Krankenhaus Tirschenreuth profitiert von KVB-Bereitschaftsdienst
Tirschenreuth. Das Beste aus der schwierigen finanziellen Situation der Kliniken zu machen, war Ziel eines Treffens von Landrat Roland Grillmeier, KVB-Chef Christian Pfeiffer und BKG-Vize Andreas Diehm. Im Fokus: die bessere Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung sowie Rezepte gegen den Facharztmangel.
Die drei Herren, die sich im Landratsamt Tirschenreuth trafen, sind keine Fans von Karl Lauterbachs Plänen, die Krankenhaus-Landschaft in Deutschland auszudünnen. Noch ist nicht absehbar, was das Ampel-Aus für die Krankenhausreform des noch amtierenden Bundesgesundheitsministers bedeutet.
Aber eines ist Landrat Roland Grillmeier, Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB), und Andreas Diehm, stellvertretender Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) schon heute klar: Die Wahrscheinlichkeit, dass die nächste Regierung mehr Geld in das System pumpt, hält sich in Grenzen. „Uns fehlt weiter Geld“, sagt Grillmeier, „die Vorhaltepauschale ist keine Rettung für den ländlichen Raum.“
Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung
Dabei ist das Trio im Grundsatz einig: „Krankenhäuser in der Fläche sind auch für uns wichtig“, sagt Pfeiffer. Und auch die BKG hatte sich mehrfach besorgt geäußert, „dass es bereits im letzten Jahr Fachabteilungs- und Standortschließungen gab, die in erster Linie auf den enormen Kostendruck der Kliniken zurückzuführen sind“. Diehm habe in dem Gespräch skizziert, was die Veränderung für alle Krankenhäuser bedeutet und wie die BKG die Umwandlung der betroffenen Häuser begleite.
Konkret habe man besprochen, wie man die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung weiter verbessern könne. „Da sich die Notfallrettung auch weiter verändern wird“, sagt Grillmeier, „sind wir gefordert, die Versorgung bestmöglich sicherzustellen.“ Bereits jetzt würden sich die Kliniken Nordoberpfalz (KNO) und die KVB dabei gut ergänzen: „Optimal wird es nie“, räumt der Landrat allerdings auch ein.
Arbeitsteilung zwischen KVB und Klinik
Pfeiffer erläutert die Win-win-Situation für beide Akteure, Kliniken und Kassenärzte. Seit der Neuordnung des Bereitschaftsdienstes gebe es über 100 Bereitschaftspraxen, 98 davon an Krankenhäusern mit entsprechenden Kooperationen. Der Vorteil für beide Seiten: Eine Entlastung der Ärzte vor allem im ländlichen Raum – und damit auch ein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbilds Landarzt – sowie Synergien mit den Kliniken.
Der flächendeckende Bereitschaftsdienst, der von jedem Patienten innerhalb von 30 Minuten zu erreichen sei, garantiere eine Versorgung auch außerhalb der Praxis-Zeiten der praktizierenden Ärzte. „Wir versorgen die Patienten tagsüber“, sagt der KVB-Chef, „die Kliniken übernehmen die Versorgung in der Nacht.“ Eine Win-win-Situation eben. „Nachdem die Notaufnahme geschlossen wurde“, fährt Pfeiffer fort, „betreiben wir die Bereitschaftspraxis im gleichen Umfang weiter.“
Zentrale Vermittlung rund um die Uhr
Was bedeutet das konkret für die Patienten? Für alle Erkrankungen, die normalerweise die Behandlung eines niedergelassenen Arztes erfordern, deren Behandlung aber aus medizinischen Gründen nicht bis zur Öffnung der Praxis warten kann, ist der Bereitschaftsdienst zuständig.
Die Zentrale, über die der nächstgelegene Standort vermittelt wird, ist rund um die Uhr unter der kostenlosen Telefonnummer 116 117 erreichbar. Medizinisches Fachpersonal nimmt die Anrufe entgegen und lotst die Patienten je nach Krankheitsbild und Mobilität in die nächste Bereitschaftspraxis, vermittelt einen Hausbesuch oder leitet bei Notfällen über die integrierte Leitstelle an den Notarzt im Rettungsdienst weiter.
Gemeinsame Nutzung der Geräte?
So weit, so gut. Der bürokratische Teufel aber steckt wie so oft im Detail. Bisher gebe es Vorbehalte, dass der kassenärztliche Betreuungsdienst auch die vom Freistaat finanzierten Geräte des Krankenhauses benutzen darf. „Das verstehen die Patienten natürlich nicht“, erklärt der Landrat. Das sei dennoch keine Böswilligkeit des Ministeriums: „Da geht’s rauf bis zu europarechtlichen Bedenken.“ Man sei aber auf einem guten Weg, dafür Lösungen zu finden. „Wir sind da ein stückweit auch Modellregion“, sagt Grillmeier, „da ist jetzt auch Bewegung zu spüren.“
Für Pfeiffer ist diese Einschränkung aber auch bisher kein Beinbruch: „Wir versorgen in der Bereitschaftspraxis Patienten, die normalerweise zum Hausarzt gehen würden“, erklärt der KVB-Vorstandschef, „wir sind keine Notfallpraxis.“ Mit anderen Worten: Ein Sonografiegerät gäbe es auch in vielen Hausarztpraxen nicht. „Sollte sich herauskristallisieren, dass Sie ein Notfall sind, rufe ich ohnehin den Notarzt.“ Deshalb sei die Nutzung der Geräte eine Verbesserung, aber nicht zwingend notwendig.
Ultraschall auf kurzem Dienstweg
Im Übrigen habe man dem Bereitschaftsdienst bereits auf dem kurzen Dienstweg ein Ultraschallgerät zur Verfügung gestellt, ergänzt Dr. Peter Deinlein, der Leiter der Hausarztschmiede im Landkreis Tirschenreuth. Und BKG-Vize Diehm fügt hinzu: „Ich denke, wir haben einen Ansatz gefunden, wie’s gehen könnte.“ Das Gleiche gelte für einen einheitlichen Eingang, der ebenfalls noch mit rechtlichen Fragestellungen kollidiere.
Für den Landrat sei jedenfalls relevant, dass die Notfallambulanz gut angenommen werde: „Es gibt immer wieder mal ruhigere Tage“, rekapituliert Grillmeier die Erfahrungen der Ärzte, „aber auch Tage, an denen man bis zu 20 Personen helfen und versorgen kann.“ Der Freistaat stelle für eine Evaluation dieses Prozesses 250.000 Euro zur Verfügung, die man nutzen werde, um die Abläufe zu durchleuchten. „Wir haben festgestellt, dass die Versorgung passt, aber wir wollen versuchen, sie im Sinne des bayerischen 7-Punkte-Plans noch zu verbessern.“
Rezepte gegen den Fachärzte-Mangel
In puncto Fachärzteversorgung konstatiert KVB-Vorstandsvorsitzender Christian Pfeiffer: „Wir haben kein Problem im hausärztlichen Bereich, aber bei Augenärzten.“ Praxen, die lukrative Operationen durchführten, seien auf dem Land nicht verbreitet. Grillmeier ergänzt: „Wir beklagen eine Unterversorgung mit Kinder- und HNO-Ärzten, Herr Pfeiffer kann bestätigen, dass es in weiten Teilen Bayerns so ist.“ Lösungsansätze seien Medizinische Versorgungszentren (MVZ) wie das in Tirschenreuth und ein geplantes in Waldsassen.
Solche Einrichtungen seien jungen Ärzten eher zu vermitteln als eine eigene Praxis am Land. „Der Trend geht von der Selbstständigkeit zu einem Angestelltenverhältnis“, erklärt Pfeiffer. „Wir brauchen weitere solche Player.“ Dabei könne auch eine Kommune Träger eines MVZ sein. „Das ist mir natürlich lieber als ein privater Investor, der sich nur auf die lukrativsten Behandlungen fokussiert.“
Früchte der Hausarztschmiede Jahre später
Ein weiterer Mosaikstein zur Stärkung der ärztlichen Versorgung ist die Hausarztschmiede. „Ein Pflänzchen mit starken Wurzeln“, nennt sie Dr. Peter Deinlein, „das über die Jahre wächst.“ Mit anderen Worten: Der Weg von der Überzeugungsarbeit an den Gymnasien über das Studium bis zum ausgebildeten Arzt ist ein langer. „Wir haben bereits ein Netzwerk mit vielen jungen Ärzten“, fügt er hinzu, beraten Abiturienten, helfen bei der Studienplatzsuche, aber auch bei der Niederlassung.“
Ein wichtiger Baustein seien auch die Stipendien, die der Landkreis ins Leben gerufen habe. „Aber wir brauchen eben noch fünf bis sechs Jahre, bis sie bei uns ankommen.“ Schließlich gebe es noch Rotationsstellen, die vom Landkreis unterstützt würden: „Das ist ein interessantes Angebot für eine auf fünf Jahre zugesicherte Stelle“, sagt Deinlein, während es vorher nur Kurzzeitverträge gegeben habe. „Wichtig ist dabei eine breite Ausbildung, es bringt wenig, wenn ich die in einer Spezialabteilung absolviere.“
Viele Wege zum Medizinstudium
Nicht weit verbreitet unter potenziellen Medizinstudenten sei das Wissen, dass es viele Wege gebe, um den eigenen Abiturschnitt an den jeweils geltenden Numerus Clausus anzunähern: „Wir klären im Gymnasium auf, was man tun kann, um die Chance, einen Studienplatz zu bekommen, zu steigern.“ Punkte brächten soziales Engagement, eine vorgelagerte medizinische Ausbildung oder die Praxis in einem Rettungsdienst. „Bei der Landarztquote spielt die Note ohnehin keine Rolle“, sagt Deinlein.
Im Übrigen sei es nicht so, dass es nicht genügend junge Menschen aus dem Landkreis gebe, die Medizin studiert hätten. „Das Problem ist vielmehr, dass sie sich an ihrem Studienort sozialisiert haben, obwohl die Bereitschaft da gewesen wäre, zurückzukommen.“ Auch sei die Belastung für Ärzte im ländlichen Raum heute durch den Bereitschaftsdienst nicht mehr mit früher vergleichbar: „Jobsharing lässt sich auch am Land darstellen“, lockt der Hausärzteschmied, „wir wollen den Beruf durch moderne Regelungen mit heutigen Vorstellungen von Work-Life-Balance und Vereinbarkeit mit der Familie in Einklang bringen.“
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