Im Gerichtsgebäude nicht auffindbar: Richter sucht “seinen” Angeklagten

Weiden. Selbst ist der Mann, dachte sich Richter Hubert Windisch und machte sich kurzerhand im Gerichtsgebäude auf die Suche nach "seinem" Angeklagten.

20240514 Diebstahl Eschenbach Foto Martin Stangl
Angeklagter gesucht. Erst mit einer Dreiviertelstunde Verspätung begann der Prozess vor dem Schöffengericht in Weiden. Foto: Martin Stangl

Eigentlich sollte der Prozess gegen einen Mann (49), der wegen Diebstahls angeklagt war, pünktlich um 9 Uhr beginnen. Doch es kam anders: Der Angeklagte war nicht auffindbar.
Weil wegen eines gleichzeitig stattfindenden Prozesses große Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtsgebäude eingerichtet waren, war der direkte Weg zum Sitzungssaal 106 versperrt. Nur über Umwege gelangte man zum Ziel. Eigenartig kam die Verspätung dem Vorsitzenden Richter Hubert Windisch, dann doch vor.

Denn der Angeklagte sitzt in der Weidener JVA in Untersuchungshaft und wird deshalb mit dem absolut zuverlässigen Taxiunternehmen “Polizei” zum Gericht gebracht. Deshalb fahndete er höchstpersönlich im Gerichtsgebäude nach “seinem” Angeklagten. Letztlich zunächst erfolglos. Eine telefonische Nachfrage am Almesbacher Weg gab dann Entwarnung: Der Angeklagte sei bereits (verspätet) unterwegs. So konnte der Prozess – mit Verspätung – doch noch beginnen.

Anklage: Zahlreiche Diebstähle

Staatsanwalt Thomas Wosch verlas die Anklageschrift, der zufolge der Angeklagte zahlreiche Diebstähle begangen haben soll. Die Taten ereigneten sich von Juni bis November 2023 im Raum Eschenbach, Pressath, Grafenwöhr. So drang der Täter jeweils in der Nacht in Garagen oder Gartenhäuser ein und entwendete Fahrräder und Werkzeuge. Der Schaden beläuft sich auf über 13.000 Euro. Insgesamt wurden ihm zwölf vollendete, gewerbsmäßige Handlungen und Versuche zur Last gelegt.

Bereits vor der Verhandlung gab es eine Verständigung zwischen dem Schöffengericht und dem Pflichtverteidiger Simon Fischer (Deggendorf) und Wahlverteidiger Gültekin Acar (Landshut). Sollte der Angeklagte ein volles Geständnis ablegen, würden die versuchten Diebstähle nicht in die Verhandlung einbezogen und ein günstiger Strafrahmen zwischen 24 und 30 Monaten in Aussicht gestellt werden. Die Einräumung der Taten in subjektiver und objektiver Sicht seitens des Angeklagten ersparte dann dem Gericht tatsächlich eine umfängliche Beweisaufnahme mit aufwändigen Zeugenvernehmungen.

Lob für fleißigen Kripobeamten

Der in den Zeugenstand gerufene Beamte der Kripo Weiden hatte sich akribisch auf seine Vernehmung vorbereitet. Er berichtete, dass die an den Tatorten aufgenommen Videoaufzeichnungen keinen Zweifel an der Täterschaft des 49-Jährigen aufkommen lassen.
Als LKW-Fahrer einer niederbayerischen Spedition belieferte er im Tatzeitraum Baumärkte in der Region. Um die Lenkzeiten nicht zu überschreiten, übernachtete er in seinem LKW.
Nach eigenen Aussagen überkam den Angeklagten nachts dann der Drang zu den Einbrüchen.

Sein Dolmetscher Zoltán Deák übersetzte: “Ich wollte Adrenalin verspüren!”
Der akribischen Arbeit des Kripobeamten ist zu verdanken, dass diverse technische Auswertungen sowohl die Übernachtungsorte im Landkreis Neustadt, als auch die kurzen Stopps am jeweiligen Tag nach der Tat an seinem Wohnort nachweisen konnten. “Solch gute Arbeit verdient ein großes Lob”, so vorsitzender Richter Hubert Windisch.

Weitere Handy-Spuren, wonach der LKW-Fahrer im fraglichen Zeitraum, immer wieder Spritztouren nach Ungarn unternommen hat, ließen beim Gericht Zweifel aufkommen, ob nur Adrenalin der Grund für die Diebstähle gewesen ist. Bei der Begründung des Urteils meldete das Schöffengericht massive Zweifel an. Auch die Einträge im Bundeszentralregister wiesen dem Angeklagten keine weiße Weste aus: mehrere Vorstrafen wegen Diebstahls sind dort aufgeführt.

Urteil orientiert sich am vereinbarten Rahmen

Staatsanwalt Wosch bekräftigte in seinem Plädoyer seine Ansicht, dass der Angeklagte mit dem Weiterverkauf des Diebesguts Geschäfte machen wollte und forderte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Pflichtverteidiger und Wahlverteidiger sahen einen Weiterverkauf nicht als erwiesen an. Sie stellten das vollumfängliche Geständnis in den Vordergrund.

Wenig verständlich war die Argumentation, dass die Geschädigten teilweise die Räume unversperrt präsentiert hätten: “Das ladet ja richtig zum Klauen ein!”. Letztendlich forderte die Verteidigung eine Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung. Mit seinem Geständnis erreichte der Täter tatsächlich eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten sowie Einzug von Wertersatz in Höhe von 2000 Euro. “Normalerweise steht bei solchen massiven Delikten mindestens eine dicke Drei im Urteil”, so Hubert Windisch und schloss eine Verhandlung, die mit der Suche nach dem Angeklagten begann.

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