Interview: Darum startet BHS-Corrugated ein eigenes Ukraine-Hilfsprogramm
Weiherhammer. BHS Corrugated unterhält geschäftliche Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland. Geschäftsführer Christian Engel schildert im Interview die Nöte von Mitarbeitern und Kunden vor Ort. Das Unternehmen organisiert Spenden, Hilfsgüter-Transporte und hilft Flüchtlingen bei Amtsgängen und der Wohnungssuche.
Herr Engel, sind ihre Geschäftsbeziehungen ein Grund dafür, dass Ihr Unternehmen gemeinsam mit der „Lars und Christian Engel“-Stiftung (LUCE) humanitäre Hilfe in der Ukraine leistet?
Engel: Ich denke, jeder, der diesen schrecklichen Krieg in der Ukraine tagtäglich ohnmächtig mitverfolgt, hat das Bedürfnis zu helfen. Als Unternehmer sind wir da erst recht gefordert. Wir haben deshalb schon sehr früh ein gemeinsames Organisationsteam aus BHS- und Luce-Stiftung gegründet, das Hilfs- und Spendenaktionen koordiniert – unter Einbindung der Gemeinde Weiherhammer und unseres polnischen Büros mit 20 Mitarbeitern.
Wieviel ist dabei schon zusammengekommen?
Zunächst hat die LUCE-Stiftung ein Spendenkonto für die Ukraine-Hilfe eingerichtet, auf das die Geschäftsführung der BHS Corrugated 250.000 Euro überwiesen hat. Damit können die Hilfsgüter und deren Transporte sowie Transfers und Unterkünfte für Flüchtlinge finanziert werden. Wir haben außerdem bereits einige Sammelaktionen für Hilfsgüter im Innovision Center durchgeführt.
Die Segerer Logistik GmbH aus Luhe-Wildenau, mit der wir zusammenarbeiten, organisiert den Transport an die ukrainische Grenze. Besonders freut mich das tolle Engagement einiger unserer Mitarbeiter, die mit geliehenen Transportern der Firma Segerer oder mit eigenen Privatfahrzeugen Hilfsgüter nach Polen fahren.
Sie sind auch in der Flüchtlingshilfe engagiert?
Wir versuchen, Wohnraum für Flüchtlinge zu organisieren. Die Hilfsbereitschaft unserer Mitarbeiter, die bereits private Zimmer und Wohnungen angeboten haben, ist wirklich herauszuheben. Sobald die Unterkunft gesichert ist, bringen wir Menschen von der Grenze zu uns in Sicherheit.
Viele Flüchtlinge, die bei uns ankommen, kommen nur mit der Kleidung am Leib und den Ängsten im Kopf. Wie wollen Sie Ihnen die Eingewöhnung erleichtern?
Auch für die Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben, die Begleitung bei Behördengängen oder zum Dolmetschen haben sich schon Mitarbeiter gemeldet. Wir nutzen außerdem das Know-how der LUCE-Stiftung im Bildungssektor, um einen Integrationskurs für Geflüchtete zu realisieren – allen voran für Mütter mit Kindern.
Während die Frauen Deutschkurse besuchen, erhalten die Kinder eine pädagogische Betreuung. Dabei arbeitet die Stiftung eng mit dem Landratsamt Neustadt und der Volkshochschule Weiden-Neustadt zusammen. Wenn alles wie geplant umgesetzt werden kann, starten die Kurse schon in wenigen Wochen.
Können Sie ukrainische Flüchtlinge bei Ihnen beschäftigen?
Die ukrainische Bevölkerung ist sehr gut ausgebildet, aber die meisten wollen – Stand jetzt – so schnell wie möglich zurück in ihr Land. Wir sind um jeden froh, der bei uns arbeiten möchte. Wir sollten nicht vergessen, dass wir nach dem Zweiten Weltkriegt unser Land auch mit der tatkräftigen Unterstützung von Millionen Flüchtlingen aufgebaut haben. Schauen Sie sich nur einmal meine Familiengeschichte an: Mein Vater wurde aus Mariendbad vertrieben, meine Mutter aus Breslau.
Sie haben Kunden in der Ukraine und in Russland sowie eine Serviceniederlassung in Moskau mit 15 Beschäftigten?
Wir haben in Russland 14 Wellpappenanlagen und die Serviceniederlassung in Moskau. Wir halten uns an alle Auflagen, wie die „dual use“- Prüfung, also die Kontrolle, ob Ersatzteile auch militärisch nutzbar sind. Wir haben unsere Serviceaktivitäten in Russland auf ein Minimum reduziert und nehmen keine weiteren Aufträge an. Im Moskauer Büro müssen wir uns an die Gepflogenheiten Putins halten.
Stehen Sie in Kontakt mit den Menschen dort – welche Rückmeldungen bekommen Sie?
Ja, natürlich. Die Mitarbeiter im Moskauer Büro haben Angst vor Repressionen. Die Fabrik eines Kunden in der Ukraine, die Firma Dunapack in der Region Lviv wurde zerbombt, da sind Menschen gestorben.
Deren Mitarbeiter haben auf den Sicherheitskameras gesehen, dass die russischen Soldaten als erstes die Essens- und Getränkeautomaten aufgebrochen und die Arbeitskleidung geplündert haben, um sich warm anzuziehen. Da sieht man, wie schlecht die russische Armee ausgerüstet ist.
Die russische Kriegsstrategie setzt wie zuvor schon in Tschetschenien oder Aleppo auf systematischen Terror gegen die Zivilbevölkerung wie in Butscha, Borodjanka oder Mariupol – das hatten wir die vergangenen Jahre ignoriert, jetzt ist es so nah, dass der Druck zu einem Embargo immer größer wird. Was würde das für Sie bedeuten?
Wir selbst haben schon ein paar Möglichkeiten auszuweichen. Unsere Energiezentrale funktioniert mit Gas und Öl – und Öl haben wir genug. Für die deutsche Volkswirtschaft wäre das aber ein Drama mit ungewissem Ausgang. Denken Sie an eine Verzinkerei, die gibt es ohne Gas nicht mehr. Zehn Prozent aller Maschinenteile sind aber verzinkt. Im Stahlwerk oder bei Flachglas würde die Produktion stillstehen und einige Anlagen kann man nicht herunterfahren, die wären dann kaputt.
Aber selbst, wenn es nicht zum Embargo kommt, könnte Putin den Gashahn abdrehen.
Für Putin ist es auch nicht so einfach, das Gas abzudrehen. Wenn er es allerdings tatsächlich machen sollte, haben wir keine Möglichkeit, das zügig zu ersetzen. Ein anderer Aspekt ist: Putin weiß, dass er auf Rohstoffen sitzt, die sich die Welt ökologisch nicht mehr leisten kann.
Wir wissen, dass wir, um den Temperaturanstieg unter 1,5 Grad zu halten, keine fossilen Brennstoffe mehr einsetzen sollten. Allerdings beziehen wir aus Russland nicht nur Energie, sondern eine große Zahl unersetzlicher Rohstoffe, Metalle und ein Drittel unserer seltenen Erden.
In der augenblicklichen Lage kann man sich schwer vorstellen, wie wir aus diesem Dilemma wieder herauskommen?
Schwer zu sagen, wie eine künftige Friedensordnung Europas aussehen könnte. Bisher haben wir daraufgesetzt, dass wirtschaftliche Verflechtungen Kriege unwahrscheinlicher macht, da ja alle Konfliktparteien wirtschaftliche Nachteile hätten. An dieser Logik hat kein Mensch gezweifelt. Diese Annahme hat sich jetzt selbst zerlegt. Die Frage ist, was unsere nächsten Annahmen sein werden.
Der Westen versucht bisher relativ erfolglos, eine weitere Annäherung von Russland und China zu verhindern. Denken Sie, dass eine Achse Moskau-Peking auch für Ihre China-Aktivitäten problematisch wäre?
Diese Annäherung bedeutet: Putin tanzt nach der Pfeife von Xi Jinping. Für China sind vor allem die USA, mit Abstrichen auch Europa wichtige Märkte. Deshalb hat das Reich der Mitte China kein Interesse an einer Konfrontation mit dem Westen.
Was ganz Europa noch nicht begriffen hat: China hat mit Beginn der eigenen Industrialisierung Afrika mit aufgebaut, weil es die dortigen Rohstoffe braucht. Vor 20 Jahren hat Peking das Seidenstraßen-Projekt in Angriff genommen, Merkel hat abgelehnt, daran teilzunehmen. Erstaunlich, denn alle Lieferwegen werden künftig darüber laufen.
Sie halten also nichts von Forderungen, man müsse auch die Abhängigkeit von China reduzieren?
2014 hat das chinesische Bruttosozialprodukt nicht pro Kopf, aber nominell das amerikanische übertroffen. In den USA leben rund 300, in der EU rund 450 Millionen Menschen. Die chinesische Bevölkerung ist annähernd doppelt so groß wie USA und EU zusammen. Der Wohlstandsabstand wird kleiner, der Machtabstand größer.
China hat es seit den 80er Jahren vollbracht, 300 Millionen Menschen über die UNO-Armutsgrenze zu heben. Das hat noch nie ein Land geschafft. Die Power, die in diesem Land steckt, ist ungeheuer.
Aber auch China ist ein Vielvölkerstatt, drohen außer der Diskriminierung der Uiguren nicht weitere innere Konflikte?
92 Prozent sind Han-Chinesen. China ist ein Land mit einer Politik, einer Partei, einer Kultur, einer Sprache. Das geografische Europa hat 47 Länder, ein Vielfaches an Sprachen und Dialekten, über 300 föderale Parlamente, 250 bis 300 Parteien. Die chinesische Kultur ist geprägt vom Denken Konfuzius‘, das riesige Land hat ein funktionierendes Staatswesen mit intaktem Sozialwesen.
Das Gesundheitswesen wird jedes Jahr besser. Wenn Sie daran denken, wie man Covid unter Kontrolle bekommen hat, auch wenn man nicht wie in Shanghai in einem dauernd verlängerten Lockdown leben möchte. Peking ist schwer aus der Ruhe zu bringen: Haben die US-Zölle die Chinesen gejuckt? Kein bisschen. Sie haben inzwischen wieder ein Wachstum von 8 Prozent.
Es gibt Kenner des Landes, die befürchten, Xi Jinping würde sich die Reaktion des Westens auf Putins Krieg sehr genau anschauen und in dessen Windschatten Taiwan heim ins Reich holen …
Ich hoffe und glaube es nicht. China ist kein kriegerisches Land, man macht das lieber wie in Hongkong: Mit einem allmählichen Regelbruch übernimmt man Stück für Stück die macht, obwohl man vertraglich geregelt hatte, den Stadtstaat 100 Jahre nicht anzufassen. Peking baut in den nächsten fünf Jahren eine Brücke nach Taipeh. So machen die das.
Wenn es in Korea ernst wird, fährt die Regierung 400.000 Soldaten an die Grenze – mit Panzern, die anders als bei uns, auch funktionieren. Dann gibt der Dicke in Pjönjang schnell wieder Ruhe. Die Taiwan-Frage ist vor allem dann eine latente Gefahr, wenn Amerika da ständig heimlich und öffentlich hinstichelt – und China in so eine Situation hineinredet, wie die Westmächte schon Putin in eine Ecke gedrängt haben.
BHS-Hilfsaktion: Spenden und Wohnraum
Wer die BHS- und LUCE-Hilfsaktion unterstützen möchte, kann sich mit Spenden, egal ob materiell oder monetär, einbringen. Vor allem Unterkünfte und Wohnungen, in denen Geflüchtete unterkommen können, werden gesucht. Bei Fragen kann man sich an das gemeinsame Orga-Team wenden: Telefon: (09605) 919-0, E-Mail: corporatecommunications@bhs-world.com
Spendenkonto:
Empfänger: LUCE Stiftung
IBAN: DE69 7532 0075 0034 5646 47
BIC: HYVEDEMM454
Bank: UniCredit Bank – HypoVereinsbank
Verwendungszweck „Spende Ukraine“
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