Historische Sparbücher in Neustadt/WN geben Rätsel auf

Neustadt. Zwei Sparbücher des Burschenvereins/Landsmannschaft „Lobkowitzia“, die ein Prüfer im Tresor der Stadt Neustadt fand, geben Rätsel auf. Oskar Schwarz gelangte durch Zufall in den Besitz von Unterlagen über die Verbindung.

Zwei Sparbücher des Burschenvereins/Landsmannschaft
Zwei Sparbücher des Burschenvereins/Landsmannschaft “Lobkowitzia” fand ein Prüfer im Tresor des Rathauschefs Sebastian Dippold (links). Mehr über die Studendenverbindung, die es längst nicht mehr gibt, wusste Oskar Schwarz (rechts). Foto: Hans Prem
Diese Postkarte mit der der Altstadt von Neustadt im Hintergrund und dem Spruch
Diese Postkarte mit der der Altstadt von Neustadt im Hintergrund und dem Spruch “Der Heimat Lieb’, der Freundschaft Treu’!” ließ die Landsmannschaft “Lobkowitzia” in den 30er Jahren drucken. Foto: Hans Prem
Foto: Hans Prem
Foto: Hans Prem

Bürgermeister Sebastian Dippold staunte nicht schlecht, als ein Prüfer des kommunalen Prüfungsverbandes bei einem routinemäßigen Besuch der Rathausverwaltung im letzten Jahr im Tresor der Stadt auf zwei Sparbücher stieß. Sie waren ausgestellt auf einen Burschenverein und weisen aktuell nach Zinsnachtrag ein Guthaben von 844,60 Euro aus.

Wie kommen die Sparbücher in den Tresor?

„Wie kamen die Sparbücher in unseren Tresor und um wen handelt es sich beim Inhaber Burschenverein“, fragte sich das Stadtoberhaupt. Nachfragen bei seinen beiden Amtsvorgängern und alt gedienten Stadträten erbrachten nichts. „Niemand kannte den Burschenverein in Neustadt und niemand wusste, wie die beiden Sparbücher in den städtischen Tresor gelangt waren“, so Dippold.

Dippold war überzeugt: Wenn einer etwas darüber wissen könnte, dann Oskar Schwarz. Der saß von 1966 bis 2014 im Stadtrat und war 18 Jahre lang Museumsreferent. Prompt konnte der etwas Licht ins Dunkle bringen, zumindest was den Burschenverein betraf.

Interessante Geschichten

Durch Zufall kam er 1973 in den Besitz von Unterlagen über die Gemeinschaft. „Nach dem Tod seines Vaters Johann Jakob Schenkl im November 1972 kam sein Sohn Heinz zu mir und wies mich darauf hin, dass seine Mutter gerade die schriftlichen Unterlagen seines Vaters ausräumte. Der hatte in Neustadt eine Anwaltskanzlei betrieben“, erinnert sich Schwarz.

Er interessierte sich in seiner Funktion als Museumsreferent für alles, was mit der Geschichte der Stadt zu tun haben könnte. So machte er sich im März 1973 auf und durchsuchte den Papiercontainer, in dem die Unterlagen bereits gelandet waren. „Ich habe sie praktisch für die Nachwelt gerettet“.

Ursprünglich eine Studentenverbindung

Dabei stieß er auf Unterlagen eines Burschenvereins/Landsmannschaft „Lobkowitzia“, bei der es sich ursprünglich wohl um eine Studentenverbindung gehandelt hat. Sie wurde am 11. September 1910 von acht Neustädtern, die teilweise noch die Schulbank drückten, im Torstübchen des Gasthauses Kost in Störnstein gegründet.

Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Wilhelm Reichenberger, Johann Riedl, Josef Grader, Ferdinand Reichenberger, Hans Schenkl, Robert Baumgärtner, der auch das Gründungsprotokoll verfasste, German Laier und Johann Reichenberger. Hauptzwecke waren laut Satzung: „Einen festen innigen Zusammenhalt der Studentenschaft Neustadt zu schaffen, landsmännische Gesinnung zu wecken und Aneiferung zum Studium“.

Es war ein lebendiger Burschenverein

„Ursprung der Landsmannschaft Lobkowitzia war jedoch der Burschenverein“, vermutet Schwarz. Zu den gefundenen Unterlagen gehörte unter anderem ein Protokollbuch der Landsmannschaft, geführt vom 8. August 1923 bis 22. August 1926. Weiter stieß er auf Aufnahmeanträge, Rechnungen, Telegramme der Fürsten Lobkowitz mit der Festladung zum zehnjährigen Jubiläum und einen aufmunternden Brief eines Mitglieds aus Rio de Janeiro.

Zum Jubiläum haben Fürst Ferdinand Graf von Lobkowitz und Gräfin Anna Bertha von Neipperg dem Burschenverein ein Fotoalbum mit den Besitzungen derer von Lobkowitz übergeben. Ein geschichtlicher Rückblick zum 25-jährigen Gründungsjubiläum wurde damals scheinbar mangels Schreibmaschinenpapier auf die Rückseiten von Rechnungen oder Schreiben einer Hopfengroßhandlung geschrieben. Der Text ist sehr pathetisch verfasst.

Originaluniform als Faschingsutensil

Oskar Schwarz bekam 1973 auch eine Originaluniform der Landsmannschaft Lobkowitzia von der Familie Schenkl geschenkt. Mit der hat er dann 22 Jahre lang am Faschingssamstag zur Mobilmachung aufgerufen und am Sonntag nach dem Faschingsumzug als Gendarm Haslbeck für Ordnung in der Stadt gesorgt.

Bürgermeister Sebastian Dippold ist froh über die Unterlagen und stolz auf Oskar Schwarz. „So ein Wissen um Neustadt hat sonst wohl kaum jemand“. Für ihn handelt es sich bei dem Burschenverein/Landsmannschaft, an den sich heute niemand mehr erinnern kann, nicht um irgendetwas Unbedeutendes, sondern um „Neustädter Geschichte, die schlicht und einfach vergessen wurde“.

Wer bekommt das Guthaben?

Die letzte Einzahlung auf das Sparbuch erfolgte 1959. 1972 wurde es umgeschrieben und 1996 wurden Zinsen nachgetragen. Das tat auch die Stadtverwaltung am 30.09.2021. So kam der Kontostand von 844,60 Euro zustande. Was mit dem angesparten Betrag geschieht, steht in den Sternen, da es sich um keinen eingetragenen Verein handelte und es keine Rechtsnachfolger gibt. „Vielleicht bekommt es ja die Stadt und vielleicht wollte es der Überbringer der Sparbücher ja so“.

Die Sachen kommen dahin, wo sie hingehören – ins Museum

Die Unterlagen über Lobkowitzia hat Oskar Schwarz nun seit fast 50 Jahren in seinem Besitz. Werte Nachforschungen seinerseits verliefen aber leider im Sand. Auch verschiedene Bürgermeister, denen er sie anbot, zeigten wenig Interesse daran. Nun wollte es der Zufall, dass man wieder auf sie stieß. Die Unterlagen samt Uniform wird Schwarz demnächst dem Neustädter Stadtmuseum übergeben.

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