Noch ein geplatzter Traum vom Finale dahoam: Flinke Portugiesen tanzen steife Deutsche aus
München. Ausgerechnet in München! Ausgerechnet gegen Ronaldo! Ausgerechnet, wenn man mal wieder was gewinnen hätte können. Im schwächsten Länderspiel seit der EM scheidet Deutschland im Halbfinale der Nations League gegen Senior Ronaldos Portugal aus.

Sicher, Bundestrainer Julian Nagelsmann muss auf vielen Positionen umbesetzen. Klar, Portugal spielt in Bestbesetzung und kann von der Bank mit englischen Meistern und Champions-League-Siegern nachlegen. Trotzdem: Diese Pleite hat sich die Elf mit unterirdischen Leistungen in allen Mannschaftsteilen selbst zuzuschreiben.
Einzige Konstante: Fehlpässe en masse, über weite Strecken einfallslose, lange Bälle, kein Kombinationsspiel, keine Ideen gegen eine bewegliche portugiesische Abwehr. Und ein Jonathan Tah, der mehrfach die eigene Defensive mit epochalen Fehlern in Schwierigkeiten bringt – eine neu formierte Dreierkette, die gegen flinke Portugiesen wie steife Slalomstangen wirkt.
Das Resultat: Die schmeichelhafte Führung (48.) durch Einzelleistung von Flo Wirtz – Balleroberung, genialer Chipball von Joshua Kimmich, gefühlvoller Kopfball von Wirtz – hält keine Viertelstunde. Erst lässt Zauberzwerg Francisco Conceição den gerade eingewechselten Robin Gosens wie einen vergessenen Regenschirm stehen und dreht die Kugel fast unhaltbar zum 1:1 (62.) ins linke Eck. Dann lässt einmal mehr Tah seinen Gegenspieler ziehen, Querpass auf den verwaisten Cristiano Ronaldo, der allein vor Marc-André ter Stegen nur noch einschieben muss, 1:2 (68.).
Kleine Druckphase zu wenig
Deutschland erwischt im Halbfinale der Nations League einen holprigen Auftakt. In der ausverkauften Allianz-Arena in München fehlt der letzte Biss. Die DFB-Elf zeigte bereits in der ersten Halbzeit Schwächen in Ballbesitz und Durchschlagskraft. Dennoch haben die Deutschen zwischen Minute 20 und 35 eine kleine Druckphase, in der Leon Goretzka am aufmerksamen Keeper Diogo Costa scheitert. Sieben Minuten nach Wiederanpfiff gelingt Wirtz nach eigener Balleroberung auf Zuspiel von Kimmich mit Zauberköpfchen das 1:0 aus dem Nichts.
Doch statt nachzulegen, wirkt das Team ohne Jamal Musiala jetzt erst recht ideenlos. Nagelsmann formuliert es nach dem Spiel so: „Wir haben praktisch das Spielen eingestellt.“ Insbesondere das Offensivspiel leidet ohne den noch nicht gänzlich fitten Münchner Edeldribbler. Torchancen blieben Mangelware – die Kimmich-Wirtz-Kombi bleibt einziger Höhepunkt der ersten 60 Minuten.
Doppelschlag der Portugiesen
In der 62. Minute schlägt Portugal zurück: Conceição trifft mit Traumtor zum Ausgleich und weckt die Gastgeber noch immer nicht aus dem Dämmerschlaf – im Gegenteil. Die Deutschen wirken jetzt erst recht konfus. Nur sechs Minuten später ist Ronaldo zur Stelle, der mit seinem Treffer zum 2:1 die Partie dreht. Statt Ärmel hochkrempeln und Schlussoffensive hat die deutsche Abwehrreihe anschließend Glück, kein Desaster zu erleiden.
Innenverteidiger Tah kann kaum einen Zweikampf für sich entscheiden, auch der eingewechselte Waldemar Anton wirkt überfordert – ohne Antonio Rüdiger und Nico Schlotterbeck in der Innenverteidigung fehlt die Stabilität. Beide stehen aufgrund von Verletzungen erst in Wochen oder Monaten wieder zur Verfügung.
Wieder ein kleines Finale
Die Schlussphase verläuft für Deutschland enttäuschend: Hektische Offensivbemühungen bleiben mit Ausnahme von Karim Adeyemis Außenpfosten-Knaller ohne Effekt. Portugal verwaltet den Vorsprung – wenn auch zum Teil mit grenzkomödiantischen Schauspieleinlagen.
Am Ende steht die bittere 1:2-Niederlage im Halbfinale – und mit ihr das vorzeitige Aus im eigenen Stadion. Einmal mehr ist ein Traum vom Titel in München jäh geplatzt. Es bleibt wie bei der WM dahoam 2006 das kleine Finale – diesmal sicher nicht gegen Portugal.
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