Mehr als nur Alkohol – Fachambulanz startet Plakataktion gegen Sucht in Weiden
Weiden. Die Caritas Weiden-Neustadt startete eine Plakataktion gegen Sucht, um auf deren Vielfältigkeit aufmerksam zu machen und niederschwellige Hilfe anzubieten. Über 540 Personen nutzten letztes Jahr das Angebot, am häufigsten wegen Alkoholproblemen.

Während bundesweit über eine mögliche Steuererhöhung auf Alkohol diskutiert wird – ein Vorstoß von Grünen und Linken, der in Bayern wohl besonders kontrovers aufgenommen werden dürfte -, setzt die Fachambulanz für Suchtprobleme der Caritas Weiden-Neustadt ein deutliches Zeichen: Mit einer Plakataktion in der Weidener Innenstadt macht sie seit letzter Woche auf das Thema Sucht aufmerksam und ruft dazu auf, Hilfe in Anspruch zu nehmen – niedrigschwellig, kostenlos und auf Wunsch anonym.
Aktion gegen Sucht
Für Michaela Lang, Leiterin der Fachambulanz, ist die Steuerdiskussion ein Schritt in die richtige Richtung. „Natürlich sorgt der Gedanke, dass die Maß Bier teurer wird, in Bayern für Unmut. Aber wir müssen uns ehrlich vor Augen führen: Rund acht Millionen Menschen in Deutschland sind laut Schätzungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen suchtkrank.
Das ist zu viel – und das ist vermeidbar“, so Lang. Mit der Plakatkampagne will die Fachambulanz nicht nur auf Alkohol- oder Drogenabhängigkeit aufmerksam machen, sondern auch auf weniger bekannte Formen der Sucht: Mediensucht, Essstörungen, Spielsucht, Kaufsucht oder Medikamentenmissbrauch. „Wir merken deutlich: Die Aktion wirkt.
Vielfältige Hilfsangebote
Es kommen spürbar mehr Anfragen, viele Neuanmeldungen. Und viele Menschen äußern, dass sie erstmals realisieren, wie vielfältig das Thema Sucht ist“, berichtet Lang. Das Beratungsangebot der Fachambulanz richtet sich an Menschen in allen Phasen einer Abhängigkeit – vom ersten Verdacht bis zur stabilen Abstinenz nach einem Klinikaufenthalt.
Das multiprofessionelle Team aus sechs Sozialpädagoginnen, Psychotherapeuten und Psychologen bietet Einzelberatungen, Besuche im Bezirksklinikum, ambulante Nachsorge und ist sogar in der Justizvollzugsanstalt Weiden vertreten. Auch Angehörige finden hier Unterstützung, etwa in speziellen Info-Gruppen.
Realistisches Bild von Sucht
Besonders wichtig sei, so Lang, ein realistisches Bild von Sucht zu vermitteln. „Die Ehefrau, die sich fragt, ob ihr Mann zu viel Bier trinkt. Die junge Frau, die nach ihrer Klinikzeit stabil bleiben möchte. Die Person mit Abhängigkeitserkrankung, die seit Jahren ‚clean‘ lebt und Unterstützung sucht – all diese Menschen sind bei uns richtig.“
Für Spielsüchtige bietet die Fachambulanz zusätzlich Hilfe durch eine zertifizierte Fachkraft der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern – egal ob es um Onlinespiele oder Automatenspiel geht. Auch Gruppenangebote wie die Orientierungsgruppe Alkohol, die Stabilisierungsgruppe oder die Selbsthilfegruppe für Glücksspielsüchtige gehören zum festen Bestandteil der Arbeit.
Sonderprogramme und Statistiken
Ein besonderes Augenmerk gilt denjenigen, die wegen Alkohol- oder Drogenkonsums im Straßenverkehr den Führerschein verloren haben. In ländlichen Regionen kann das schnell existenzbedrohend sein. Deshalb bietet die Fachambulanz Vorbereitungskurse für die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) an. Hinzu kommt eine Schulung für Opioidabhängige im Umgang mit dem Notfallmedikament Naloxon – ein Mittel, das im Ernstfall Leben retten kann.
Wie relevant die Suchtberatungsstelle in Stadt und Landkreis ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Rund 540 Personen nutzten im vergangenen Jahr das Angebot. Die meisten suchten wegen Alkoholproblemen Hilfe (ca. 66 %), gefolgt von Cannabis (18 %), Crystal Meth (10 %) und Glücksspielsucht (14 %). Über die Hälfte der Klientinnen und Klienten waren Männer.
Appell und Angebote
Michaela Lang appelliert: „Niemand muss sich schämen, zu uns zu kommen. Unsere Beratung ist kostenlos, verschwiegen und bei Bedarf anonym – auch online im Chat oder neu per Video.“ Wer das Angebot nutzen möchte, kann ohne Termin zur offenen Sprechstunde kommen: dienstags von 9 bis 11.30 Uhr und donnerstags von 13.30 bis 16 Uhr. Online-Beratung ist möglich. Mit der Plakataktion soll nun noch mehr Sichtbarkeit geschaffen werden – für ein Thema, das nach wie vor zu oft im Verborgenen bleibt. Denn Sucht ist mehr als nur ein Problem einzelner – sie ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
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