr einen Ortsfeiertag zu begehen. Und tatsächlich. Schon ein Jahr später war es vorbei mit der großen Sterberei.
Dass dieser besondere Tag eigentlich bis heute nichts von seiner Bedeutung verloren hat, wurde bei der Corona-Pandemie deutlich. Nur unter erschwerten Bedingungen konnte er damals abgehalten werden. „Da wurde einem erst bewusst, wie aktuell ein fast 300 Jahre altes Gelübde noch immer sein kann“, so Knobloch.
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