Jahn in Liga 2: Begräbt Braunschweigs vierter Sieg in Folge Regensburgs letzte Hoffnung?
Regensburg. Ratlosigkeit in den leeren Gesichtern: „Wenn wir wüssten, woran es liegt“, zuckt Christian Viet die Achseln. Der SSV Jahn torkelt nach dem direkten Aufstieg dem Ad-hoc-Abstieg entgegen. Eintracht Braunschweig dagegen kann am Samstag, 13 Uhr, den Klassenerhalt fast schon eintüten.

Gäbe es nur die Heimtabelle, könnten sich die Spieler des SSV Jahn fast schon entspannt zurücklehnen: Mit 21 Punkten rangieren die Oberpfälzer auf Rang 13 punktgleich hinter Schalke, vor Fürth und Magdeburg – mit einem komfortablen 5-Punkte-Vorsprung auf den Relegationsplatz, den der SSV Ulm belegt, 6 Punkte vor Münster und sogar 7 vor Heimschlusslicht Hertha BSC.
Alles Makulatur: Mit der unterirdischen Auswärtsbilanz macht sich das Team von Cheftrainer Andi Patz alles zunichte. „Wir gehen es an wie ein Heimspiel“, versuchte sich der glücklose Nachfolger von Joe Enochs vor dem vergangenen Null-Punkte-Auftritt beim FC Magdeburg in Zwecklos-Sarkasmus. Zu der Katastrophen-Statistik der Regensburger gesellt sich nach jedem Spieltag eine neue Ziffer in Rekordhöhe: 15 Gastspiele, null Siege, ein Unentschieden, 14 Niederlagen.
Dieser Logik zufolge könnte sich der SSV gegen die Eintracht, Auswärts-16. der zweiten Liga, nach zuletzt zwei Heimsiegen zwar eigentlich berechtigte Hoffnungen auf das Heim-Triple machen – wären da nicht drei Überraschungscoups der Braunschweiger in Serie: 3:2 gegen Paderborn, 4:2 beim HSV (!) und 2:0 gegen Kaiserslautern. Vor drei Wochen noch auf Schlagdistanz brachten die Niedersachsen (33 Punkte) in drei Spieltagen 11 Punkte zwischen sich und die Oberpfälzer.
15-mal gehört, 14-mal ist nichts passiert
„Wir haben uns viel vorgenommen, wollten den Schwung und das Selbstvertrauen aus dem Heimspiel natürlich mitnehmen und sind jetzt sehr enttäuscht, dass wir hier mit leeren Händen dastehen“, musste Patz nach dem Nullinger in Magdeburg einmal mehr zu Protokoll geben. Eigentlich könnte sich der Trainer die PK sparen, ein Statement vom Band für jedes Auswärtsspiel würde reichen.
„Natürlich haben wir uns auch was ausgerechnet, wollten was mitnehmen, haben uns unseren Plan auch erarbeitet in der Woche und, ja, sind mit einem sehr, sehr guten Gefühl hierhergefahren …“ 15-mal gehört, 14-mal ist nichts passiert. Dennoch meint der Trainer, man sei gut reingekommen in die Partie:
Und gehen, ja, wieder mal durch einen individuellen Fehler, den wir dann in der Box, wo wir einfach nicht dran sind, nicht gut weg verteidigen in Rückstand und laufen dann hinterher – und kriegen dann auch das zweite und das dritte Tor durch, ja, zu einfache individuelle Fehler. Jahn-Cheftrainer Andi Patz
Die Summe aller individuellen Fehler
Man könnte es auch einfacher formulieren: Die gesamten Auftritte, besonders in der Fremde, wo die bodenständigen Oberpfälzer offenbar besonders fremdeln, sind ein einziger riesiger kollektiver Fehler – die Summe aller individuellen Fehlentscheidungen, Stockfehler, technischen und auch psychologischen Defizite. Das Team ist in allen Mannschaftsteilen überfordert: In der Abwehr reichen einfache Bälle an der Linie und jede Flanke wird zum Hochsicherheitsrisiko.
Der Spielaufbau, sofern man das so nennen mag, endet entweder bei der dritten Station nach Fehlpass auf kurze Distanz – oder der lange Ball landet im Seitenaus, beim Keeper oder gleich hinter der Grundlinie. Standards werden nur dann gefährlich, wenn sich ein gegnerischer Abwehrspieler einen Bock leistet. Und das Pressing ist meist so halbherzig, dass sich der angelaufene Verteidiger drei freie Stationen aussuchen kann.
Angst nehmen, Beine machen: Fehlanzeige
Vielleicht hätte die Mannschaft nach einigen Erfolgserlebnissen eine Chance gehabt – aber auch nach den glücklichen Heimsiegen hatte man nie den Eindruck, dass ein Team auf dem Rasen steht, das an sich glaubt, das für den Klassenerhalt brennt – motiviert bis in die Haarspitzen. Vielleicht ist es wirklich so einfach: Angst lähmt die Beine. Aber dann müsste ihnen jemand diese Angst nehmen und Beine machen. Das ist nicht gelungen. Leider!
„Und laufen dann halt, ja, einfach dem 2:0 und dem 3:0 hinterher“, beschreibt Patz das Offensichtliche. „Und haben dann auch gemerkt, dass es einfach mit jedem Gegentor auch schwerer wurde, noch mal reinzukommen, noch mal zurückzukommen – und die Momente, die wir uns erarbeitet haben, gerade auch im hohen Pressing, spielen wir dann nicht gut aus, kommen dann einfach nicht konsequent genug Richtung Tor.“ Das klingt alles nicht nach Plan und Rezept. Eher nach: „Wir haben fertig!“
Geballte Rat- und Mutlosigkeit
Geballte Rat- und Mutlosigkeit also nach dem erneut blutleeren Auftritt beim 0:3 in Magdeburg, bei dem Innenverteidiger Florian Ballas zwar in der ersten Hälfte gute Ansätze in der Restverteidigung entdeckt zu haben meinte – da dürfte aber eher der Wunsch Vater hinter der rosaroten Jahn-Brille gewesen sein: Zwar gingen die Regensburger mit einem aufholbaren 0:1 in die Kabine, aber nach etlichen Patzern vor allem auf der rechten Abwehrseite auch das schon schmeichelhaft – und von dem erhofften und dringend benötigten ersten Auswärtssieg meilenweit entfernt.
Die Konsequenz: Selbst eine weitere positive Heim-Überraschung gegen das einzige Team, dem Regensburg auswärts in dieser Saison einen Punkt abtrotzen konnte, würde dem Schlusslicht im Keller kaum weiterhelfen. Es bräuchte schon eine sensationelle Serie in den verbleibenden Spielen in Köln, gegen Karlsruhe und in Darmstadt, um den Hauch einer Chance zu wahren, die sechs Punkte auf Münster noch aufzuholen. Minimaler Trost für die Oberpfälzer: Auch der SSV Ulm (2:3 gegen Hertha) und Preußen Münster (1:3 in Köln) verloren ihre Parallelpartien.
Gegnercheck: Eintracht Braunschweig – Löwen im Höhenflug
Drei Siege gegen die Topteams Paderborn, HSV und Kaiserslautern haben die Eintracht mit einem satten Satz aus dem Tabellenkeller befördert. Mit einem weiteren Dreier in Regensburg wäre der Klassenerhalt fast schon fix. Doch ausgerechnet beim Schlusslicht muss Eintracht-Coach Daniel Scherning umbauen – drei Leistungsträger (Tempelmann, Bell Bell, Jaeckel) fehlen gelbgesperrt.
Vor allem der Ausfall von Topscorer Lino Tempelmann (6 Tore in 13 Spielen) wiegt schwer. Seine Kreativität soll nun ein Trio ersetzen – darunter Fabio Kaufmann und Kevin Ehlers, die selbst auf Sperr-Kante stehen.
Seit der Umstellung auf ein kompaktes 5-3-2 nach dem 1:5-Debakel gegen Hertha spielt die Eintracht abgeklärt und effizient: weniger Ballbesitz, mehr Konter, deutlich mehr Tore – 3,0 statt zuvor 0,93 im Schnitt. Auch defensiv ist der BTSV stabiler, Gegentore aus Standards oder Kontern? Fehlanzeige.
Laut Datenanalysen sank die Abstiegswahrscheinlichkeit auf 1 Prozent, für die Relegation liegt sie bei 6 Prozent. Oder anders gesagt: Ein Dreier in Regensburg, und die Sektkorken knallen an der Oker.
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