Geschäftsjahr 2024: Grammer AG schwächelt in Europa und Amerika und baut weiter um
Ursensollen. Die Grammer-Gruppe hat den Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2024 vorgelegt. Der Autozulieferer verfehlt die bereits reduzierten Erwartungen und rutscht tief in die roten Zahlen. Das Management wird umgebaut, Arbeitsplätze abgebaut, Prozesse nach Serbien verlagert.

Der Oberpfälzer Autozulieferer Grammer ist tief in die roten Zahlen gerutscht. Im vergangenen Jahr schrieb der Sitzhersteller einen Nettoverlust von 48 Millionen Euro. Die Umsätze sanken von gut 2 auf 1,9 Milliarden Euro, wie das seit einigen Jahren in chinesischem Besitz befindliche Unternehmen mitteilte. Das Marktumfeld in den für Grammer relevanten Branchen habe sich – anders als erwartet – 2024 nicht erholt.
Einbruch im europäischen Markt
Schlecht laufen die Geschäfte vor allem auf dem europäischen Heimatmarkt, der allein einen Umsatzrückgang um knapp 170 Millionen auf eine Milliarde Euro verzeichnete. Auf dem amerikanischen Kontinent und in Asien legten die Erlöse zwar leicht zu, doch konnte Grammer damit den Einbruch im Heimatmarkt nicht ausgleichen.
Das Jahresende lief besonders unerfreulich: Im vierten Quartal gingen die Umsätze in allen drei Geschäftsregionen zurück. Grammer meldete darüber hinaus einen kräftigen Anstieg der Verschuldung von 401 Millionen auf 485 Millionen Euro.
Scheidende Chefin lobt Konsolidierungsmaßnahmen
Laut Grammer spiegelten die berichteten Zahlen fortgeführte Aktivitäten wider, die um die Ergebnisse der im September 2024 veräußerten und entkonsolidierten TMD-Gruppe bereinigt sind. Die Veräußerung der TMD-Gruppe zähle zu einer der wichtigsten strukturellen Maßnahmen, die Grammer im Jahr 2024 erfolgreich umgesetzt hat. „Grammer hat das konjunkturschwache und von großen Umwälzungen in der Automobilbranche geprägte Jahr 2024 genutzt, um die Weichen für die Zukunft zu stellen“, kommentiert Jurate Keblyte, CFO der Grammer AG, die Konsolidierungsmaßnahmen.
Im Rahmen eines „Top 10’Programms“ seien wichtige strukturelle Maßnahmen ergriffen worden, um die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die finanzielle Stabilität zu stärken. Dazu zähle neben dem Verkauf der TMD-Gruppe insbesondere der „Go-live“ des Shared Service-Centers in Serbien und der Abbau von Überkapazitäten in EMEA (US-Abkürzung für den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika). Administrative Funktionen habe man im Grammer Headquarter in Ursensollen gebündelt. Das Projekt „Satellite“ verfolge das Ziel, administrative Prozesse kostengünstiger und effizienter zu gestalten. Prozesse und Tätigkeiten würden in den kostengünstigeren Standort in Serbien verlagert, der seine Tätigkeit im vierten Quartal aufgenommen habe und zu einem wichtigen Satelliten des Headquarters mit Fokus auf Digitalisierung und Effizienzsteigerung wachse.
Für mich persönlich bedeutet es, dass ich Grammer auf dem guten Weg weiß, wenn ich den Stab heute an meinen Nachfolger Thomas Strobl übergebe. Jurate Keblyte

Umwälzungen in der Automobilbranche
Das Marktumfeld in den für Grammer relevanten Branchen habe sich entgegen den Erwartungen im Verlauf des Jahres 2024 nicht erholt. Das Geschäft mit Nutzfahrzeugsitzen im Produktbereich Commercial Vehicles verzeichnete zum Teil eine erwartete „Normalisierung“ nach den Rekordjahren 2022 und 2023, war aber insbesondere in Europa stark von einer konjunkturellen Nachfrageschwäche betroffen und lag mit einem Umsatz von 652 Millionen Euro fast 16 Prozent unter dem Vorjahr.
Der Umsatz im Automotive-Geschäft bewegte sich auf dem Niveau des Vorjahres mit 1,27 Milliarden Euro (- 0,8 Prozent), habe jedoch signifikant hinter den Erwartungen gelegen. Der Rückgang habe teilweise durch den starken Auftragseingang der Vorjahre abgefedert werden können. Mit rund 150 Millionen Euro habe dieser einen signifikanten Beitrag geleistet. Deutlich würden die großen Umwälzungen durch Verschiebungen auf den Weltmärkten: Während AMERICAS auf Vorjahresniveau blieb und EMEA um knapp 6 Prozent sank, verzeichnete APAC (China) ein Wachstum von knapp 7 Prozent.
Restrukturierung und Arbeitsplatzabbau in Europa
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, habe Grammer in EMEA zwei wesentliche Restrukturierungsmaßnahmen verfolgt:
- Abbau von Überkapazitäten
- und die Integration der Jifeng-Automotive Interior Gruppe (JAI).
Die Übernahme der hundertprozentigen Tochtergesellschaft des Mehrheitsaktionärs (NBJF) mit Standorten in Osteuropa habe eine Konsolidierung des Produktionsfootprints und des Produktportfolios ermöglicht. Außerdem hätten sich Kostenvorteile durch eine gemeinsame Produktionsplanung, Verwaltung und im Bereich von Forschung und Entwicklung ergeben.
Die Zahl der Mitarbeiter in den europäischen Werken sei über das Jahr um rund 1100 reduziert worden. Der Abbau erfolgte verteilt über das ganze Jahr und werde sich erst im Jahr 2025 in der Kostenreduktion vollständig auswirken.
Marginale Verbesserungen auf amerikanischen Kontinent
In AMERICAS (die Märkte Nord-, Zentral- und Südamerikas) sei mit dem Verkauf der TMD-Gruppe ein entscheidender Schritt in Richtung Portfoliobereinigung und signifikanter Abbau der Overhead-Kosten gelungen. Der berichtete Umsatz aus fortgeführten Aktivitäten legte um 5,2 Prozent auf 391,7 Millionen Euro zu, was jedoch im Wesentlichen auf eine bilanzielle Bereinigung zurückzuführen sei.
Die Automotive-Umsätze blieben mit 276,3 Millionen Euro weitgehend stabil (+ 0,2 Prozent), während die Commercial-Vehicles-Umsätze infolge der genannten bilanziellen Bereinigung um 19,6 Prozent auf 115,4 Millionen Euro zunahmen. Das Ergebnis in AMERICAS sei von einer Vielzahl schwieriger Produktneuanläufe beeinflusst worden und habe sich nur marginal von einem Minus von 16,4 auf ein Minus von 15,8 Millionen Euro verbessert.
Fortschritte im asiatisch-pazifischen Raum
In APAC (Asia Pacific) wuchs der Umsatz leicht um 0,8 Prozent auf 536,6 Millionen Euro. Der Anstieg ist auf den Produktbereich Automotive zurückzuführen, der seinen Umsatz um 6,8 Prozent steigerte, während sich im Bereich Commercial Vehicles die Erlöse aufgrund der marktbedingt rückläufigen Nachfrage reduzierten. Das operative EBIT in APAC sank auf 46,5 Millionen Euro.
Ursächlich hierfür seien der Umsatzrückgang im Bereich Commercial Vehicles und eine Volumenverschiebung im Automotive Bereich von globalen zu weniger profitablen lokalen OEMs –Original Equipment Manufacturer, Hersteller von Komponenten –, die inzwischen substanzielle Marktanteile gewonnen hätten. Der Umsatz mit lokalen OEMs mache mittlerweile rund die Hälfte des Automotive-Umsatzes in China aus und sei einem sehr starken Wettbewerb ausgesetzt.
Ausblick 2025: Umsatz auf Vorjahresniveau erwartet
Für das laufende Geschäftsjahr 2025 rechnet die Grammer damit, dass die Kundennachfrage in beiden Produktbereichen regional und branchenspezifisch unterschiedlich ausfallen wird. So erwartet das Unternehmen eine Fortsetzung des Negativtrends aufgrund handelspolitischer Unsicherheiten im Pkw-Markt. Für den Nutzfahrzeugmarkt prognostiziert man eine Erholung. Vor diesem Hintergrund rechnet Grammer für das Geschäftsjahr 2025 mit einem Umsatz auf Vorjahresniveau von rund 1,9 Milliarden Euro.
Hinsichtlich ihrer Profitabilität erhoffe man sich durch die ganzjährige Auswirkung der Effekte aus den Top 10-Maßnahmen des Vorjahres sowie der Fortsetzung des Programms eine positive Entwicklung. Belastend würden sich dagegen geringere Absatzmengen sowie erhöhte Lohn- und Zollkosten auswirken. Demnach rechnet der Vorstand mit einem operativen EBIT für die Gruppe von rund 60 gegenüber 41,6 Millionen Euro heuer. Im Rahmen der Fortsetzung des Top 10-Programms habe man vergangene Woche eine Einigung mit der IG Metall zu den Eckpunkten erreicht. Ein Ergänzungstarifvertrag werde dank Kosteneinsparungen zur weiteren Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beitragen und dadurch Arbeitsplätze an den Amberger Standorten sichern.
Kennzahlen der Grammer Gruppe
Die Grammer AG mit Sitz in Ursensollen ist spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Systemen für die Pkw-Innenausstattung sowie von gefederten Fahrer- und Passagiersitzen für On- und Offroad-Fahrzeuge. Im Bereich Automotive liefert das Unternehmen Kopfstützen, Armlehnen, Mittelkonsolen, hochwertige Interieur-Komponenten und Bediensysteme für die Automobilindustrie an namhafte Pkw-Hersteller und an Systemlieferanten der Fahrzeugindustrie.
Der Produktbereich Commercial Vehicles umfasst die Geschäftsfelder Lkw- und Offroad-Sitze (Traktoren, Baumaschinen, Stapler) sowie Bahn- und Bussitze. Mit rund 12.100 Mitarbeitern ist Grammer in 20 Ländern weltweit tätig. Die Grammer-Aktie ist im Prime Standard notiert und wird an den Börsen München und Frankfurt gehandelt.
- Grammer legt Kurs für die Zukunft fest: strukturelle Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung der finanziellen Stabilität in schwierigem Umfeld erfolgreich umgesetzt
- Umsatzerlöse erreichen 1921,7 Millionen Euro,
- operatives EBIT liegt bei 41,6 Millionen Euro
- EBIT einschließlich Aufwendungen für Restrukturierungsmaßnahmen bei 8,1 Millionen Euro
- Ausblick für 2025: Umsatz auf Vorjahresniveau und moderate Verbesserung des operativen EBIT
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