Ifo-Studie wirbelt mächtig Staub auf

Nordoberpfalz. Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München hatte im Auftrag des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung untersucht, unter welchen Umständen sich die Ansiedlung von Behörden in strukturschwachen Räumen erfolgreich umsetzen lässt. Die Schlagzeile, die daraus folgte, lautete „Beispiel Tirschenreuth: Ifo-Institut bei Ämterverlagerung ‚aufs Land‘ skeptisch.“

Stützlvilla Windischeschenbach
Die Stützlvilla in Windischeschenbach ist das neue Zuhause der Dienststelle „Digitale Landkarten Bayern“ des Landesamt für Breitband, Digitalisierung und Vermessung. Foto: Archiv

Behördenansiedlungen eigneten sich laut der Studie nur bedingt, um strukturschwache Regionen zu beleben, schreibt die Süddeutsche Zeitung in der Onlineausgabe am Dienstag und zitiert Professor Joachim Ragnitz, den Verfasser der Studie: “Strukturschwache Regionen sind oft nicht attraktiv genug, um neue Arbeitskräfte dorthin zu locken. Gleichzeitig fehlt es oft an hochqualifizierten Arbeitskräften.”

Für eine eine erfolgreiche Behördenansiedlung müsse man die “weichen Standortfaktoren” wie Beschäftigungsmöglichkeiten für Familienangehörige oder eine gute Verkehrs- und Breitband-Anbindungen verbessern, zitiert das Blatt Ragnitz weiter.

Widerspruch aus der Region

“Die Schlagzeile ist absolut irreführend, denn sehr wohl sind die Verlagerungen von Landesbehörden in die nördliche Oberpfalz und auch die des Amtes für Ländliche Entwicklung nach Tirschenreuth eine Erfolgsgeschichte“, widersprechen Mandatsträger aus der Region.

Amt für Ländliche Entwicklung ein großer Gewinn

„Für Tirschenreuth und die gesamte Region ist das Amt für Ländliche Entwicklung ein Baustein im Mosaik einer atemberaubenden Aufwärtsentwicklung“, urteilt Tirschenreuths Bürgermeister Franz Stahl über die etwa 150 Mitarbeiter starke Behörde in der Kreisstadt. Laut der Studie sei es zu einer Stärkung der Kaufkraft und positiven Nachfrageeffekten für den örtlichen Handel und den Dienstleistungsbetrieben gekommen.

Die meisten Mitarbeiter kommen aus der Nordoberpfalz

Bereits 33 junge Menschen haben ihre Ausbildung in Tirschenreuth abgeschlossen, weitere 21 Auszubildende hat das Amt aktuell. Davon neun duale Studenten für die Qualifizierungsebene drei sowie weitere Anwärter und Dienstanfänger.

Auch die Herkunft der Mitarbeiter sei einen Blick wert. 113 der 148 Mitarbeiter wohnen in den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt/WN, Wunsiedel oder der Stadt Weiden. Lediglich 19 Mitarbeiter kommen noch aus der Stadt oder dem Landkreis Regensburg. Die restlichen Bediensteten kommen aus den Landkreisen Schwandorf, Cham oder Amberg-Sulzbach.

Studie lobt die Ausbildungsmöglichkeiten

Ein genauer Blick auf die hinteren Seiten der Studie lohne sich auch was die Zukunftsperspektiven angeht, so der Landtagsabgeordnete Tobias Reiß. Dort werde ausdrücklich eine hervorragende Ausbildungsmöglichkeit, auch in Zusammenarbeit mit der OTH Amberg-Weiden, bescheinigt.

„Mir war es wichtig, dass wir zusätzlich zur Behördenverlagerung in die nördliche Oberpfalz auch einen passenden Studiengang an die Hochschule in Weiden bringen“, so Reiß zum Studium „Geoinformatik und Landmanagement“. Die ersten Absolventen arbeiten bereits in der Region.

Windischeschenbach und Waldsassen profitieren

Das Amt für Ländliche Entwicklung bildete dabei nur den Auftakt. Mittlerweile hat das Finanz- und Heimatministerium nachgezogen und in Windischeschenbach und Waldsassen mit dem Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung ein Kompetenzzentrum für amtliche Kartographie für den gesamten Freistaat geschaffen. An den beiden Standorten arbeiten bereits 88 Mitarbeiter.

130 Mitarbeiter werden es am Ende insgesamt sein. 24 Nachwuchskräfte haben an den beiden Standorten ihre Ausbildung schon abgeschlossen, weitere 19 Auszubildende hat das Amt derzeit. Von den dortigen Mitarbeitern stammen lediglich 18 nicht aus der Region und sind Wochenpendler.

Fachkräfte vor Ort

„Die vielen jungen und vor allem gut ausgebildeten Köpfe am Standort in Waldsassen sind eine Bereicherung“, sieht auch Waldsassens Bürgermeister Bernd Sommer einen positiven Effekt. Hinzu komme, dass mit dem Neubau des Landesamtes nicht nur ein Leerstand beseitigt wurde, sondern ein modernes Gebäude in unmittelbarer Innenstadtnähe gebaut werde.

In Windischeschenbach sieht Bürgermeister Karlheinz Budnik das ganz ähnlich. „Neben den vielen jungen Menschen, die hier beste Berufschancen in der Heimat bekommen, wurde durch die Revitalisierung der Stützlvilla auch ein historisch wichtiges Areal in der Stadt aufgewertet“, lobt er die Entscheidung des Freistaates für die Investitionen von über 16 Millionen Euro.

Hintergrund

In den Landkreisen Tirschenreuth und Neustadt/WN sowie der Stadt Weiden wurden oder werden folgende Verlagerungen vorgenommen:

Stufe I:

  • Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, Standort Windischeschenbach: 60, Standort Waldsassen: 70 Mitarbeiter
  • Zentrum Bayern Familie und Soziales, Kemnath: 20 Mitarbeiter
  • Zentrale Reiseservicestelle Bayern, Vohenstrauß: 40 Mitarbeiter

Stufe II:

  • Landesamt der Finanzen, Weiden, 300 Arbeitsplätze

Verlagerungen in den Landkreis Wunsiedel beziehungsweise nach Marktredwitz:

  • Servicezentrum BayernServer, Marktredwitz: 25 Arbeitsplätze
  • Kompetenzzentrum Förderprogramme der Landesanstalt für Landwirtschaft, Marktredwitz: 60 Arbeitsplätze
  • Neue Justizvollzuganstalt, Marktredwitz: etwa 200 Arbeitsplätze
  • BaynLab – Regionales IT-Zentrum: Wunsiedel: 5 Arbeitsplätze

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