Lesung in Weiden: Die Hölle von Ausschwitz überlebt
Weiden. Die 94-Jährige Auschwitz-Überlebende Rachel Hanan konnte nicht wie angekündigt zur Lesung aus ihrem Bestseller-Buch kommen. Doch Mitautor Thilo Komma Pöllath lieferte trotzdem tiefe Einblicke in eine ganz besondere Lebensgeschichte.

„Wer sind wir, wenn wir zu so etwas fähig sind?“ fragt die Holocaust-Überlebende Rachel Hanan gleich zu Beginn ihres Buches. Es trägt den Titel „Ich habe Wut und Hass besiegt. Was mich Ausschwitz über den Wert der Liebe gelehrt hat“. Eingeladen hatten zur Buchlesung der Freundeskreis Weiden der Evangelischen Akademie Tutzing zusammen mit der VHS Weiden-Neustadt.
Eindringlich und tief erschütternd schildert die Autorin in ihrem Buch, dass sie an Leib und Seele erlebt habe, zu was der Mensch fähig ist. Es seien Geschehnisse, die sich der Vorstellungskraft entziehen. Von den rund zweihundert Mitgliedern ihrer großen Familiensippe hätten nur wenige überlebt. „Ich war Teenager, noch ein halbes Kind, als ich an meinem 15. Geburtstag in Ausschwitz ankam.“
Mit Thilo Komma-Pöllath Lebenserinnerungen niedergeschrieben
Fast genau ein Jahr später, im April 1945, wurde sie zusammen mit drei ihrer Schwestern aus dem Lager Theresienstadt befreit. Eine „Hülle aus Haut und Knochen“ sei sie gewesen und habe noch 25 Kilogramm gewogen. Mitautor Thilo Komma-Pöllath zitierte über zwei Stunden exemplarische Szenen des Buches über eine glückliche Kindheit in Rumänien, dann über die schrecklichen Geschehnisse während und nach der Deportierung in einem Viehwagon nach Ausschwitz.
„Ich sah die Todesangst in den Augen meiner Mutter“, schreibt Hanan über die Situation, als diese zusammen mit dem Vater in die Gaskammer geführt wurde. Mehrfach erlebt hatte die junge Rachel auch den bekannten Lagerarzt Josef Mengele. Vordergründig sei dieser immer sehr freundlich gewesen („schöner Mann“), aber wer sich mit gesundheitlichen Problemen an ihn gewandt hätte, sei nicht mehr ins Lager zurückgekommen.
Todesmarsch nach Theresienstadt
Geschildert wird auch ein „Todesmarsch“ über einhundert Kilometer ins Lager Theresienstadt bei dem sie sich von Beeren, Sträuchern und sogar Grasbüscheln ernährte. Zusammenfassend stellt die Autorin stellt dann aber fest: „Letzte Antworten auf die Fragen nach dem Warum, nach dem Wie und dem Wieso habe auch ich nicht finden können.“ Auch würden Politik, Wissenschaft und Welt „versuchen, immer noch Erklärung zu finden für das Unerklärliche“. Es trage den Namen Ausschwitz.
Fast fünfzig Jahre lang habe sie nicht über ihre Erlebnisse sprechen können. Erst vor dem beginnenden Ruhestand empfand sie das Bedürfnis darüber zu berichten. „Auschwitz brodelte in mir.“ Doch niedergeschrieben habe sie es in ihrem jetzigen Buch zum ersten Mal. Dort berichtet sie auch, dass ihre eigene Erschütterung auch nach 80 Jahren noch immer anhalte. Alpträume als Ventil, die bis heute wirken. Die schlimmsten Alpträume seien die mit dem Lagerarzt Mengele. Dieser raubt ihr in diesen Träumen auf verschiedenste Art immer wieder ihre zwei Kinder, „Aber ich kann sie nie retten.“ Seit sechs Jahrzehnten halten diese Träume an.
Im Berufsleben habe sie „trotz meiner Schreckenserfahrung erstaunlich gut funktioniert“. Sie war Sozialarbeiterin in großen Wohlfahrtsämtern in Israel, später Managerin einer kommunalen Wohlfahrtsbehörde. Zwölf Mal ist Hanan als Leiterin von Besuchergruppen an die Orte ihres Leidens zurückgekehrt, erstmals 1993. Und sie zieht in Ihrem Buch auch Bezüge zum aktuellen Krieg in der Ukraine. „In mir schlägt es aus, wenn es anderswo zu Kriegsverbrechen, Gräueln und Unmenschlichkeit kommt“.
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