Geheimnisse der „Mirga“-Siedlung gelüftet
Preißach. Geoparkranger Stefan Schäffler beleuchtet die Geschichte der slavischen "Mirga"-Siedlung, die im Dreißigjährigen Krieg durch Schweden zerstört wurde. Archäologische Funde bestätigen die Existenz der Siedlung und ihre Zerstörung.
Wo Rauch ist, ist auch Feuer: Mit diesem Sprichwort pflegte der verstorbene Regionalhistoriker Dr. Bernd Thieser eine Lanze dafür zu brechen, lokalgeschichtliche Sagen und Legenden als Fingerzeige auf Ereignisse aus der Vergangenheit ernst zu nehmen. Geoparkranger Stefan Schäffler vom Geopark Bayern-Böhmen teilt diese Sicht: Die Vielzahl volkstümlicher Erzählungen, die sich um den Höhenzug der „Miega“ oder „Mirga“ zwischen Feilersdorf und Barbaraberg ranken, sei Indiz dafür, dass dort „etwas“ gewesen sein müsse.
Von Slaven gegründet, von Schweden zerstört
Dieses sagenumwobene „Etwas“ dürfte eine ursprünglich slavische umfriedete Siedlung gewesen sein, erläuterte der zertifizierte Natur- und Landschaftsführer aus Neustadt am Kulm den rund 70 Besuchern des Herbstfestes des Katholischen Landvolks Burkhardsreuth im Preißacher Schützenheim. Dies belegten nicht nur die Überlieferungen von einer ummauerten Stadt oder Burg, sondern auch der Flurname selbst: Er gehe mutmaßlich auf das slavische „mir“ zurück, was „Frieden“, „Mauerwerk“ oder „Gemeindeflur“ bedeute. Im siebenten Jahrhundert seien Slaven aus dem heutigen ungarischen Raum über Regensburg in die jetzige Oberpfalz und damit auch in die von ihnen als „Flednitz“ (Sumpfland) bezeichnete Landschaft rund um den Rauhen Kulm eingewandert.
Möglicherweise habe es aber sogar schon im fünften Jahrhundert eine Königsresidenz der germanischen Narisker gegeben, die freilich bereits um 450 durch hunnische Truppen zerstört worden sei. Die Miega habe sich aufgrund ihrer Nähe zu einem Handelsweg und der dort vorhandenen Wasserquellen wie etwa der „Neuhauser Quelle“ als Platz für eine ummauerte Kaufmannssiedlung mit religiöser Kultstätte angeboten, mutmaßte Stefan Schäffler. In der Tat weise ein „Salbuch“ (herrschaftliches Besitzverzeichnis) von 1280 eine „villa Mirga“ nach, und beträchtliche Steinfunde auf den Feldern erinnerten bis heute an diese Ansiedlung, die im Dreißigjährigen Krieg endgültig durch schwedische Truppen zerstört worden sei.
Archäologische Grabungen, so Schäffler weiter, hätten mehrere mittelalterliche slavische Gräberfelder zutage gefördert, darunter vor rund 30 Jahren mehr als 160 Grablegen auf dem Barbaraberg. Die Leichname in den vorchristlichen Slavengräbern seien teils grotesk verstümmelt, teils mit schweren Steinen bedeckt worden, um abergläubisch zu verhindern, dass die Toten als „Wiedergänger“ auferstünden. In seinem Vortrag skizzierte Schäffler auch die verschiedenen Sagen-, Legenden- und Märchenmotive, in denen es beispielsweise um ein einst angeblich auf dem Kulm lebendes Riesen-Volk, das die Mirga-Stadt in einem Fehdefeldzug zerstört habe, oder um im Miegaberg vergrabene Glocken oder Goldkreuze geht.
Auch von zerstörerischen Vulkanausbrüchen sei die Rede, doch sei dies geologisch und historisch verlässlich auszuschließen. Einen Platz in der lokalen Erzähltradition habe ferner die unter anderem auch aus dem Elsass bekannte Geschichte von dem Riesenmädchen gefunden, das einen Bauern samt Pferdegespann als Spielzeug zu seiner Familie auf dem Kulm mitgenommen habe und dafür vom Vater scharf zurechtgewiesen worden sei, dieweil ein Bauer kein Spielzeug sei und Ehrerbietung verdiene.
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Nachtrag des Artikelautors Bernhard Piegsa: Der Referent Stefan Schäffler legt Wert auf die Feststellung, dass viele der von ihm zusammengefassten Erkenntnisse nur als Indizien oder Mutmaßungen im Hinblick auf Existenz und Charakter der mutmaßlichen Mirga-Siedlung bewertet werden können und sollen. Insoweit spiegele vor allem die Bildunterschrift zu dem Mirga-Flur-Foto, betreffend den Charakter der mutmaßlichen Siedlung als Kaufmannssiedlung nahe einer Handelsstraße, eine Gewissheit wider, die so nicht gegeben sei und die er in seinem Vortrag auch nicht habe behaupten wollen. Die Aussagen zu den Versuchen, durch Verstümmelung von Leichen „Wiedergängerei“ zu verhindern, bezogen sich auf ein Gräberfeld in Mockersdorf, nicht auf die Grablegen von Barbaraberg, wo derartige Praktiken nicht nachgewiesen werden konnten. Ergänzend möchte ich (Bernhard Piegsa) noch anmerken, dass der erwähnte Eintrag in dem „Salbuch“ von 1280 – wie Herr Schäffler im Vortrag auch korrekt angemerkt hatte – nichts über den Charakter jener „villa Mirga“ (Gehöft, Dorf, Stadt?) aussagt.