Jahn in Liga 3: Kein Hauch von Fernduell-Krimi gegen cooles Saarbrücken
Regensburg. Von wegen, direkter Aufstieg: Die Hoffnung ist nach acht Minuten so gut wie passé. Der SSV Jahn liegt gegen Saarbrücken zurück, Münster führt gegen Unterhaching. Am Ende muss Regensburg als Tabellen-18. der Rückrundentabelle in die Relegation.
Klar beschwört Jahn-Trainer Joe Enochs das Gesamtbild, die zu Beginn unerwartet schnelle Entwicklung der neu zusammengewürfelten Mannschaft, die famose Serie. Klar wünscht sich der sonnige Kalifornier auch eine positive Würdigung: „Wir hören immer diese Negativität, ich glaube, Saarbrücken würde gerne mit uns tauschen.“
Aber als umgekehrter Kästner muss man auch mal fragen dürfen: Wo bleibt die Selbstkritik am Rückrunden-Desaster? 42 Punkte in der Hinrunde, 21 in der Rückrunde, acht Niederlagen. Der letzte Sieg: das 3:1 in Münster. Der Moment, in der die Oberpfälzer noch alles selbst in der Hand hatten. Was folgte: ein Spiel schlechter als das andere. Der Tiefpunkt: ein sang- und klangloses 1:3 bei Schlusslicht Freiburg II, ein mühsames 1:1 bei müden Kölnern. Und im heutigen Endspiel?
Furios startet nur der FCS
Da ist sie noch einmal, die unerwartet letzte Chance auf den direkten Aufstieg, weil Münster in Verl Nerven gezeigt hatte und Hachings Trainer Marc Unterberger verspricht: „Wir werden in Münster nochmal alles raushauen, und dann muss Münster schon selber viel gut machen, wenn sie direkt aufsteigen wollen.“ Was erwartet der einfach strukturierte Fan also von seinem SSV gegen einen Gegner, der selbst nicht mehr so recht daran glaubt, Platz 4 und die DFB-Quali erreichen zu können?
Ich hätte mir eine Mannschaft gewünscht, die beim Anpfiff mit Messern zwischen den Zähnen in den Startblöcken hockt, losrennt, den Gegner unter Druck setzt. Was bekommen die Regensburger Fans: Einen 1. FC Saarbrücken, der in den ersten acht Minuten zwei Großchancen hat. Und nach einem Eckball, den die Regensburger wie so oft in den vergangenen Wochen nicht aus der Box bekommen, die Gäste-Führung.
Fernduell: Nach acht Minuten ist alles vorbei
Von der Brust des abermals unglücklichen Oscar Schönfelder prallt der Ball vor die Füße von Simon Stehle, der die Kugel unter die Latte drischt, 0:1 (8.). Es sollte das einzige Tor des Spiels bleiben, weil die Oberpfälzer, wenn überhaupt, über fast die gesamte Spieldauer allenfalls kopflos anrennen. Von einer Spielidee ist wenig bis nichts zu sehen. Treppenwitz: Zu diesem Zeitpunkt führt Münster bereits seit vier Minuten – wenig später machen die Preußen endgültig den Deckel drauf.
„Natürlich waren wir zu Beginn nicht im Spiel“, räumt Enochs ein, „wir haben Torchancen zugelassen, klären den Eckball und dann stehen wir zu weit weg vom Mann, bekommen das Gegentor.“ Danach habe man gesehen: „Dass die Beine schwer wurden und wir nicht so präsent waren.“ Bei allem – völlig ernst gemeinten – Respekt: Erst sind wir im entscheidenden Finish der Saison nicht im Spiel – um dann nach acht Minuten „schwere Beine zu bekommen“? Echt jetzt?
Joe sieht nur das Positive
Und wie nicht anders zu erwarten, folgt anschließend ganz schnell das Lob für die tadellose Einstellung: „Trotzdem kommt die Mannschaft in der zweiten Halbzeit raus – ich habe sie außer dem Wechsel von Elias gleich gelassen“, erklärt Enochs, „und da war eine etwas andere Präsenz auf dem Platz – davon leben wir.“ Wie sah diese Präsenz denn aus?
Dominik Kother, wie alle Hoffnungsträger bei weitem nicht mehr so stark wie in der Hinrunde, aber noch immer der hellste Lichtblick in einem Team von Schatten ihrer selbst, lässt vor dem 16er ein paar Saarländer hinter sich und schlenzt die Kugel knapp vorbei (46.). Eine Minute später versucht er es noch einmal von der Strafraumgrenze, rutscht weg, der Ball ebenfalls ein Regal nach oben (47.). Dann muss der hin und wieder wenig sattelfeste FCS-Keeper Tim Paterok gegen Noah Ganaus‘ Abschluss aus spitzem Winkel zur Ecke klären. Schließlich köpft Rasim Bulic eine Ecke drüber (49.).
Gebhardt hält den Jahn im Spiel
Fünf Minuten Pulverdampf der Regensburger Offensive, der bald wieder verraucht. Saarbrücken muss nicht viel mehr machen, als die knappe Führung geschickt verwalten und ab und zu Nadelstiche zu setzen – die allesamt gefährlicher sind, als alles, was der Jahn im gegnerischen Strafraum produziert. Allein Jahn-Keeper Felix Gebhardt hält den SSV überhaupt im Spiel.
Doppelpass zwischen Amine Naifi und Patrick Sontheimer, der allein vor Gebhardt auftaucht: Der U23-Nationalkeeper rettet mit Geniestreich (64.). Der aufbrausende Tim Civveja, der sich mit halber Tätlichkeit gegen Kother eigentlich einen Platzverweis verdient hätte, auf Lukas Boeder, der zu Stehle durchsteckt: Wieder ist Gebhardt im Eins-gegen-eins nicht zu überwinden: Boeder bringt das Kunststück fertig, den Abpraller übers unbekeeperte Tor zu köpfen (72.).
Saarbrücken näher am 3:0, als der Jahn am 1:1
Wir sagen’s ungern, aber da liegt der Gäste-Trainer mit seiner Einschätzung einfach näher an der Wirklichkeit: „Ein Spiegelbild der gesamten Saison“, hat FCS-Coach Rüdiger Ziehl beobachtet, „wir haben richtig gut angefangen, hatten vorher schon Chancen, belohnen uns mit dem Führungstreffer – und müssen dann in der zweiten Halbzeit das 2:0, 3:0 nachlegen, dann ist es einfach komplett entspannt.“
Und da hat er die zwei Großchancen vor der Führung noch gar nicht mit gezählt: Schon in der dritten Minute kann Calogero Rizzuto nach Kasim Rabihic‘ präziser Vorlage mit Volley-Abnahme knapp neben den linken Pfosten die Regensburger schocken. Fünf Minuten später fühlt sich kein Regensburger bemüßigt, den Münchener Italiener am Schuss kurz vor der Strafraumkante zu behindern, Gebhardts kleiner Finger und der rechte Pfosten sind dem Führungstor noch mal im Weg (8.).
Saarbrücken fehlen drei Punkte auf Platz 3
Das Spiel fasst am Ende der ehemalige Ingolstädter Marcel Gaus, der nach 116 Drittliga-Einsätzen und dem Siegtor im Pokalkracher gegen Bayern (90 + 6) das Saarbrückener Trikot an den Nagel hängt: „Wir haben verdient gewonnen, waren klar die bessere Mannschaft, haben nichts zugelassen, hatten zig Chancen, alles gut.“ Zumindest er gehe jetzt mit einem sehr positiven Gefühl nach Hause: „Ich freue mich, dass ich so lange dabei sein durfte.“
Am Ende ist der Pokal-Halbfinalist dann doch etwas traurig, die Saison mit drei Punkten hinter dem Relegationsplatz abzuschließen. „Der Pokal hat Körner gekostet“, erklärt Rüdiger Ziehl. „Gegen Bayern München haben wir zwei Spiele vorher, zwei Spiele nachher, drei Niederlagen, ein Unentschieden. Das hat einfach Punkte gekostet.“ Und auch das letzte Spiel sei ein Spiegelbild der gesamten Saison: gut angefangen, aber die Chancen nicht konsequent zu Ende gespielt.
Was macht Mut für die Relegation gegen Wiesbaden oder Rostock?
Nach den trostlosen Auftritten der vergangenen Wochen dürfte die unfreiwillige Saison-Verlängerung kein Zuckerschlecken für die lange, lange wenig verwöhnten Jahn-Fans werden. Der Gegner am 24. und 28 Mai, jeweils 20.30 Uhr, heißt: Wehen-Wiesbaden, die nochmal kurzfristig den Trainer gewechselt haben, oder Hansa Rostock mit Jahn-Urgestein Mersad Selimbegovic als Coach.
Was berechtigt zum letzten Fünkchen Hoffnung, dass der Jahn – anders als gegen Freiburg, Köln, Saarbrücken, Dresden, Ulm oder auch 1860 – gegen die Wackelkandidaten der Zweiten Liga mit mehr Mut, Selbstvertrauen und Willen zum Sieg auf den Platz marschiert? „Es geht darum, nach vorne zu schauen, egal ob gegen Wehen-Wiesbaden oder Rostock, alles reinzuhauen“, sagt Jahn-Trainer Joe Enochs. „Das sind wir uns selber schuldig.“ Wir hören die Worte, wie schon so oft, allein, mir fehlt der Glaube.
Ach, wie gerne würde ich mich überzeugen lassen – nie wäre ich lieber im Unrecht. Kann uns Dominik Kother mehr Mut machen? „Klar sind wir enttäuscht, wir wollten das Spiel gewinnen.“ Im Endeffekt sei der direkte Aufstieg dann ohnehin in Münster entschieden worden. „Jetzt heißt es einfach nach vorne zu schauen, die Woche nochmal gut trainieren und in die Relegation gehen.“
Ja, davon gehen wir aus. Und sonst so? „Die Stimmung in der Mannschaft ist trotz allem noch positiv. Wir haben nichts zu verlieren.“ Doch, habt ihr, eine ganze Menge sogar. Die Chance auf Zweite Liga, HSV und Schalke, deutlich mehr Fernsehgelder und die vorprogrammierte Enttäuschung mit der Leistung der vergangenen Monate in der kommenden Drittliga-Saison eher gegen den Abstieg als um den Aufstieg zu spielen.
Also nochmal, wie können wir es noch packen? „Wir haben trotzdem eine gute Saison gespielt. Ich glaube, es hätte keiner gedacht, dass wir am Ende auf Platz 3 stehen.“ Ja, das wissen wir, Joe hat es erwähnt. Dennoch sind 21 Punkte in der Rückrunde kein Grund, auf den Tischen zu tanzen. „Ich hoffe“, legt Kother nach, „dass es im ersten Spiel ein ekliger Kessel für Wiesbaden wird – oder Rostock.“
Ok. Damit können wir arbeiten: Auf die Hans-Jakob-Tribüne ist tatsächlich Verlass. Ob nach der Tristesse in Freiburg, Köln oder heute nach Saarbrücken: Die gesamte Stehtribüne – nomen est omen – steht wie ein Mann hinter der Truppe. Während die elf Jungs am Platz die Köpfe hängen lassen, feuern die Fans ihre armen Looser an, als hätten sie gerade erst die Relegation safe gemacht. Diese Nibelungentreue muss belohnt werden – und wenn es die zwei letzten starken Auftritte dieses Teams sind, das wohl so oder so wieder einen heftigen Relaunch erleben wird.
* Diese Felder sind erforderlich.