Live geschaltet: Jetzt hat auch die Oberpfalz ihr eigenes Wiki

Neusath. „Der reichste Mensch der Welt meint, er muss sich bei uns einmischen“, ärgert sich Bezirkstagspräsident Franz Löffler. Mit der Freischaltung des OberpfalzWiki wollen die Initiatoren die Meinungsbildung im Internet nicht länger manipulativen Oligarchen wie Elon Musk überlassen.

Sie schalten das Gemeinschaftsprojekt OberpfalzWiki live: (von links) Museumsleiter Dr. Tobias Hammerl, Administrator Dieter Kohl mit Jakob, Bürgermeisterin Irene Ehemann, Heimatminister Albert Füracker, Bezirkstagspräsident Franz Löffler, Chef-Volksmusikfreund Alfred Merl und Bezirksheimatpfleger Tobias Appl. Foto: Jürgen Herda

Großer Bahnhof im Neusather Freilandmuseum Oberpfalz für die Initiatoren des OberpfalzWiki um Administrator Dieter Kohl, Bezirksheimatpfleger Tobias Appl und Alfred Merl, Vorsitzender der Oberpfälzer Volksmusikfreunde, der wie die Jungfrau zum Kind zum Trägerverein des neuen Portals kam: „Ideengeber war Dieter Kohl“, sagt Merl augenzwinkernd: „Ich habe gesagt, ich unterstütze dich gerne, will aber nicht schon wieder Arbeit haben – was sich natürlich nicht bewahrheitet hat.“

Dankbar für den „Kämpfergeist und die Begeisterungsfähigkeit“ von Kreisheimatpfleger Dieter Kohl ist auch der promovierte Historiker Appl, der zuvor etwas „neidisch nach links und rechts geblickt hatte“, wo Niederbayern und Fürth bereits ein eigenes Wiki hatte. Da die „Passauer Neue Presse“ das niederbayerische Online-Lexikon ins Leben gerufen hatte, wandte sich der Bezirksheimatpfleger nach der Übernahme der Mittelbayerischen Zeitung hoffnungsvoll an die Passauer – nur um enttäuscht zu erfahren, dass der expandierende Verlag die Verantwortung für das Portal an einen Verein abgegeben hat, und gar nicht daran dachte, sich ein OberpfalzWiki ans Bein binden zu lassen.

Wer freilich über Wikipedia recherchiert, kommt an Kohl nicht vorbei, der seit Mai 2007 eine dreistellige Anzahl von Artikeln für die deutsche Wiki verfasst hat und für über 10.000 Bearbeitungen verantwortlich zeichnet. „Wir haben überlegt, wo man das andocken könnte“, erklärt Appl, „und kam mit seinem Heimatpfleger-Kollegen zum Ergebnis: „Am besten ist es bei einem ehrenamtlichen Verein aufgehoben – ein Graswurzelprojekt, an dem sich alle beteiligen sollen.“ So kamen die Volksmusikfreunde ins Spiel.

Alfred Merl, Vorsitzender der Oberpfälzer Volksmusikfreunde (von rechts), und Administrator Dieter Kohl überreichen Bezirksheimatpfleger Tobias Appl die offizielle OberpfalzWiki-Krawatte. Foto: Jürgen Herda

Regionale Fakten für Wikipedia irrelevant

Warum aber überhaupt ein eigenes OberpfalzWiki, wo es doch im großen Wikipedia bereits fast 3 Millionen deutschsprachige Artikel gibt? Der Grund ist einfach: Regelrechte „Autorenkriege“ haben bei der 2001 von Jimmy Wales ins Leben gerufenen Online-Enzyklopädie schon viele freiwillige Mitstreiter vergrault. Seit aber die Auslegung der Relevanzkriterien, die mittlerweile auf 37 Seiten angewachsen sind, von den Administratoren immer restriktiver gehandhabt wird, fallen den Wiki-Platzhirschen oft gerade regionale Themen zum Opfer.

„Ich hatte überwiegend Artikel mit Lokalbezug veröffentlicht“, erklärt Kohl, von dem immerhin zwei Texte ausgezeichnet wurden, ein Beitrag brachte es als „Artikel des Tages“ auf die Startseite. Regelrechte „Gerichtsprozesse“ innerhalb der Wiki-Gemeinde hätten zur Löschung von 10 seiner Artikel geführt. Darunter ein Beitrag über Betty Bösl, der ehrenamtlichen Gründerin der Sozialstation Hirschau. „Unter dem Mantel der Anonymität wurde mit Beschimpfungen und Beleidigungen gearbeitet.“ Wer als Porno-Darsteller relevant sei, „ist klar geregelt“, ärgert sich Kohl. „Aber für Leute, die Relevantes für die Region erreichen, gilt das nicht.“

Heimatminister Albert Füracker ist Schirmherr des OberpfalzWiki. Foto: Jürgen Herda

Füracker: „Heimatpflege par excellence“

Solch schändliches Tun des Internet-Riesen ruft auch Albert Füracker, den bayerischen Heimatminister auf den Plan, der das OberpfalzWiki als Schirmherr gerne unter seine Fittiche nimmt – umso lieber, als er nicht mit der anderen Hand des Finanzministers in die gar nicht mehr so prall gefüllte Staatskasse greifen muss. Denn, das betont Kohl: „Das Projekt ist finanziert, wir wünschen uns vor allem Unterstützung bei der Verbreitung der Idee in Schulen und Vereinen.“ Für Füracker ist dieses HeimatWiki im Heimatministerium als „Heimatpflege par excellence“ herzlich willkommen.

Gerade in Zeiten galoppierender Fakenews und unsäglicher Social-Media-Debatten, wo jeder ungeprüft üble Nachrede oder KI-gefälschte Lügen verbreiten könne, drohe der Schaden größer als der Nutzen zu werden. „Deshalb ist es gut, dass es ein OberpfalzWiki gibt, das Dinge überprüft.“ Ein modernes Heimat-Projekt, das Kultur, Denkmäler, Bräuche und Mundart auf Webseiten zum Mitmachen erlebbar mache: „Auch das OberpfalzWiki wird davon leben, dass es möglichst viele Menschen nutzen, damit wir möglichst viele Dinge in unser kulturelles Gedächtnis bekommen.“

Die Wirthauseckmusi Weiden spielt bei der Live-Schaltung des OberpfalzWiki auf. Foto: Jürgen Herda
Die Wirthauseckmusi Weiden spielt bei der Live-Schaltung des OberpfalzWiki auf. Foto: Jürgen Herda
Bezirkstagspräsident Franz Löffler und Heimatminister Albert Füracker bereiten sich auf ihre Reden vor. Foto: Jürgen Herda
Bezirkstagspräsident Franz Löffler und Heimatminister Albert Füracker bereiten sich auf ihre Reden vor. Foto: Jürgen Herda
Alfred Merl, Vorsitzender der Oberpfälzer Volksmusikfreunde am Stehpult hat standesgemäß die Wirthauseckmusi Weiden eingeladen. Foto: Jürgen Herda
Alfred Merl, Vorsitzender der Oberpfälzer Volksmusikfreunde am Stehpult hat standesgemäß die Wirthauseckmusi Weiden eingeladen. Foto: Jürgen Herda
Bezirkstagspräsident Franz Löffler sieht den Faktencheck im Internet als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Foto: Jürgen Herda
Bezirkstagspräsident Franz Löffler sieht den Faktencheck im Internet als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Foto: Jürgen Herda
Die Wirthauseckmusi Weiden spielt bei der Live-Schaltung des OberpfalzWiki auf. Foto: Jürgen Herda
Bezirkstagspräsident Franz Löffler und Heimatminister Albert Füracker bereiten sich auf ihre Reden vor. Foto: Jürgen Herda
Alfred Merl, Vorsitzender der Oberpfälzer Volksmusikfreunde am Stehpult hat standesgemäß die Wirthauseckmusi Weiden eingeladen. Foto: Jürgen Herda
Bezirkstagspräsident Franz Löffler sieht den Faktencheck im Internet als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Foto: Jürgen Herda

Oberpfälzer Wikianer willkommen im Freilandmuseum

„Für den Neustart des OberpfalzWiki hätte es keinen besseren Ort geben können als diesen wichtigen Speicher für Kultur“, rühmt Heimatminister Albert Füracker das Freilandmuseum Oberpfalz in Neusath. „Frau Bürgermeisterin“, wendet sich der Schirmherr an Irene Ehemann, „Sie haben es gut, da kann jeder nur neidvoll nach Nabburg blicken.“

Museumsleiter Tobias Hammerl gibt das Kompliment gerne zurück: „Die Ehre ist ganz aufseiten des Freilandmuseums“, sagt der Gastgeber. „Wir sind stolz, dass dieses tolle Projekt bei uns das Licht der Welt erblickt.“ Man werde sich nicht nur aktiv beteiligen. „Wir werden es auch nutzen.“ Gleichzeitig verstehe man sich als Wissensspeicher: „Wir werden selbst einpflegen, um es der breiten Öffentlichkeit noch besser zur Verfügung stellen zu können.“

Und mehr noch: Die Macher des HeimatWiki seien im Haus immer willkommen. „Es wäre schön, wenn sich die aktiven Autoren, immer wieder auch ,face to face‘ treffen“, spricht Hammerl eine Einladung aus. „Wenn Sie eine Autorenkonferenz machen, steht Ihnen das Freilandmuseum zur Verfügung.“

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1 Kommentare

Peter pan - 12.01.2025

Langsam wird es lächerlich gegen elon zu hetzen deutsche poltikter sich mischen sich dauern in andere EU Länder bei Wahlen ein und akzeptieren nicht die Entscheidung der Wähler anderer länder