Lieber künstliche Intelligenz, als gar keine Intelligenz

One Man Show "Mein Kopf steht kopf" auf der Kulturbühne im "Parapluie". Bernard Liebermann spannt einen weiten Bogen von der künstlichen Intelligenz bis zum genbehandelten Supermenschen in nicht allzu ferner Zukunft

Der Kabarettist Bernard Liebermann mit seinem Vier-Bundesländer-Hut. Foto: Helmut Kunz

“Viele verteufeln die künstliche Intelligenz. Aber ich sage: Lieber künstliche Intelligenz, als gar keine Intelligenz.” Bernard Liebermann hebt dazu ein Portrait des bayerischen Ministerpräsidenten hoch. Die Besucher im “Kulturbahnhof” klatschen und johlen, was den Weimarer Kabarettisten stutzig macht. “Erstaunlich, wie die Reaktion hierauf ist, gemessen daran, in welchem Bundesland ich gerade bin.” Eine Besucherin ruft “dünnes Eis”. Die Reaktion von der Bühne? “Ich hätte ja auch ein anderes Bild nehmen können: Von Dobrindt vielleicht. Die Partei hat da einige.”

Rasante One-Man-Show

Liebermanns rasante, kabarettistische One-Man-Show heißt “Mein Kopf steht kopf” und unterstreicht einen Zustand, der sich nicht so einfach wie andere Körperteile reparieren lässt. Der Kopf sei zu komplex, sagt er. “Es gibt 3-D-Drucker, die drucken fertige Organe.” Was ihn zur Annahme verleite, dass die heutige Generation vielleicht die letzte sei, die nicht schon vor der Geburt genmanipuliert aufgerüstet werde. “Nach uns kommen nur noch gutaussehende Superhirne aus der Petrischale.” Technisch optimierte Typen, was viele Eltern begrüßen würden. Der Vater Big data. Die Mutter ein Drucker. Soll’s ein wenig hübscher oder intelligenter sein? Einfach die Genschere ansetzen. “Manchmal kriegt man eben keinen Daniel Günther, sondern nur einen Philipp Amthor.”

Guck, das kann ich auch

Diese Entwicklung wolle er gar nicht erleben, sagt der Kerl aus Thüringen. “Der Mensch ist gut so, wie er ist.” Nicht umsonst guckten sich Millionen von Menschen Fernsehformate an, wo Menschen beim Menschsein gefilmt würden. Liebermann versetzt sich kurz in eine solche Rolle, starrt stumm vor sich hin. Für den TV-Konsumenten ein Bild mit Wiedererkennungswert. Er fühlt sich bestätigt. “Guck mal, das kann ich auch.”

Alter Griesgram vs. junger Chaot

Der Stillstand-Modus funktioniert bei Liebermann gar nicht lang. Dafür ist er viel zu zappelig “In meinem Kopf ist so viel los. Das muss raus. Es ist ja viel zu gefährlich, wenn die Stimmen im Kopf die ganze Zeit nur mit sich selber reden.” In seinem speziellen Fall ist das ein alter Griesgram und ein junger Chaot. Beide Alter Egos steckt er kurzerhand in einen doppelwandigen Anzug und lässt sie aufeinander los. Das hat Poetry Slam Qualität.

Alter Ego aus Bayern für Söderalismus

Noch stärker wird Liebermann, als er gleich vier Personen – einen Rheinländer, einen Bayer, einen Nordländer und einen Sachsen mit ihren jeweiligen Dialekten – verkörpert und dazu permanent auf seinem Kopf einen Hut mit landestypischen Motiven dreht. Die 360-Grad-Geschichte gibt einen liebenswert-sezierenden Humor. Liebermann weiß nur zu gut, dass er mit solchen Gesten ganze Landsmannschaften porträtiert. Sein bayerisches Alter Ego fordert die Abschaffung des Föderalismus und die Einführung des Söderalismus. Selten erlebte Komik mit Köpfchen ist das. Ein Erwin Pelzig und dessen Bierkneipenrunde lassen grüßen.

Im Radio und Fernsehen unterwegs

Liebermann setzt auf die FDH-Diät und gibt den Wort-Akrobaten, indem er die Zunge mit Synapsen verknotet und die Buchstaben F, D und H, später auch alle Konsonanten aus seinem Wortschatz streicht. Schlussendlich findet er so Zugang zur tschechischen Sprache. Er schreibt, seit er 15 ist und ist inzwischen bundesweit unterwegs. Auch im Radio und Fernsehen. Fünf Jahre lang war er Ensemblemitglied und Hausautor im Kabarett Leipziger Pfeffermühle.

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