Ehen kaputt, Existenzen ruiniert – Immobilienmakler vor Gericht: „Tief in mir wollte ich keinem schaden“
Weiden. Der wegen Betrugs angeklagte Immobilienmakler hat im Prozess eine Erklärung abgeben. Tenor: Er habe ein Loch mit dem anderen gestopft, im festen Glauben an den "Turnaround". Für die Geschädigten klingt das wie Hohn. Während er mit dem Porsche herumfuhr, gingen manche in Privatinsolvenz.
Vierter Verhandlungstag gegen einen Immobilienmakler (45) aus Weiden. Wieder ist der Gerichtssaal proppenvoll mit Zuhörern. Etliche von ihnen haben mit dem Angeklagten noch ein Hühnchen zu rupfen. Als Zeugen werden am Freitag sieben mutmaßliche Opfer gehört. Sie schildern dramatische Folgen des mutmaßlichen Betrugs auf ihr Leben.
Verteidiger verliest Erklärung
Zunächst aber steht der Angeklagte im Mittelpunkt. Bisher hat er sich mit keinem Wort geäußert. Am Freitag rattert Verteidiger Rechtsanwalt Oliver Plate eine Erklärung herunter, die auf ein DIN-A-4-Blatt passt (kompletter Wortlaut siehe unten).
Grober Tenor: Schuld sind die anderen oder die Umstände. Zur Erinnerung: Der Makler hatte ab 2016 unter anderem auf Spieler der „Blue Devils“ dutzendweise Lebensversicherungen abgeschlossen. Mit den hohen Provisionen finanzierte er seinen Lebensstil und trat als großer Sponsor des 1. EVW auf. Die Bombe platzte, als die Versicherungen ihre Raten nicht bekamen und ihre Provisionen wieder wollten. Als Eishockeyspieler Anzeige erstatteten, nahm die Kripo Ermittlungen auf. 2018 kam es zum Vermögensarrest.
Ich habe nicht untätig auf ein Wunder gewartet. Sondern versucht, durch ehrliche Arbeit den Turnaround zu schaffen. angeklagter Immobilienmakler in seiner Erklärung
Jetzt lässt der Angeklagte vorlesen: Ja, er habe damals Fehler begangen, die dazu führten, dass fast alle Versicherungsverträge platzten. Er geriet deshalb in eine „enorme finanzielle Schieflage“. Vom Immobiliengeschäft habe er sich langfristig erhofft, diese finanziellen Schwierigkeiten zu überwinden. Um die dringendsten Löcher zu stopfen, habe er sich bei Privatpersonen Gelder geliehen, die er letztlich nicht zurückzahlen konnte.
„Immer, wenn es eng wurde, habe ich neues Geld aufgenommen, um bestehende Lücken zu füllen.“ Wichtig ist ihm zu betonen, dass er als Immobilienmakler intensiv gearbeitet habe. „Ich habe nicht untätig auf ein Wunder gewartet. Sondern versucht, durch ehrliche Arbeit den Turnaround zu schaffen.“ Aber selbst er habe irgendwann erkannt, dass er nicht alle Darlehensgeber befriedigen konnte. „Tief in mir wollte ich keinem Menschen schaden.“
Alles begann mit Trikotgewinn der „Blue Devils“
Eine echte Entschuldigung an die Adresse der Geschädigten ist das nicht. Am Freitag sagen sieben von ihnen aus. Ihre Geschichten haben Parallelen. Zwei Frauen hatten 2016/17 Trikots der „Blue Devils“ gewonnen und sollten diese im Büro des Hauptsponsors abholen. Der Angeklagte war damals Versicherungsmakler. Man kam ins Gespräch. Irgendwann verlegten die Betroffenen ihre Versicherungen zum Angeklagten. Als dieser ab 2018 Immobiliengeschäfte vorschlug, hatte er längst ihr Vertrauen gewonnen.
Mit einem Ehepaar verstand er sich so gut, dass man gemeinsam mit den Kindern in den Urlaub fuhr. „Ich dachte, wir wären befreundet“, sagt der 37-jährige Software-Berater. Insgesamt nahmen er und seine Frau fast 60.000 Euro an Darlehen auf, die sie an den Angeklagten weiter überwiesen. Tatsache ist: Das Geld floss weder in Immobilien, noch kam je ein Cent zurück. „Das Geld tauchte nie wieder auf.“ Noch heute zahlt das Paar monatliche Tilgungsraten von 1.000 Euro an die Bank, ohne je einen Gegenwert gehabt zu haben.
Eltern retten ihre Kinder aus der Misere
Ein anderes Ehepaar ist inzwischen geschieden. Der Mann (heute 33) hatte für einen Wohnungskauf einen Kredit über 134.000 Euro aufgenommen. Der Angeklagte schlug vor, diesen Kredit durch einen besseren abzulösen. „Wir könnten das dann viel schneller abzahlen.“ Sie müssten nur vorab einen weiteren Kredit aufnehmen, dessen Raten er übernehme. Also nahm das Paar noch einmal 100.000 Euro auf, die es dem Angeklagten überwies.
Sie sahen weder ihr Geld wieder, noch zahlte der Angeklagte die Tilgungsraten. Das junge Paar konnte den finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Es hagelte Mahnungen der Bank. Irgendwann stand der Gerichtsvollzieher mit einem Haftbefehl für den 33-Jährigen in der Tür. Der Vater rettete schließlich den Sohn und löste ihn aus. Die Familie betreibt eine Landwirtschaft und musste dafür Grund verkaufen. „Ich hatte richtig Zukunftsängste, dass ich den Hof verliere“, berichtet der 33-Jährige. Die Ehe ging in die Brüche.
Keiner von ihnen kam je auf die Idee, dass dem Angeklagte in Wahrheit das Wasser bis zum Hals stand. Er fuhr – unter anderem – Porsche und BMW, nahm seine „Freunde“ mit in die VIP-Lounge des Eishockeyvereins, lud zur Geburtstagsparty ins Restaurant ein.
Ein Freund, mit dem der Angeklagte gern FC-Bayern-Spiele ansah, verlor über 50.000 Euro. Er musste inzwischen Privatinsolvenz anmelden und verlor seinen Arbeitsplatz. Währenddessen sah er den Angeklagten mit dem Porsche durch die Stadt fahren.
Fortsetzung nächste Woche: letzte Zeugen
An den nächsten Prozesstagen am Montag und Mittwoch, jeweils 9 Uhr, werden die letzten Zeugen gehört. Es handelt sich um weitere Geschädigte sowie Ermittler der Kripo Weiden. Dann stehen nur noch die Plädoyers und das Urteil aus.
Die Erklärung im Wortlaut
„Ich habe seinerzeit im relevanten Zeitraum während meiner Tätigkeit als Versicherungsmakler Fehler begangen. Diese Fehler, gepaart mit weiteren Umständen, führten dazu, dass mein gesamtes Versicherungsgeschäft zusammengebrochen ist. Kunden kündigten Verträge. Die Versicherungsgesellschaften haben neben den betroffenen Kunden auch sämtliche laufenden Verträge gekündigt. Das hatte zur Folge, dass ich nicht nur für Verträge, bei denen ich mich fehlerhaft verhalten habe, eine Stornohaftung übernehmen musste. Die Stornohaftung umfasste vielmehr fast alle Abschlüsse dieser Zeit. Das brachte mich in eine enorme finanzielle Schieflage mit erheblichen Zahlungsverpflichtungen.
Es war grundsätzlich mein Ziel, alle Personen, denen ich etwas schuldete, vollständig zu befriedigen. Zeitlich ergab sich für mich die Gelegenheit, im Immobilienbereich tätig zu werden, wo das Geschäft damals florierte. Ich war überzeugt, dass ich damit meine finanziellen Schwierigkeiten überwinden könnte. Um meinen Verpflichtungen nachzukommen, habe ich Gelder von Privatpersonen als Darlehen aufgenommen. Mit diesen Geldern habe ich zunächst bestehende Verbindlichkeiten getilgt. Ich war dabei fest überzeugt, dass ich durch die Immobiliengeschäfte ausreichend verdienen würde, um die aufgenommenen Beträge zurückzahlen zu können. Immer wenn es enger wurde, habe ich neues Geld aufgenommen, um bestehende Lücken zu schließen.
Rückblickend muss ich zugeben, dass ich ab einem gewissen Zeitpunkt hätte erkennen müssen, dass ich die Rückzahlungsbedingungen der Darlehensverträge eigentlich nicht mehr erfüllen konnte. Wenn ich ehrlich bin, habe ich das auch erkannt, wollte des gleichwohl nicht wahrhaben. Vor diesem Hintergrund habe ich neue Darlehen aufgenommen. Ich nahm in Kauf, dass Rückzahlungstermine nicht eingehalten werden können. Um die Darlehensgeber zum Verleihen zu bewegen, habe ich auch unzulässige Gewinnversprechen gemacht.
Wichtig ist mir zu betonen, dass ich in dieser Zeit intensiv gearbeitet habe, meine Tätigkeit als Immobilienmakler nahm mehr als die sonst üblichen 40 Stunden pro Woche in Anspruch. Ich habe nicht untätig auf ein Wunder gewartet, sondern versucht, durch ehrliche Arbeit den wirtschaftlichen Turnaround zu schaffen.
Ich wollte nicht aufgeben. Ich war überzeugt, dass meine Existenz unmittelbar mit dem wirtschaftlichen Erfolg als Immobilienmakler verbunden ist. Ich wusste, wenn ich scheitere, werde ich die Schulden nicht los werden. Das führte leider auch dazu, dass ich bereit war, Fehlvorstellungen und Irrtümer bei Darlehensgebern zu bedienen bzw. zu unterhalten, obwohl ich tief in mir wusste, dass ich nicht mehr alle Darlehen gleichzeitig bedienen kann.
Meine Ausführungen sollen mein Handeln nicht entschuldigen. Tief in mir wollte ich keinem Menschen schaden, nahm dies aber billigend in Kauf, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen, obwohl ich wusste, dass das nie zu schaffen war.“
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