Grafenwöhrs schwärzester Tag: Bomben fallen am Weißen Sonntag 1945

Grafenwöhr. Zum 80. Mal jährt sich die Bombardierung der Stadt und des Lagers am Ende des Zweiten Weltkriegs. Am 5. und 8. April 1945 legten US-Bomberverbände Grafenwöhr in Schutt und Asche. Der 8. April 1945, der Weiße Sonntag, war der schwärzeste Tag Grafenwöhrs. Zeitzeugen erinnern sich.

Zerstörte Häuser in der Alten Amberger Straße, wie die Metzgerei Rauh und Bäckerei Bauer. Rechts im Hintergrund der Wasserturm. Er war damals mit einer Tarnfarbe gestrichen. Foto: Archiv Gerald Morgenstern

Am Donnerstag, 5. April 1945, wurde das Lager, das damals vom Kommandanten zur „Festung Grafenwöhr“ erklärt worden war, von alliierten Flugzeugverbänden das erste Mal angegriffen. Gegen 11 Uhr flogen die Bomber von Osten her an und warfen ihre Last – beginnend bei Bruckendorfgmünd – in das Waldgebiet Mark. Im Wald war das größte Giftgaslager der Wehrmacht versteckt. Drei Millionen Gasgranaten und Gasgeschosse hätten ausgereicht, um das Leben in der gesamten Nordoberpfalz auszulöschen. Das Giftgaslager wurde bei dem Angriff nur knapp verfehlt.

Heinz Asam überlebte

Der Bombenteppich zog sich anschließend weiter über die Creußenwiesen und richtete im Nordteil des Hauptlagers verheerende Schäden an. Schwer getroffen wurden die Panzerwerkstätten und die angrenzenden Gartenanlagen. Zehn Menschen, darunter fünf Kinder, starben. Der heute 83-jährige Heinz Asam überlebte als einziger seiner Familie. Während Asams Eltern und sein Bruder in den Kellern der Häuser an der Gärtnerei ihr Leben verloren, irrte der Bub durch die Gewächshäuser und Gartenbeete.

Mit Verbrennungen dritten Grades fand man den bis zum Bauchnabel verschütteten dreijährigen Buben, der seinen Verletzungen trotzte und von Bekannten und seinen Onkeln aufgezogen wurde. Die Verluste am 5. April wurden mit 74 Toten, darunter 15 Zivilisten, angegeben.  

Großer Angriff am Weißen Sonntag

Weit verheerender wirkte sich der Angriff am 8. April, dem Weißen Sonntag, aus. Gegen 11.30 Uhr ertönten die Sirenen und kündigten das Herannahen von 203 amerikanischen B-17-Bombern an. Grafenwöhrs Bewohner flüchteten in die als Schutzräume deklarierten Felsenkeller am Annaberg. Einige vertrauten sich dem Schutz ihrer durch Holzbalken abgestützten Hauskeller an.

Annähernd zwei Stunden dauerte das Bombardement. Dramatische Szenen spielten sich ab. Im abgestützten Keller seines Elternhauses überlebte Engelbert Reiter, heute 95 Jahre, den Angriff. Nur um fünf Meter verfehlte eine 1000-Pfund-Bombe das Wohnhaus und Ladengeschäft in der Neuen Amberger Straße. Zwischen den Angriffswellen musste der damals 15-Jährige mit seinem Vater und Bruder in die oberen Stockwerke, um die Stabbrandbomben zu entfernen, die das Dach durchschlagen hatten. Auf der anderen Straßenseite standen die Stallungen der Schreinerei und Landwirtschaft Kraus, heute Hotel Rattunde, lichterloh in Flammen, ebenso das Doppelhaus Knodt-Gebhardt an der Schulstraße.

Das Ehepaar Reiter erinnert sich

Engelbert Reiters Ehefrau Maria (94 Jahre), geborene Gebhardt, erinnert sich heute mit Schrecken an Grafenwöhrs schwärzesten Tag. Ihre Eltern und Geschwister machten sich nach dem Mittagessen gleich beim letzten Alarm auf den Weg in die Felsenkeller am Annaberg. Die damals 14-jährige Maria verrichtete im Haus noch den Abwasch. Mit dem Fahrrad eilte das Mädchen ebenfalls zum Annaberg, während von Ferne schon das Brummen der Bombermotoren zu hören war.

Zwei Stunden hagelten die Spreng- und Brandbomben auf die Stadt, während die Schutzsuchenden in den Kellern zitternd und betend verharrten. Gegen halb drei wurden die Männer zum Löscheinsatz aus den Kellern gerufen, gleich darauf machte sich Maria Reiter mit dem Radl wieder auf den Weg durch die Altstadt und zerstörte Vorstadt zu ihrem Elternhaus. In der Neuen Amberger Straße herrschte Chaos, über Umwege gelangte sie zum Haus. „Nur noch die Außenmauern standen, Flammen schlugen aus den Fenstern, es war schrecklich“, so Maria Reiter. Inzwischen kam auch ihr Vater dazu. Sie konnten gemeinsam noch die Betten und wenige Habseligkeiten vor den Flammen retten. Die Familie Gebhardt stand vor dem Nichts, das gemauerte und betonierte Waschhaus im Rückgebäude war später ihre Bleibe.

„Mit blanken Händen haben die Leute verzweifelt im Trümmer- und Steinhaufen des zerbombten Horschelt-Hauses (Ecke Schulstraße Neue Amberger Straße) gewühlt, um Verschüttete zu befreien. Die Hilfe kam jedoch zu spät“, erinnert sich die Seniorin.

Ein amerikanischer B-17-Bomber beim Angriff am 8. April 1945 über Grafenwöhr. Unter der rechten Tragfläche in der Ecke des Bildes sind der Geismannskeller und die Klärteiche des Lagers zu erkennen. Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Ein amerikanischer B-17-Bomber beim Angriff am 8. April 1945 über Grafenwöhr. Unter der rechten Tragfläche in der Ecke des Bildes sind der Geismannskeller und die Klärteiche des Lagers zu erkennen. Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Die US-Armee fotografierte den Angriff auf Grafenwöhr aus der Luft. Foto: Militärmuseum Grafenwöhr
Die US-Armee fotografierte den Angriff auf Grafenwöhr aus der Luft. Foto: Militärmuseum Grafenwöhr
Nur noch Ruinen und Trümmer beim Blick von der Schönwerthstraße über die Neue Amberger Straße zur Altstadt. Zwischen den linken Giebeln ist der Kirchturm der Maria Himmelfahrtskirche zu erkennen. Nur noch die Außenmauern und Kamine stehen beim Doppelhaus Gebhardt-Knodt, dem Elternhaus von Maria Reiter, geborene Gebhardt  (Ruine über dem Motorradlenker).  Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Nur noch Ruinen und Trümmer beim Blick von der Schönwerthstraße über die Neue Amberger Straße zur Altstadt. Zwischen den linken Giebeln ist der Kirchturm der Maria Himmelfahrtskirche zu erkennen. Nur noch die Außenmauern und Kamine stehen beim Doppelhaus Gebhardt-Knodt, dem Elternhaus von Maria Reiter, geborene Gebhardt (Ruine über dem Motorradlenker). Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Zerstörte Häuser in der Alten Amberger Straße, wie die Metzgerei Rauh und Bäckerei Bauer. Rechts im Hintergrund der Wasserturm. Er war damals mit einer Tarnfarbe gestrichen. Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Zerstörte Häuser in der Alten Amberger Straße, wie die Metzgerei Rauh und Bäckerei Bauer. Rechts im Hintergrund der Wasserturm. Er war damals mit einer Tarnfarbe gestrichen. Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Völlig zerstört wurden beim Angriff am 8. April 1945 Häuser in der Neuen Amberger Straße. Die Ruine rechts von der Metzgerei Böhm ist das Anwesen Pappenberger, das Elternhaus von Weihbischof Reinhard Pappenberger. Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Völlig zerstört wurden beim Angriff am 8. April 1945 Häuser in der Neuen Amberger Straße. Die Ruine rechts von der Metzgerei Böhm ist das Anwesen Pappenberger, das Elternhaus von Weihbischof Reinhard Pappenberger. Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Foto: Archiv Gerald Morgenstern
Foto: Archiv Gerald Morgenstern

„Very good – possibly excellent results“

„427,5 Tonnen Sprengbomben und 178,5 Tonnen Brandbomben wurden von den Flugzeugen in mehreren Wellen auf die Stadt und das Hauptlager abgeladen“, heißt es detailliert in dem Bericht der 3. US-Air Division. Die Ergebnisse werden darin als „Very good – possibly excellent results“ bezeichnet.

Spätere Auswertungsflüge der Alliierten ließen das gesamte Ausmaß der Zerstörung erkennen. Nahezu das gesamte Hauptlager war von Bombentreffern übersät. In der Stadt selbst hatte es vor allem die Häuser entlang der Neuen und der Alten Amberger Straße sowie in der Schönwerthstraße, Schulstraße Gartenstraße und am Alten Weg getroffen. Nach amtlicher Aufstellung waren 210 Gebäude, darunter 105 Wohnhäuser, zerstört oder beschädigt. 3000 Menschen waren obdachlos geworden.

Elf zivile Opfer waren am 8. April 1945 in der Stadt zu beklagen. Über die Anzahl weiterer Todesopfer im Lager gibt es keine präzisen Angaben. Die Stadtchronik berichtet, dass bei beiden Angriffen mehrere Hundert Wehrmachtsangehörige und Kriegsgefangene ums Leben kamen. Trauer, Entsetzen und Ratlosigkeit herrschten nach der Bombardierung.  

Die Stadt Grafenwöhr gedenkt mit der US-Armee am Dienstag dem 80-jährigen Kriegsende (hier das Programm).

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