Konjunktur in der Region driftet auseinander

Nordoberpfalz/Regensburg. Bei der Geschäftslage in der Region spalten sich die Branchenangaben deutlich: „Industrie und Bauwesen stabilisieren die Gesamtlage bei der regionalen Konjunktur. Gleichzeitig spitzt sich die Lage in den besonders stark vom Lockdown betroffenen Branchen zu“, warnt der Präsident der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim Michael Matt angesichts der regionalen Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn.

Der Lockdown dauert immer länger. Die Lage bei vielen der von Schließungen betroffenen Unternehmen ist bitterernst. „Die Betriebe brauchen jetzt Liquidität, da ihnen sonst die Luft ausgeht. Die staatlichen Finanzhilfen sollen schnell und nicht tröpfchenweise ankommen und der Zeitraum für den Verlustrücktrag muss deutlich in die Jahre vor der Krise – mindestens zwei, besser noch drei Jahre – ausgeweitet werden. Bei alledem muss die Politik der Wirtschaft eine breite Öffnungsperspektive aufzeigen, sagt Jürgen Helmes.

Insolvenzen drohen

Insgesamt gesehen zeigt sich eine Seitwärtsbewegung bei der Gesamtkonjunkturkurve. In Tourismus, Hotellerie- und Gaststättengewerbe sowie dem Handel jedoch bricht die Geschäftslage massiv ein. „Der zweite Lockdown würgt in den geschlossenen Betrieben den seit letztem Herbst begonnenen Aufholprozess ab. Im Fahrwasser dieser Unternehmen meldet uns auch ein Viertel der Dienstleister eine schlechte Lage“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes.

Vor allem bei den Tourismusbetrieben in der Region werde die Luft dünner. 41 Prozent melden mittlerweile eine schlechte Liquidität, ein Drittel der Betriebe sieht sich von Insolvenz bedroht. Die Hälfte der Einzelhändler in der Region meldet der IHK eine schlechte Geschäftslage, die auch von Click&Collect nicht abgefangen werden könne. „Immerhin können die betroffenen Händler über Click&Collect ihre Stammkunden an sich binden“, beobachtet Helmes.

Industrie rettet die Gesamtlage

Es gibt auch Lichtblicke: „Gleichzeitig gewinnt seit Ende 2020 die Inlands- und Auslandsnachfrage in der Industrie wieder an Fahrt, und dass die Baustellen nicht stillstehen, wirkt sich positiv auf die Geschäftslage im Bauwesen aus“, so Helmes. In der Industrie ist eine leichte Belebung des Exportgeschäfts bereits seit Herbst 2020 spürbar.

Dabei wird der Auftragsanstieg überwiegend der Eurozone, China und der übrigen Asienregion zugeschrieben. Steigerungspotenzial im Export sehen die Betriebe vor allem im Chinageschäft. Dass sich das Vertrauen in das internationale Geschäft wieder etwas festigt, zeigen die Planungen zu Auslandsinvestitionen: die Angaben dazu nähern sich dem Vorjahreswert aus 2020 vor der Pandemie. Der Machtwechsel in den USA spiegelt sich derzeit nicht in den Exporterwartungen wider.

Kurzarbeit, Mehrkosten und fehlende Neukunden

Zusätzlich zu den Absatzschwierigkeiten belasten höhere Kosten durch die CO2-Steuer über alle Lieferketten hinweg sowie Personalausfälle die Betriebe. Aufgrund der fehlenden Messen und persönlichen Vertriebsgespräche sowie bedingt durch den eingeschränkten Reiseverkehr werden Geschäftsneuanbahnungen immer schwieriger. Forderungsausfälle insolventer Kunden oder Lieferanten liegen bei zehn Prozent der Befragten über dem üblichen Rahmen. Mit Ausnahme der Baubranche könnte sich das nach Angaben jedes fünften Unternehmens in den nächsten Monaten verschlechtern.

Laut IHK-Umfrage kann dank der weitreichenden Kurzarbeiterregelungen die Beschäftigung in der Region noch weitestgehend gehalten werden. Vor Fluktuationen der Mitarbeiter indes schützt das nicht. Vor allem Hotellerie und Gaststätten droht nach der Pandemie ein Fachkräfteengpass, weil Mitarbeiter sich während des Lockdowns umorientieren.

Perspektiven aus dem Lockdown

Die Erwartungen zeigen ein breites Spektrum von verhaltenem Optimismus hin zu dunkelroten Ampelsignalen. Die Anzahl der Optimisten für 2021 hält sich mit 32 Prozent auf dem Herbstniveau. Von Nachholeffekten nach Lockerungen können nicht alle Branchen profieren. Die durch die befristete Mehrwertsteuersenkung vorgezogenen Investitionen und Käufe fehlen zudem in den Auftragsbüchern 2021. „Die Umsatzprognosen für dieses Jahr zeigen starke Unterschiede in den Branchen, die stärksten Rückgänge erwarten Tourismus und Handel. Unter Berücksichtigung der aktuellen Lage zum Jahresbeginn prognostiziert dagegen ein Drittel der Industriebetriebe Umsatzsteigerungen“, sagt IHK-Präsident Michael Matt.

Die Forderungen nach besseren wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen steigen, gleichzeitig werden diese von 56 Prozent der Befragten als Risikofaktor gesehen. „Der drängendste Appell der regionalen Wirtschaft gilt einem planbaren und umsetzbaren Szenario zur Lockerung der Pandemiemaßnahmen“, fasst Matt zusammen. Umfassende Informationen sowie der Blick in die einzelnen Branchen unter www.ihk-regensburg.de/konjunkturbericht

Videostatement von Dr. Jürgen Helmes

Regionale Stimmen

Tourismus: Stammkunden retten

Thomas Gruber ist mit seiner Agentur „green apple – Vorsprung für Gastgeber“ seit 2009 als Dienstleister für die Hotel- und Gaststättenbranche tätig. Der Branchenkenner unterstützt seine Kunden vor allem im Marketing, bei Konzeptionen, Mitarbeiterschulungen und der Führungskräfteauswahl. „Angesichts der unsicheren Corona-Situation hält die Gastgeberbranche verständlicherweise das Geld zusammen. Es fehlt die Verlässlichkeit, wie es mit dem Geschäft weitergehen kann.“ So seien für Gruber Neukundentermine aktuell kaum zu realisieren, trotz umfassender Akquisetätigkeiten, die vor der Corona-Krise aufgrund ausreichender Nachfrage noch nicht notwendig waren. 

Doch immerhin: „Unsere Stammkunden halten uns die Treue. Sie nutzen die Zeit, um sich für die Digitalisierung fit zu machen.“ Im Tagesgeschäft vor der Corona-Pandemie sei bei den Hoteliers und Gastronomen oft nur wenig Zeit für neue Homepages, Online-Buchungssysteme oder neue Wege der Kundenansprache vom E-Mail-Marketing über digitale Gästemappen bis hin zu Social Media und Influencer-Kampagnen gewesen. „Jetzt werden wir digitaler beim Kunden“, bewertet Gruber seine Aktivitäten, um der Krise noch etwas Gutes abzuringen.

Mit Kreativität durch die Durststrecke

Er selbst fiel bei den November- und Dezemberhilfen durchs Förderraster, weil er anstelle der erforderlichen 80 nur 70 Prozent Umsatz am HOGA-Gewerbe macht. Der Rest kommt aus anderen Branchen, wo beispielsweise Servicestandards aus der Hotellerie in komplett andere Bereiche übertragen werden, wie erst kürzlich in eine sehr „gästeorientierte“ Zahnarztpraxis.

Gruber lässt sich nicht unterkriegen und überbrückt mit Kreativität die Durststrecke: „In den letzten Monaten haben wir für unsere Kunden auch neue Online-Shops implementiert für Gutscheine oder hauseigene Produkte bis hin zur Online-Essensbestellung. Wir helfen ihnen auch bei der Neuausrichtung, zum Beispiel weg vom Business- und Tagungsgeschäft hin zu mehr Leisure- und Gesundheitstourismus.“

Industrie: Chancen durch Corona

Auch Ludwig Zollner, Sprecher des Vorstands der Zollner Elektronik AG, sieht Einbußen durch die Coronakrise. „Wir liegen mit dem Unternehmensergebnis zwar nicht ganz im Plan, aber dennoch zeigen sich positive Entwicklungen. Unsere breite Branchenaufstellung hat uns geholfen, uns in der Krise zu stabilisieren.

Die Nachfrage hat sich inzwischen wieder eingependelt, sowohl dort, wo es Ausschläge nach unten gab wie zum Beispiel in der Automobilbranche, als auch da, wo es einen sprunghaften Anstieg gegeben hat wie etwa in der Medizintechnikbranche. Lediglich die Luftfahrt ist noch immer in Mitleidenschaft gezogen.“ Das Unternehmen fahre wo nötig auf Sicht und plane gleichzeitig langfristig. „Wir werfen derzeit noch öfter einen Blick auf die Zahlen als früher, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Weil wir aber Leistungen anbieten, die einen langen Vorlauf haben, etwa die Entwicklung und Industrialisierung von Produkten, müssen wir gleichzeitig mit Weitblick planen.“

Mehr Digitalisierung

In der Pandemie habe das Unternehmen selbst eine Entwicklung durchlaufen. „Obwohl wir bereits sehr lange auf digitale Prozesse setzen hat uns die Corona-Krise gezeigt, dass wir noch mehr Digitalisierung brauchen.” Das Unternehmen habe in den vergangenen Monaten davon profitiert, stets einen guten Überblick über die aktuelle Produktionssituation zu behalten.

Das werde man nun noch weiter intensivieren. Darüber hinaus hätten sich das mobile Arbeiten und die digitalen Kommunikationskanäle in der Krise bewährt. „Der persönliche Kontakt mit unseren Kunden, Lieferanten und Partnern ist für uns ausgesprochen wichtig. Er wird sich in Zukunft mit den digitalen Kontaktmöglichkeiten vereinen, die im letzten Jahr ihre Vorteile bewiesen haben.“

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