Kreislaufwirtschaft, die “Zauberformel” für eine sinnvolle Rohstoffwiederverwertung

Sulzbach-Rosenberg. Es ist die perfekte Win-win-Situation: Rohstoffe so lange wie möglich nutzen und dann sinnvoll recyceln. So wird zum Beispiel aus Klärschlamm Biodiesel oder Wasserstoff. Das Fraunhofer Institut UMSICHT forscht an der perfekten Kreislaufwirtschaft.

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Das “To-Syn-Fuel”-Demonstrationsprojekt von Fraunhofer zur Umwandlung biogener Reststoffe in nachhaltige Energieträger. Foto: Fraunhofer
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Das “InnoTeer”-Recyclingtechnikum. Foto: Fraunhofer
Der Institutsteil Sulzbach-Rosenberg von Fraunhofer-Umsicht. Foto: Fraunhofer
Der Institutsteil Sulzbach-Rosenberg von Fraunhofer-Umsicht. Foto: Fraunhofer
Technikum von Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg: Hier werden Technologien für die Kreislaufwirtschaft entwickelt. Foto: Fraunhofer
Technikum von Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg: Hier werden Technologien für die Kreislaufwirtschaft entwickelt. Foto: Fraunhofer
Foto Fraunhofer
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Die Kreislaufwirtschaft gewinnt zunehmend an Bedeutung – auch in Bayern. Es handelt sich dabei um ein Wirtschaftsmodell, bei dem Rohstoffe und Produkte so lange wie möglich genutzt, wiederverwendet, repariert und recycelt werden. Dies schont nicht nur die natürlichen Ressourcen, sondern stellt auch die Versorgung mit Rohstoffen sicher. Aufgrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen wichtiger denn je.

Klare Leitlinien für Unternehmen

Mit dem Verbrauch fossiler Rohstoffe gehen hohe CO₂-Emissionen einher – und die liegen deutschlandweit immer noch auf einem konstant hohen Niveau. Um den Anteil der sogenannten Sekundärrohstoffe am Rohstoffverbrauch von derzeit circa 13 Prozent zu steigern, setzt die Politik entsprechende Leitplanken. Im Bund liegt der Entwurf für eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie seit 2024 vor. Bayern hat zur selben Zeit die Entwicklung einer Bayerischen Kreislaufwirtschaftsstrategie beschlossen. Ziel ist es, ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaftssystem im Freistaat zu fördern und Unternehmen dafür klare Leitlinien an die Hand zu geben. Im Fokus stehen wichtige Sektoren wie Mobilität, Bau und Infrastruktur, Elektro/Elektronik, Kunststoffe, Verpackungen und Textilien.

Recyceln statt verbrennen

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg der Kreislaufwirtschaft sind neue Technologien und Geschäftsmodelle. Hier kommt das Fraunhofer Institut UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg ins Spiel. Am Fuße des Schlackenbergs werden Recyclingverfahren für Abfälle erforscht, die bisher ausschließlich verbrannt werden. Zudem werden neue Ansätze für die Nutzung von Biomasse-Reststoffen sowie Speichertechnologien für Wärme entwickelt. Der Fokus liegt auf dem Transfer der Technologien in die industrielle Anwendung. Hierfür bietet das Institut den Unternehmen einen koordinierten Zugang zu Test- und Anwendungsumgebungen sowie verschiedene Dienstleistungen, die von Einzelversuchen mit bestimmten Reststoffen über Machbarkeitsstudien, Laboranalytik bis zur Anlagenentwicklung im Demonstrationsmaßstab reichen.

Matthias Franke, der Leiter des Fraunhofer UMSICHT-Institutsteils Sulzbach-Rosenberg. Foto: Fraunhofer

Im folgenden Interview beantwortet Prof. Matthias Franke, Leiter des Fraunhofer UMSICHT Institutsteils Sulzbach-Rosenberg, einige Fragen zu diesem brandaktuellen Themenbereich.

Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen für die Kreislaufwirtschaft?

Franke: Es geht ja um die Transformation von gesamten Produktionsketten, weg von einem linearen Modell mit hohen Abfallaufkommen, hin zu geschlossenen Kreisläufen. Dafür sind enorme Investitionen bei allen Akteuren erforderlich. Die positive Nachricht ist: technische und konzeptionelle Lösungen gibt es bereits. Das sehen wir bei Fraunhofer täglich. Die Wirtschaft ist demgegenüber auch aufgeschlossen. Neulich hat eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer ergeben, dass über die Hälfte der Unternehmen Kreislaufwirtschaft als Chance sehen. Die größte Herausforderung besteht jetzt darin, die Transformation schnell hinzubekommen. Denn Klimawandel und Rohstoffknappheit sind akute und gleichzeitig komplexe Probleme. Der Handlungsdruck wird größer.

Sehen und staunen beim Tag der offenen Tür

Jetzt vormerken: Tag der offenen Tür bei Fraunhofer UMSICHT am Sonntag, 6. Juli, ab 13 Uhr.
Geboten werden Führungen durch die Anlagen im Technikum, kurze Vorträge zur Vorstellung des Instituts und Live-Experimente zu den Forschungsthemen.

Rohstoffsicherheit und Klimaschutz – wie hängt das eigentlich zusammen?

Franke: Nehmen wir Erdöl als Beispiel, ein wichtiger endlicher Rohstoff, der ausschließlich aus Drittländern kommt. Bayern importiert im Jahr bis zu 17 Millionen Tonnen fossiles Rohöl und andere Mineralölprodukte. Ungefähr drei Viertel davon wird energetisch genutzt, für Kraftstoffe oder für die Wärmeerzeugung. Bis zu fünf Millionen Tonnen werden zu Produkten weiterverarbeitet, zum Beispiel in der Chemie- und Kunststoffindustrie. Im Falle der energetischen Nutzung wird der Kohlenstoff, der vorher im Erdöl gebunden war, bei der Verbrennung freigesetzt. Dabei entsteht das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid in erheblichen Mengen.

Und bei der Nutzung von Kohlenstoff in der Produktion?

Franke: Bei der stofflichen Nutzung wird der Kohlenstoff in Produkten fest eingebunden, zum Beispiel in Automobilteilen aus Kunststoff, Isolierungen für Gebäude, aber auch in Reinigungsmitteln, Kosmetika oder Düngemitteln und vielen anderen Produktarten. Sobald ein Produkt sein Lebensende erreicht und zum Beispiel in der Müllverbrennung landet, entsteht CO₂. Das heißt: Für das Klima wäre es am besten, wenn der Kohlenstoff möglichst lange in Produkten gebunden bleibt und im Kreis geführt wird, damit kein zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Und für die Industrie ist die entscheidende Frage: Wo bekommen wir neuen Kohlenstoff her für die Produkte unseres täglichen Bedarfs, der nicht aus fossilen Quellen stammt?

Welche Lösungen gibt es hierfür?

Franke: Bei der Energie ist die Antwort recht eindeutig: Den Energieverbrauch durch Einsparungen senken und gleichzeitig den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen. Da, wo es möglich ist, auf fossile Energieträger verzichten und zum Beispiel regenerativen Strom aus Wind, Solar und Biomasse als Alternativen nutzen. Beim Kohlenstoff als Rohstoff ist es komplizierter, denn hier werden aktuell ganz überwiegend fossile Ressourcen genutzt. Hier müssen wir neue, regenerative Quellen erschließen. Im Wesentlichen sind dies CO₂, Abfälle und Biomasse. Um diese zu nutzen, brauchen wir sogenannte Konversionstechnologien, die den Kohlenstoff extrahieren und für die Produktion aufbereiten. Ein Beispiel: An unserem Außenstandort in Hohenburg betreiben wir eine Demonstrationsanlage, wo wir aus Biomasse-Reststoffen, in diesem Fall getrocknetem Klärschlamm, eine Art Erdöl-Ersatz herstellen können. Daraus kann man dann wieder Kraftstoffe, aber eben auch Rohstoffe für die chemische Industrie und die Kunststoffindustrie herstellen. Der Unterschied zum fossilen Rohöl ist, dass dieses Klärschlamm-Öl CO₂-neutral ist.

Fraunhofer UMSICHT entwickelt Verfahren, um aus biogenen Reststoffen nachhaltige Kraftstoffe in Normqualität zu erzeugen. Foto: Fraunhofer Umsicht
Fraunhofer UMSICHT entwickelt Verfahren, um aus biogenen Reststoffen nachhaltige Kraftstoffe in Normqualität zu erzeugen. Foto: Fraunhofer Umsicht
Aus zerkleinertem Elektronikschrott werden wertvolle Metalle und chemische Grundstoffe zurückgewonnen. Foto: Fraunhofer
Aus zerkleinertem Elektronikschrott werden wertvolle Metalle und chemische Grundstoffe zurückgewonnen. Foto: Fraunhofer
Aus Biomasse oder kunststoffhaltigen Abfällen lassen sich nachhaltige Alternativen zu fossilen Rohstoffen gewinnen. Diese können zu Kunststoffen und anderen Produkten weiterverarbeitet werden. Foto: Fraunhofer
Aus Biomasse oder kunststoffhaltigen Abfällen lassen sich nachhaltige Alternativen zu fossilen Rohstoffen gewinnen. Diese können zu Kunststoffen und anderen Produkten weiterverarbeitet werden. Foto: Fraunhofer
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Aus zerkleinertem Elektronikschrott werden wertvolle Metalle und chemische Grundstoffe zurückgewonnen. Foto: Fraunhofer
Aus Biomasse oder kunststoffhaltigen Abfällen lassen sich nachhaltige Alternativen zu fossilen Rohstoffen gewinnen. Diese können zu Kunststoffen und anderen Produkten weiterverarbeitet werden.


Und welche Rolle spielt das Recycling?

Franke: Recycling ist einer unter mehreren Ansätzen, Produkte und den darin enthaltenen Kohlenstoff im Kreislauf zu halten. Ziel ist es letztendlich, die Rohstoffe in den Produkten nicht zu verlieren, wie dies in der Müllverbrennung oder bei einer Deponierung der Fall wäre. Auch hierfür brauchen wir innovative Verfahren, die wir bei UMSICHT entwickeln. Wir konzentrieren uns dabei auf spezielle Abfälle, wie zum Beispiel Verbundmaterialien, Elektronikschrott oder stark vermischte und verschmutzte Kunststoffabfälle, die mit derzeitigen Methoden nicht recycelt werden können. Daraus gewinnen wir dann wieder neue Chemie-Grundstoffe zurück, aber auch seltene Metalle.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Unternehmen der Region, selbst tätig zu werden?

Franke: Regionale Kreisläufe können der Industrie helfen, die eigene Rohstoffversorgung abzusichern und ihre Klimaziele zu erreichen. Gleichzeitig werden klimafreundliche Produkte, zum Beispiel Kunststoff aus alternativen Rohstoffen in hoher Qualität, weltweit immer stärker nachgefragt. Das kann ein Wettbewerbsvorteil für die Hersteller sein. Eine zusätzliche Chance liegt in der Entwicklung und Vermarktung der Kreislauf-Technologien selbst. Bayern und die Oberpfalz sind ja stark aufgestellt im Anlagen- und Maschinenbau und könnten hier zum weltweiten Technologieanbieter werden. Auch für kleine und mittelständische Unternehmen ist das übrigens eine Chance. Wir blicken hier schon auf zahlreiche erfolgreiche Projekte zurück und sind immer offen für neue Partner. Noch sind wir in Europa Spitzenreiter bei Innovationen in Recycling und Kreislaufwirtschaft. Diesen Vorsprung sollten wir nutzen.

Landrat Richard Reisinger begeistert von Fraunhofer Umsicht

Landrat Richard Reisinger. Foto: Michael Sommer

Auch Landrat Richard Reisinger ist begeistert von den Arbeiten bei Fraunhofer Umsicht und was in seiner Heimatstadt – im und für den Landkreis Amberg-Sulzbach sowie für nationale und internationale Abnehmer – generiert wird. So unterstützt Reisinger mit seinen Mitarbeitern und Netzwerkpartnern viele Vorhaben von Fraunhofer Umsicht und ist sich sicher: „Wir brauchen die Kreislaufwirtschaft und werden den nächsten Schritt erfolgreich in die richtige Richtung gehen – so wie sich die Maxhütte traditionell auch immer wieder neu erfunden hat“.

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