Nachgefragt bei Stefan Voit: Warum Witron und Stahlfertiger das perfekte Match sind

Pleystein/Parkstein. Von der Einmannfirma zum Vorzeige-Stahlbauer mit Mega-Hallen auf allen Kontinenten. Mit seinem Verkauf an Witron überraschte Stefan Voit selbst Insider. Doch der Macher aus Pleystein ist überzeugt, sein „Baby“ in die richtigen Hände gelegt zu haben.

Stahlfertiger Stefan Voit zeigt auf sein Lebenswerk, das er in gute Hände gelegt hat. Der Gründer bleibt aber Geschäftsführer seines Babys. Bild: Jürgen Herda

Wer denkt, dass Stefan Voit sein Unternehmen wegen des schnöden Mammons verkaufte, war noch nie „Am Spatwerk 1-5“ in Hagendorf bei Waidhaus bzw. Pleystein zu Besuch. Was der Stahlfertiger die vergangenen 21 Jahre am Rande einer Bergbaugrube, die jetzt ein tiefer Weiher füllt, aufgebaut hat, ist mehr als die Wiederbelebung eines alten Industriestandorts.

Die kontinuierlich um das Zentralgebäude in V(oit)-Form wachsende Anlage mit flächendeckenden PV-Modulen auf den Dächern und Wärmeversorgung aus der benachbarten Biogasanlage, wo zuvor marode Hallen und einstürzende Türme vor sich hin rotteten, trägt nicht nur wegen des architektonischen Monograms die Handschrift ihres Schöpfers.

Der Bürotrakt atmet auf Schritt und Tritt den Geist des Gründers: Chrom-blitzende Harleys, ein zehn Meter langer, aus einer 150-jährigen Eiche gehauener Versammlungstisch, ein Fitnessraum und eine schicke Bar samt Biergarten statt einer Kantine – Voit hat dem Interieur seinen Stempel aufgedrückt.

Vater Voits vierter Meisterbrief

Der Spross einer alteingesessenen Pleysteiner Handwerkerdynastie – Vater Josef ließ es sich im zarten Alter von 66 Jahren nicht nehmen, den drei Meisterbriefen in Heizungsbau, Sanitär und Spenglerei noch einen als Metzger hinzuzufügen – hat es in zwei Jahrzehnten vom Einmann-Betrieb zu einem international agierenden Unternehmen mit knapp 100 Mitarbeitern einschließlich Leiharbeitern gebracht. Voits Hallen stehen auf allen Kontinenten, wie man auf der Feldherren-Weltkarte im Besprechungssalon bewundern kann: „Da muss mein Sohnemann immer wieder mal neue Fähnchen reinstecken“, sagt er stolz.

Der Mann, der auf diesem Gelände lebt, ist mit seinem Unternehmen verwachsen: „Es ist mein Baby.“ Dass er dieses dritte Kind neben seinen zwei Söhnen nicht aus einer Laune heraus auf dem freien Markt verscherbelt, versteht sich von selbst. „Ich habe mir das nicht leicht gemacht“, erklärt der Macher, der im eigenen Betrieb buchstäblich alles macht. „Praktisch jedes Netzwerkkabel in dieser Firma ist von mir gezogen“, sagt Voit. „Genial, wenn ein Mensch in seiner Firma alles selber machen kann.“ Andererseits: „Es sind nicht mehr drei, sondern 40 Patchmodule zu machen.“ Auch Voit kann sich nicht vierteilen.

Als Stefan Voit vor 21 Jahren die Industriebrache in Hagendorf übernahm, war der internationale Erfolg des Stahlfertigers noch nicht in Sicht. Archivbild: Voit

Strahlkraft der Pampa ist überschaubar

Natürlich weiß der Unternehmer, dass er delegieren müsste: „Aber meine Leute sind alle gut eingedeckt mit Arbeit.“ Für etwas Entlastung sorgten vor allem seine langjährigen Mitarbeiter und Mtarbeiterinnen, aber auch auf seine erst „neu dazugekommenen 100-Prozenter ist er mehr als stolz – der Steuerberater, die erste Führungsriege und die zuverlässige Buchhalterin“ unterstützen ihn nach Kräften. „Trotzdem war ich immer noch der, der für sämtliche Abteilungen und Entscheidungen verantwortlich war. Stichwort Fachkräftemangel: „Finde erst mal geeignete Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt“, seufzt Voit.

„Meine Überlegung war zunächst, mir einen kaufmännischen Geschäftsführer zu holen, der mir Sachen abnehmen könnte, die ich selbst nicht so gerne mache.“ Er warb intensiv um Führungskräfte im Angestelltenverhältnis: „Aber es kamen keine“, sagt er achselzuckend. „Die Strahlkraft als kleine Firma nahe der Grenze, abseits vom Oberzentrum Weiden, ist überschaubar.“ Gleichzeitig gruben dem Selfmade-Unternehmer der Blick auf die weltweiten Krisen und die düsteren Wirtschaftsdaten Sorgenfalten in die Stirn. „Explodierende Kosten für Stahl und Energie, da fängst du an zu überlegen, ob du 21 Jahre gesät hast und dir dann alles verhageln lässt – oder die Ernte einfährst.“

Bürogebäude als Monogramm: Das V wie Voit steht im Zentrum der Stahlfertiger. Archivbild: Voit

Wer sichert eine stabile Auslastung?

Da sei langsam eine neue Idee gereift: „Wie kann ich meine Vertriebsstruktur so ausbauen, dass wir nicht abhängig werden von Firmen, die in dieser Wirtschaftslage massiv einbrechen könnten?“ Welche strategische Partnerschaft könnte auf Jahre eine stabile Auslastung sichern und umgekehrt für den Partner einen Mehrwert darstellen? Es kann nur einen geben: Witron! „Ein superseriöser, liquider Regal- und Bühnenbau-Kunde mit einem siebenstelligen Umsatz bei uns, mit dem wir immer ein gutes Verhältnis hatten.“ Eine Kooperation würde langfristige Aufträge bringen – und gleichzeitig Witron die Erweiterung der eigenen Wertschöpfungskette.

Voit legt jetzt alle Argumente für und wider auf die Waagschale: Unabhängigkeit versus unwägbarer Weltmarkt, Erbe der Söhne oder Sicherheit auf Generationen, verunsicherte Mitarbeiter gegen sichere Arbeitsplätze. „Meine beiden Jungs sind 9 und 13“, sagt Voit lächelnd, „einer wollte Fußballstar werden, aktuell sind wir jetzt beim Sportreporter. Beide sind sehr interessiert, aber es ist einfach zu früh, um es hiervon abhängig zu machen.“ Bis Voit mit 60 in Rente gehe, könnten die Buben die Ausbildung ohne Druck zu Ende bringen, vielleicht ein betriebswirtschaftliches Studium draufsatteln, ein Jahr durch die Welt gondeln. „Und danach schauen wir weiter.“

Voits Weltkarte der Stahlfertiger-Hallen: In Deutschland wird’s unübersichtlich. Screenshot: jrh

Schwere Partie: Ringen um Margit

Am schwersten sei Voit der Gang zu seiner Frau gefallen: „Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, als ich es Margit sagte.“ Die beiden kennen sich seit 17 Jahren, seien kurz nach Voits Selbstständigkeit zusammengekommen: „Geldsorgen waren omnipräsent“, erinnert er sich an die Gründerphase, „wir haben das gemeinsam hochgezogen.“ Und jetzt verkaufen? „Wir können doch nicht unser Lebenswerk aufgeben“, habe Margit gesagt. „Ein Bild, das ein Maler verkauft, bleibt immer noch sein Werk“, habe er geantwortet. „Ja, ich möchte unser Baby in die Hände eines Weltkonzerns legen, aber es bleibt unser Kind.“ Schließlich habe sie es eingesehen: „Ich habe dir 17 Jahre vertraut“, gab sie ihr Plazet, „wir sind uns einig.“

Als die Waagschale nur noch auf eine Seite hing, habe er die erste Mail an die Firma Winkler geschrieben. Nur ein Satz: „Ich habe ein tiefgreifendes Thema mit Herrn Winkler zu besprechen.“ Es habe keine zwei Stunden gedauert, bis das Telefon läutete. „Wir besprechen das nicht am Telefon, ich komme hinter“, so Geschäftsführer Martin Stichs klare Ansage.

Deko eines Stahlfertigers: Stefan Voits PS-starkes Hobby ist nun mal das Schrauben an schweren Maschinen. Bild: Jürgen Herda

Mach bitte keinen Rückzieher“

Was Voit dem Witron-Geschäftsführer zu sagen hat, klingt für diesen plausibel: „Ich setze mich für dich ein“, habe Stich gesagt. Unter einer Bedingung: „Wenn Walter Winkler das macht, dann nur zu 100 Prozent – und mach bitte keinen Rückzieher.“ Voit habe einen Wimpernschlag lang überlegt und zugesagt. Im Nachgang habe er erfahren, dass Walter Winkler Parkstein nur selten verlässt – umso höher ist es einzuschätzen, dass kurz darauf der Konzernchef selbst sein Kommen ankündigte. „Wir haben ihm gleich ein Namensschild auf den Parkplatz gestellt“, reagiert Voit postwendend. Die beiden sprechen dieselbe Sprache, zwei zupackende Praktiker mit großer Affinität zum Handwerk. „Seine Gründungsphase verlief fast analog“, sagt Voit, „auch sein Vater kam aus dem Heizungsbau.“ Voits erster Eindruck: „Die Chemie hat einfach gepasst, nach kürzester Zeit hat er mir das Du angeboten.“

Schnell wird klar, dass Winkler die Achillesferse des neuen Partners erkennt: „Auch ein Geschäftsführer muss bei mir 30 Tage Urlaub machen“, sagt er dem verdutzten Voit, für den die Werkshalle sein Mallorca im Quadrat ist. „Und zweimal im Jahr soll ich zum ärztlichen Check“, rekapituliert er baff. Denn, zugegeben: Voits Berserker-Einsatz für sein Unternehmen war auch ein Stück weit Raubbau an der Gesundheit, den er mit einem flapsigen Scherz abtut: „Schlafen wird überbewertet“, sagt er grinsend. „Mein Tag fängt seit 20 Jahren um 4 Uhr an, um 18, 19 Uhr gehe ich heim, selten unter 14 Stunden.“ Ganz klar: Er ist stolz auf sein Stehvermögen. „Ich sage immer, mit meinen 48 Jahren habe ich 60 Jahre Berufserfahrung.“ Aber wie lange kann das gut gehen?

Als sich Walter Winkler persönlich ankündigte, fertigte Stahlfertiger Stefan Voit umgehend das passende Parkschild an. Bild: Jürgen Herda

Winklers Weitblick

„Das ist eben der Weitblick, den nur ein Winkler hat“, räumt Voit ein. Nur ein gesunder Chef ist ein guter Chef. Im Witron-Konzern wird nicht alles anders, aber doch manches geregelter. „Alle Mitarbeiter bekommen 30 statt bisher 24 Tage Urlaub.“ Der neue Konzernherr bietet allen denselben Witron-Standard: „Gewinnbeteiligung, ein an die IG-Metall angelehntes Lohnerhöhungsmodell, das Witron-Rentenmodell und noch vieles mehr.“ Bei so viel Wohltaten muss Voit schlucken. „Ich habe mich mit wenig Eigenkapital selbstständig gemacht“, erinnert er an die mageren Anfänge, einen Teil habe ich mir von einem Spezl geliehen, weil ich mich nicht zur Bank traute – da schaue ich schon akribisch auf jeden Euro.“

Die Terminplanung war für den hemdsärmeligen Chef schwierig: „Meine engsten Mitarbeiter wissen immer, wo ich bin, wir haben da eine völlig offene Kalenderstruktur.“ Und dann steht da plötzlich immer wieder: „Stefan nicht da.“ Die verdeckte Aktion ist gar nicht nach seinem Geschmack: „Aber ich konnte das Geheimnis nicht lüften“, erklärt Voit, „stellen Sie sich vor, die Verhandlungen wären gescheitert!“ Rat suchte der Verkäufer lediglich bei vier Vertrauensleuten: „Bei meinem Steuerberater, dem Rechtsanwalt und zwei in der regionalen Wirtschaft bekannten Persönlichkeiten, die sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite Erfahrung hatten und mir das notwendige Selbstvertrauen gaben.“

Historischer Handschlag: Witron-Chef Walter Winkler und Stefan Voit mit Ehefrau Margit. Bild: VS

Handschlag zweier ehrbarer Kaufleute

Über Stunden und Tage habe Voit mit Witron-Mitarbeitern verhandelt – der Konzernchef nickte schließlich alle Vereinbarungen ab. „Geld war dabei eine Sache auf fünf Minuten“, macht Voit klar, worum es ihm vor allem ging. „Unser Thema war die strategische Ausrichtung – wie bringen wir beide Firmen weiter nach vorne?“ Voit hat ein gutes Gefühl: „Ich glaube, dass er auch meine Expertise wahrgenommen hat.“ Nach wenigen persönlichen Treffen kam es bereits zum Handschlag mit Walter Winkler, „Wie man es eben unter ehrbaren Geschäftsleuten macht.“ Der Notartermin folgte am 11. November 2022.

Bis etwa Mitte kommenden Jahres heißt die Firma weiter Voit Stefan GmbH, danach will man auch die Firmennamen vereinigen, um Witrons Strahlkraft nach außen zu tragen. „15 Bewerbungen allein in der ersten Dezemberwoche“ sind ein klares Signal. Und nach anfänglicher Skepsis überwiegt auch bei den Mitarbeitern dank Winklers Charmeoffensive der Optimismus. „Nahezu alle freuen sich auf die Zeit, die jetzt anbricht und gehen optimistisch in die Zukunft.“

Staatsbesuch bei den Stahlfertigern: Ministerpräsident Markus Söder zu Gast bei den Voits. Bild; VS

Wellness für Voits Nerven

Der Deal mit Witron war Balsam für Stefan Voits Nerven. „Ich fühle mich richtig gut“, atmet er entspannt auf, „ich habe auch schon wieder mehr Schlaf gefunden, fühle mich ein klein wenig freier und relaxter.“ Vollstes Vertrauen hat er auch in Winklers perspektivische Weichenstellung: „Die Ausgestaltung seines Stiftungsmodells ist eine geniale Idee“, sagt der Pleysteiner. „Die Firma ist praktisch unverkäuflich, und auch die große Spendenleistung, die damit verbunden ist, entspricht meinen Vorstellungen.“

„Geben ist eben doch seliger denn Nehmen“, stellt Voit fest, der an diesem Tag 3000 Euro an die Tafel Weiden-Neustadt gespendet hat. „Was Hedwig Reger und die 18 Menschen, die sich zusammengeschlossen haben, um Gutes zu tun und für Bedürftige Lebensmittel zu sammeln, leisten, ist großartig.“

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