Jahn in Liga 2: Eine Fußball-Welt trennt das Schlusslicht vom Spitzenreiter HSV

Regensburg. Zahlen, Fakten und Daten im Vergleich sollten sich die Regensburger Spieler vor dem Duell Schlusslicht SSV Jahn gegen Spitzenreiter HSV besser nicht zu Gemüte führen. Das kann nur deprimieren. Die Devise muss lauten: „Wir haben keine Chance, aber die nutzen wir!“

Da konnte Christian Viet (rechts) bei der 0:5-Hinspiel-Klatsche noch auf ein Remis hoffen: Schiri Robin Braun sah dann aber Dominik Kothers großen Zeh beim vermeintlichen 1:1 beim HSV im Abseits. Foto: jrh

Als Mutmacher haben wir oft das fußballzwerghistorische 5:0 im Hamburger Volksparkstadion aus dem Jahn-Cappy gezogen: Das lassen wir diesmal stecken, hat schon lange kein Glück mehr gebracht. Der direkte Vergleich der zwei ungleichen Gegner macht es nicht besser.

Die ehemals unabsteigbaren, inzwischen unaufsteigbaren Hanseaten reisen mit dem vierfachen Kaderwert ins Regensburger Jahn-Stadion: Mit 43,85 Millionen Euro ist der HSV hinter Hertha (53,23) und Köln (61,95) die Nummer 3 in Liga 2. Die Regensburger Discounter-Mannschaft rangiert mit ihrem 11,65-Millionen-Euro-Team auf demselben Listenplatz wie auch in der Liga: Tabellenführer von hinten. Dass die Letzten die Ersten sein werden, gilt wohl weiter nur in der Bibel.

Dass sich dagegen gleich beide Regensburger Trainer am Sonntag, 13.30 Uhr, unter die Zuschauer im erstmals ausverkauften Stadion an der A3 mischen müssen, sollte kein gravierender Nachteil sein. Die Impulse von der Trainerbank hielten sich bisher in Grenzen – schließlich gilt Andi Patz nicht gerade als dänischer Vulkan wie der Kollege Bo Henriksen.

Innenraumverbot für Cheftrainer Patz & Co.

Umso verwunderlicher, dass Schiedsrichter Florian Lechner auch noch dessen Co-Trainer Oliver Seitz nach dem verlorenen 1:2 bei der SpVgg Fürth mit Rot sanktionierte – beide sind für das Sonntag-Spiel mit einem Innenraumverbot belegt. Laut DFB-Mitteilung habe Seitz dem Schiedsrichterassistenten mehrmals mit dem Zeigefinger auf Brust und Schulter getippt. Autsch! Dafür muss er on top eine Geldstrafe von 1000 Euro blechen.

„Nach meiner Roten Karte war ich beim Schiedsrichter, um die Situation mit ihm zu klären“, beschreibt Patz seinen Fauxpas. „Es gab keine Beleidigung, sondern es bezog sich auf mein zu energisches Verlassen der Coachingzone.“ Für den Jahn-Trainer unverständlich, „weil auch mein Kollege Jan Siewert das getan und nur die Gelbe Karte gesehen hat“. Eine Kommunikation mit dem Schiedsrichter habe während des gesamten Spiels nicht stattgefunden.

Fingerspitzengefühl habe ich nicht wirklich wahrgenommen, es geht hier schließlich um sehr viel. Jahn-Trainer Andi Patz

Beierlorzer: „Müssen seriöser verteidigen“

Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer sucht indes die Fehler für den Nackenschlag bei den Franken in den eigenen Reihen: „Wir müssen uns heute vorwerfen, wie wir die Gegentore verteidigt haben.“ Beide hätte man im Vorfeld vereiteln können. „Dennoch hat die Mannschaft Moral gezeigt und sich in das Spiel gekämpft und hatte am Ende mit dem geblockten Schuss von Noah Ganaus noch die Chance auf den Ausgleich.“

Das sei von der Einstellung her schon in Ordnung gewesen: „Allerdings müssen wir es einfach seriöser verteidigen.“ In weiten Teilen hätte man dennoch ein gutes Spiel gezeigt, sei auch mit einem toll herausgespielten Treffer in Führung gegangen.

Jedoch hat die Wucht der Fürther ausgereicht, dass wir dann in Rückstand geraten. Das müssen wir uns ankreiden lassen. Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer

Adamyan: „Wir verlieren nicht unseren Glauben“

Auch Führungstreffer-Schütze Sargis Adamyan identifiziert Schwächen in der Defensive: „In der ersten Hälfte sind die Fürther zu leicht in die Nähe unseres Strafraums gekommen.“ Er verweist auf die viele Eckbälle gleich in den ersten zehn Minuten. „Wir müssen am Ende trotz der Führung griffiger in unseren Duellen sein, damit die Gegentore nicht so leichtfallen.“

In der zweiten Hälfte hätten seine Kollegen trotz des Rückstands noch einmal alles versucht – was sich den geneigten Zuschauern freilich nicht ganz erschließt, zumal die Oberpfälzer außer Noah Ganaus Großchance wenig vorzuweisen hatten. Aufgeben gibt’s für den armenischen Nationalkicker natürlich trotzdem nicht: „Wir verlieren nicht unseren Glauben und müssen weiterhin Tag für Tag unsere Aufgaben erledigen – dann werden wir sehen, was am Ende dabei rauskommt.“

Suhonen kann schon oberpfälzisch

Mit gemischten Gefühlen dürfte Anssi Suhonen dem Wiedersehen mit seinen früheren Mannschaftskollegen nach acht Jahren an der Elbe entgegensehen: „Ich habe bei den HSV-Profis nicht mehr gespielt“, erklärt der finnische Nationalspieler (8 Einsätze) den Wechsel vom Aufstiegs- zum Abstiegsaspiranten in der Winterpause. „Ich durfte nur noch in der vierten Liga ran, das war mir zu wenig.“ Das letzte halbe Jahr sei mental hart für ihn gewesen. „Ich wollte mich verändern und wieder mehr spielen“, sagt Suhonen, „sonst wird es schwierig mit der Karriere.“

In der UNESCO-Welterbe-Stadt fühlt sich der Skandinavier schon ein wenig dahoam: „Ich habe eine schöne Wohnung, nur zehn Gehminuten vom Zentrum gefunden.“ Die Rengschburger seien sehr nett und das Oberpfälzisch habe er auch schon a bissl drauf. Trotz sechs Punkten Abstand zum rettenden Ufer (Münster, 20 Punkte) denke er nicht an den Abstiegskampf:

Ich will den Druck nicht an mich herankommen lassen. Klar ist aber auch, dass wir Spiele gewinnen müssen. Anssi Suhonen

Auf seiner Homepage skizziert der HSV im Faktencheck zum Spieltag rosige Aussichten für die Mannschaft mit der Raute:

Auswärtsfluch gegen Aufsteiger gebannt:  Mit dem 2:1-Last-Minute-Sieg in Münster gewann der HSV am vergangenen Spieltag erstmals seit Juli 2022 (damals 2:0 bei Eintracht Braunschweig) wieder auswärts bei einem Aufsteiger. Immerhin warnen die kühlen Hanseaten. „Dass das kein Selbstläufer wird, zeigt ein Blick auf die Bilanz der Oberpfälzer im heimischen Jahnstadion: Dort feierten sie mit lediglich 6 Toren bereits 4 Siege und holten insgesamt starke 13 Punkte – Platz 12 der Heimtabelle.“

HSV peilt 6. Sieg gegen den Jahn in Folge an: Der HSV habe die vergangenen 5 Punktspiele gegen Regensburg gewonnen, das Hinrunden-Duell gleich mal mit der Rache für die Schmach von 2018 mit 5:0 (2:0). In 11 Duellen haben die Hamburger in der 2. Bundesliga 30 Tore gegen Regensburg erzielt, mehr als gegen jeden anderen Club. Für die letzte Niederlage muss man sogar zehn Spiele zurückblättern. Nur die ersten beiden Partien der Saison 2018/19 – 1:2 in Regensburg sowie die höchste Zweitliga-Niederlage mit 0:5 in Hamburg – stehen auf der Oberpfälzer Haben-Seite.

Masken-Schreckgespenst Selke: Davie Selke präsentiert sich nicht nur wegen seines Doppelpacks in Münster in bestechender Form. Der 30-jährige Mittelstürmer, seit der Saison 2014/15 bei den Hanseaten, hat mit 13 Toren bereits seine persönliche Saison-Bestmarke geknackt und rangiert auf Platz 2 der Torjägerliste hinter Magdeburgs Martijn Kaars (15). Selke trifft alle 90 Minuten und ist damit unter den Top-15-Torjägern der effektivste Goalgetter. Sein Saison-Premierentor glückte Selke natürlich im Hinrundenspiel gegen den Jahn – als er zum zwischenzeitlichen 4:0 einköpfte. 

Trainer-Lehrgänge verbinden:  HSV-Cheftrainer Merlin Polzin und Co-Trainer Loïc Favé drückten zusammen mit Regensburgs Trainer Andreas Patz die 70. Pro-Lizenz-Lehrgangsbank des DFB im vergangenen Jahr.

Suhonen traf gegen den Jahn doppelt: HSV-Leihspieler Anssi Suhonen kam bis dato 3-mal zum Einsatz für die Regensburger, zweimal in der Startelf. Für Hamburg, wo er den Sprung von der Jugend in die Profi-Elf schaffte, absolvierte der 24-jährige Mittelfeldspieler 48 Zweitliga-Spiele. Seine bislang einzigen zwei Treffer gelangen dem finnischen Nationalspieler gegen den SSV Jahn.

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