In der Kemnather Fronveste geht die Post ab

Kemnath. Seit Juni geht in der Kemnather Fronveste die Post ab: Briefe und andere Dokumente aus 190 Jahren Postgeschichte der Anzensteinstadt und ihrer Nachbargemeinden sind ein Leckerbissen für jeden gestandenen Philatelisten und Heimatgeschichtler.

Millionenfach trug die 60-Pfennig-Dauerserienmarke von 1978, die das Kemnather Museum als Schalterbogen und auf Schmuckumschlägen ausstellt, das Bild eines in Kemnath entwickelten Röntgengerätes in die Welt hinaus. Bild: Bernhard Piegsa.
Hans Rösch vom Heimatkundlichen Arbeitskreis (HAK, Fünfter von links) und Ausstellungsgestalter Hermann Dietl (Dritter von rechts) führten die Philatelisten aus Eschenbach und Erbendorf durch die Postgeschichtsausstellung im Kemnather Museum. Bild: Bernhard Piegsa.

Dies bestätigt auch die kleine Besuchergruppe von Fachleuten der Briefmarkenfreunde-Vereine aus Eschenbach und Erbendorf, die bei einer Gruppenführung die Sonderschau im Heimat- und Handfeuerwaffenmuseum aufmerksam unter die Lupe nahmen. Der Vorsitzende der Eschenbacher Briefmarkenfreunde Hermann Dietl, der die Ausstellung gestaltet hat, wartete mit manch kuriosem „Postgeheimnis“ auf und griff dabei bis ins 17. Jahrhundert zurück.

„Schwarze Kabinette“, Wutbürger und Milliardenporto

So hätten die bayerischen Behörden die von den Fürsten von Thurn und Taxis im Auftrag des römisch-deutschen Kaisers organisierte „Reichspost“ für gewöhnlich gemieden und sich stattdessen auf eigene Kuriere verlassen. Der Grund: Es sei ein offenes Geheimnis gewesen, dass die fürstlichen Postillone den kaiserlichen Postspionagestellen, den sogenannten „schwarzen Kabinetten“, regelmäßig Postsendungen zugespielt hätten.

Nach dem Ende des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ 1806 habe Bayern das Postwesen in eigener Regie neu organisiert – auch für die bisher preußischen Gebiete um Neustadt am Kulm, Bayreuth und im heutigen „Hochfranken“, die zwischen 1804 und 1810 an Bayern gefallen seien. Bevor Kemnath 1830 seine erste eigene „Posthalterei“ im Gasthof „Zum Reichsapfel“ am Cammerloherplatz erhalten habe, hätten Briefe und Pakete in Kirchenthumbach aufgegeben werden müssen.

Lukrative Postexpedition

Anfang der 1860er Jahre habe der „Apfelwirt“ aus Angst um seine lukrative Postexpedition mit Poststall zu jenen gehört, die besonders laut – und letztlich erfolgreich – gegen eine Trassierung der Bahnlinie Bayreuth-Weiden durch Kemnath protestiert hätten.

Im Laufe seiner Führung wies Hermann Dietl noch auf einige ungewöhnliche Exponate hin wie etwa die Reproduktion eines in den 1850er Jahren aus Kemnath nach Athen versandten Briefes. Dessen Empfängerin war keine Geringere als Marie Friederike Amalie, Gattin des griechischen Königs Otto, der ein Sohn des bayerischen Monarchen Ludwig I. war.

An die galoppierende Inflation der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erinnert ein mit 100 Milliarden Mark frankiertes Schreiben des Bezirksamts Kemnath von 1923, an die strenge amerikanische Postkontrolle des Jahres 1945 ein Brief, den die militärische Postzensurstelle unter Beifügung eines detaillierten Belehrungsschreibens an den Absender zurückgegeben hatte.

Jede Menge Blickfänge 

Ein Jahr zuvor, 1944, hatte der Schriftsteller Erich Ebermayer, der seit 1939 im Schloss Kaibitz wohnte, einen Feldpostbrief versandt, dessen Umschlag Hermann Dietl faksimiliert und ebenfalls in seine Ausstellung aufgenommen hat. Zu den Blickfängen zählt nicht zuletzt ein kompletter Bogen der 60-Pfennig-Dauerserienmarke von 1978, die ein in Kemnath entwickeltes und hergestelltes Röntgengerät zeigt.

Ein Besuch im „Musikeum“, wo der frühere Museumsleiter Anton Heindl den beeindruckten Besuchern die schönsten und klangvollsten Stücke der von ihm nach wie vor betreuten Musikautomatensammlung vorstellte, und eine vom Ehrenvorsitzenden des Heimatkundlichen Arbeitskreises (HAK) Hans Rösch geleitete Führung durch die weiteren Ausstellungen in der Fronveste durften nicht fehlen. Im „Musikeum“ fand sich die kleine Gruppe schließlich noch zu Kaffee und Kuchen zusammen.

190 Jahre Post in Kemnath 

„Nur wer von den Sachen etwas weiß, kann von den Sachen etwas sagen“, heißt es in dem mittelalterlichen Versepos „Der Ackermann aus Böhmen“. Getreu diesem Grundsatz bot der Heimatkundliche Arbeits- und Förderkreis (HAK) seinen ehrenamtlichen Museumsführern eine fundierte Einführung in die aktuelle Sonderausstellung „Die Post ist da: 190 Jahre Post in Kemnath“ durch Ausstellungsgestalter Hermann Dietl an.

„Derartige Schulungen wollen wir künftig zu jeder neuen Sonderausstellung durchführen, und wir werden auch dafür Sorge tragen, dass jeder, der sich in unser Museumsteam einbringen möchte, sorgfältig in die ‚Schatzkammern‘ unseres Heimat- und Handfeuerwaffenmuseums eingewiesen wird“, betont HAK-Ehrenvorsitzender und Museumsteammitglied Hans Rösch.

Die Museumsgruppe des HAK freut sich über Freunde der Geschichte und Kultur des Kemnather Landes, die als Museumsführer aktiv mitarbeiten möchten. Anfragen nimmt Hans Rösch (E-Mail mail@roeschhans.de, Telefon 01522/9530790) gern entgegen. Das Heimat- und Handfeuerwaffenmuseum in der Kemnather Fronveste (Trautenbergstraße 36) ist sonntags von 14 bis 16 Uhr, am ersten Sonntag des Monats zusätzlich von 10 bis 12 Uhr geöffnet, außerdem können Gruppenführungen mit Hans Rösch vereinbart werden. Der Eintritt ist frei, es besteht FFP2-Maskenpflicht.

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