Missbrauchs-Pfarrer: Eslarn benennt Georg-Zimmermann-Straße um

Eslarn. Der Namensgeber - ein Theologe, der wegen sexuellen Missbrauchs im Gefängnis saß. Die Marktgemeinde reagiert jetzt auf Initiative des Betroffenenbeirats der Diözese Regensburg und des Bischofs und wechselt die Straßenschilder aus.

Im Eslarner Rathaus (grünes Gebäude) wurde auch die Gedenktafel, die an Georg Zimmermann erinnert, entfernt. Foto: Markt Eslarn

Die Georg-Zimmermann-Straße in Eslarn wird bald Geschichte sein. Mehrheitlich hat jetzt der Marktgemeinderat entschieden, sie umzubenennen. Damit reagiert die Kommune auch auf die Initiative des Betroffenenbeirats. Die 2022 gegründete Organisation engagiert sich für die Opfer von Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche in der Diözese Regensburg. Der Vorstoß kommt nicht von ungefähr: Der Theologe, Kirchenmusiker und frühere Diözesanmusikdirektor Georg Friedrich Zimmermann war 1969 vom Landgericht Weiden wegen mehrerer Fälle von teils schwerer Unzucht mit Abhängigen zu einer 20-monatigen Haftstrafe verurteilt worden. Und auch Bischof Rudolf Voderholzer hatte sich in einem Brief an Bürgermeister Reiner Gäbl für eine Umbenennung ausgesprochen.

Mehrheit für die Umbenennung

Mit 9:6 stimmte das Gemeindeparlament zu. Rathauschef Gäbl ist froh, erleichtert und ernüchtert zugleich, dass das Votum nicht noch deutlicher ausgefallen ist. Die Räte, die dagegen gestimmt hatten, wollten mit ihrem Nein den Wunsch der Anwohner respektieren. Denn die hatten sich gegen die Umbenennung ihrer Straße gewehrt und dabei auch auf die Kosten verwiesen, die ihnen durch eine Adressenänderung entstehen würden.

Vergangenheit ruhen lassen

„Man solle die Vergangenheit doch ruhen lassen“. Auch dieser Satz war und ist in der Grenzgemeinde immer wieder zu hören. Schon seit vielen Jahre wird das Thema kontrovers diskutiert. So gibt es Zimmermann-Befürworter, die auf die Verdienste des 1984 in Eslarn verstorbenen Kirchenmanns hinweisen. Der hatte sich in der Marktgemeinde unter anderem um den Musiknachwuchs gekümmert und die Grenzlandmusikschule gegründet. Deswegen wurde am 1. Januar 1994 die Straße nach ihm benannt.

Nach seinem Tod hatte seine Schwester mit dem Nachlass ihres Bruders eine Stiftung aus der Taufe gehoben, mit deren Erträgen unter anderem musikbegeisterte Menschen gefördert werden. Doch für den Rathauschef steht fest: „Man kann Schlimmes nicht mit Gutem aufwiegen.“ Daher hatten sich er und der Gemeinderat entschieden, die Gedenktafel für Zimmermann aus dem Rathaus-Foyer zu entfernen.

Aufwendige Recherche

Eineinviertel Jahre hatte der Betroffenenbeirat in dem Fall recherchiert. Dabei ist man auf ein Opfer von Zimmermanns sexuellen Übergriffen gestoßen, das heute noch in der Marktgemeinde lebt. Gäbl hat sich mit dem Mann unterhalten. Und der Bürgermeister ist tief erschüttert, von dem, was er da gehört hat. „Das Opfer ist bis heute schwer traumatisiert, der Missbrauch hat ganz tiefe Wunden hinterlassen.“

Drei Vertreter des Betroffenenbeirats waren bei der Gemeinderatssitzung mit dabei. „Sie wurden verbal angegangen“, erzählt deren Sprecherin Josefa Schalk. Was interessiere Regensburg, was man hier vor Ort mache, mussten sie sich anhören. Außerdem müsse man einfach mal auch vergessen können, wurde den anwesenden Beitratsmitgliedern zu verstehen gegeben.

Der Betroffenenbeirat engagiert sich für die Opfer von Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche in der Diözese Regensburg. Foto: Otto Zink

Schwarze Bänder angebracht

Die Bewohner der Georg-Zimmermann-Straße haben nach der Entscheidung im Gemeinderat reagiert und die Schilder mit schwarzen Bändern behängt. Die wurden aber vom Bauhof wieder schnell entfernt. Gäbl will den erzürnten Bürgern entgegenkommen. So wird die Kommune die Kosten übernehmen, die etwa durch die notwendigen Pass- oder Personalausweisänderungen entstehen.

Und bereits nach der Juni-Sitzung des Marktgemeinderats könnten die Georg-Zimmermann-Schilder dann endgültig verschwunden sein. Der Bürgermeister hat die Mitglieder gebeten, sich Gedanken über einen neuen Straßennamen zu machen. Er selbst könnte sich irgendetwas mit Blumen vorstellen. „Wenn man wieder eine Persönlichkeit wählt, könnten ja womöglich erneut Schwierigkeiten entstehen.“

Eslarn übernimmt Vorreiterrolle

Josefa Schalk und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter des Betroffenenbeirats sind „sehr glücklich“ über diese Entscheidung. Ihrer Einschätzung nach ist Eslarn die erste Kommune in ganz Ostbayern, die aufgrund von Missbrauchsvorwürfen in der katholischen Kirche eine Straße umbenennt. Und sie ermuntert alle Opfer, sich zu melden, entweder direkt beim Bistum oder beim Betroffenenbeirat der Diözese Regensburg. Mehr Infos dazu findet man auf: www.betroffenenbeirat-regensburg.de.

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2 Kommentare

Mario Meier - 18.05.2024

Hallo Herr Zenger, Sie sprechen mir aus der Seele. Es ist wirklich schlimm, wegen einer Straßenumbenennung von hier lt. Artikelbild unter katholisch.de gerade einmal vier oder fünf Straßenschildern so einen Zirkus zu veranstalten. Was mich an der Sache insgesamt stört ist das seit 2010 mit öffentlichem Bekanntwerden fortgesetzte Schweigen „im Ort selbst, und drumherum“.Wo waren und sind eigentlich die ehem. Mitbrüder dieses „hohen Geistlichen“? Das Beichtgeheimnis gilt zwar nach wie vor, aber wie wollten und wollen die Seelsorge betreiben, wenn diese auf die Sache keine Antwort wissen? Aufgeklärt sind in dieser Diözese keine 20% der Fälle. Aber es wird weiter gewallfahrtet und gesegnet; was das Zeugs hält.

Ewald Zenger - 14.05.2024

Die Überschrift „Missbrauchs-Pfarrer: Eslarn benennt Georg-Zimmermann-Straße um“ ist zunächst einmal eine positive Nachricht. Bürgermeister Gäbl hat meinen größten Respekt dafür, dass er die Angelegenheit so intensiv und hartnäckig angepackt hat. Sein Gespräch mit einem Opfer des Pfarrers halte ich dabei für besonders wichtig. Erst im darauffolgenden Absatz mit Erläuterungen zu den Hintergründen könnte man irritiert sein, weil man erfährt, dass der Missbraucher bereits 1969 wegen mehrerer Fälle von teils schwerer Unzucht mit Abhängigen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Trotzdem hielt das den damaligen Gemeinderat offensichtlich nicht davon ab, den kriminellen Pfarrer 1991 mit der Straßenbenennung posthum zu ehren. Die Verwirrung wird dann vollends komplett, wenn man im weiteren Text erfährt, dass der Eslarner Gemeinderat jetzt die Straßenumbenennung mit nur 9:6 Stimmen beschließen konnte. Die aufgeführten Gründe, weshalb sechs Gemeinderäte dagegen stimmten, lassen einen dann nur noch den Kopf schütteln. Und wenn schließlich auch noch davon die Rede ist, wie die drei Vertreter des Betroffenenbeirats angegangen wurden, bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass Historiker der Zukunft im Rückblick auf unsere Gegenwart von einer „Phase des Verlusts der Scham“ sprechen werden.