Prozess gegen Immobilienmakler: Den besten Freund und viele Frauen übers Ohr gehauen
Weiden. Dritter Tag im Prozess gegen einen Immobilienmakler (45) aus Weiden. Ein Sandkastenfreund berichtet, wie ihn der Angeklagte nach Strich und Faden belogen hat. Außerdem wird eine Frau als Zeugin gehört, die ihm über eine Dating-Plattform ins Netz ging - nicht die einzige.

Er hat Freunde betrogen, er hat Frauen betrogen. Zwei Beispiele von vielen sagen am Freitag als Zeugen am Landgericht Weiden aus. Da ist zunächst sein bester Freund aus Kindertagen. Der Zollbeamte (42) kann seine Bitterkeit nicht verhehlen. Die Eltern hatten gemeinsam ein Doppelhaus. Die Buben wuchsen wie Geschwister auf. Als der Vater des Angeklagten starb, fuhr er mit den Nachbarn in den Urlaub. “Wir waren best buddys.”
Jugendfreund summiert Schaden auf über 800.000 Euro
Als Erwachsene verloren sich die beiden zunächst aus den Augen, ehe 2015 der Kontakt wieder auflebte. Der Zollbeamte hatte inzwischen eine Frau aus dem Rheinland geheiratet, deren Familie sehr vermögend war. Als ihm der Kumpel aus Kindertagen eine gemeinsame Immobilienfirma vorschlug, biss er an. Es ging um die Vermittlung von NATO-Häusern im Landkreis Neustadt/WN. Pro Haus sei ein Gewinn von 40.000 Euro zu machen. “Wir bräuchten nur ein Startkapital von 400.000 Euro.” Der Zollbeamte besorgte sich das Geld vom Schwiegervater, gegen den Willen seiner Frau. Abgekürzt erzählt: Das Geld ist weg. Die Ehe ging zu Bruch.
Auch privat kaufte der Zöllner über den Immobilienmakler ein Haus. Voraussetzung war die Aufnahme eines Kredits von 100.000 Euro zum angeblichen Nachweis von Eigenkapital. Der Zollbeamte nahm den Kredit auf und überwies das Geld an den Angeklagten weiter. Auch diese 100.000 Euro sah er nie wieder. Insgesamt schaukelte sich die Schadenssumme in seinem Fall auf über 800.000 Euro hoch, sagt der Zeuge. Er frage sich, wo das Geld hingekommen sei und verweist auf ein Konto in Tschechien.
Ehe kaputt, finanziell am Ende
Heute ist der Zollbeamte arm wie eine Kirchenmaus. Er zahlt monatlich vierstellige Kreditraten ab – plus Unterhalt für seine vier Kinder aus der gescheiterten Ehe. Ihm bleiben knapp 500 Euro monatlich zum Leben. Er will mit allen Mitteln vermeiden, dass seine Eltern aus ihrem Haus ausziehen müssen, auf das eine Hypothek aufgenommen wurde.
Warum er dem Angeklagten vertraut hat? Da war zum einen die jahrzehntelange Freundschaft: “Wir sind gegenseitig Patenonkeln unserer Söhne.” Und da war das sehr selbstbewusste Auftreten des Jugendfreunds. “Er stellt schon etwas dar, wenn er kommt. Hier bin ich, ich kann was.” Am Handgelenk die Breitling-Uhr, auf dem Parkplatz der Porsche. “Wenn man ein Foto von einem erfolgreichen Geschäftsmann bräuchte, hätte man ihn fotografieren können.”
Sehr typisch für den Angeklagten war seine Hinhaltetaktik. Immer wieder erfand er neue Ausreden, warum sich Geschäfte verzögerten. Einmal erzählte er, seine Mutter sei beim Abholen einer nötigen Bescheinigung vor dem Finanzamt gestürzt, weil die nicht gestreut hätten. Einer Freundin erzählte er, er stehe kurz vor einer Blutvergiftung und müsse einen Termin canceln. Zum Beweis schickte er das Foto einer verletzten Hand. Hinterher stellte sich heraus: Er hatte ein Foto aus Google abfotografiert.
Frauen per Dating-Plattform an Land gezogen
Diese Freundin ist die zweite Zeugin am Freitag. Eine blonde Krankenschwester aus dem Allgäu, sehr sympathisch, sehr gutgläubig. Die 45-Jährige hatte den Weidener 2017 auf einer Dating-Plattform kennengelernt – wie übrigens noch mindestens drei andere Geschädigte aus ganz Bayern.
Er eroberte ihr Herz im Sturm. “Ich habe ihn als sehr fürsorglichen, aufmerksamen Mann kennengelernt.” Die Frau war alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes. “Er war sehr bemüht um uns beide.” Ab und zu fragte er den Kleinen am Telefon, mit welchem Auto er ins Allgäu kommen sollte: Mit dem Porsche, dem BWM oder dem Mercedes? Beiläufig ließ er fallen, “dass er unter 50.000 Euro im Monat nicht heim geht”.
Die eigenen Kinder als Nichten und Neffen zweiten Grades vorgestellt
Es folgten Reisen in den Europapark und nach Italien. Der Weidener war immer sehr großzügig, “oft mehr, als ich das wollte”. Dass er mit seiner langjährigen Lebensgefährtin in Weiden drei Kinder hat, ahnte die Allgäuerin nicht. “Er sagte, er sei kinderlos.” Als sie die drei Buben und die Kindsmutter einmal kennenlernte, behauptete der Immobilienmakler, es handle sich um seine Cousine und deren Kinder.
Der Angeklagte kannte die finanziell angespannte Lage der Krankenschwester, die in Teilzeit 1.300 Euro verdiente. Er schlug ihr ein Immobiliengeschäft in Ostdeutschland vor, bei dem sie auf die Schnelle 5.000 Euro Rendite machen könne. Den nötigen Kredit könne er ihr vermitteln. Die Verträge hatte er schon dabei. Sie unterschrieb noch im Auto und überwies ihm das Geld. Ende vom Lied: Die 50.000 Euro sah sie nie wieder – und die Bank forderte per Gerichtsvollzieher die Tilgungsraten für den Kredit ein. Ob es je eine Immobilie im Osten gab, weiß sie bis heute nicht.
Im Nachhinein sagt man vielleicht: Wie naiv kann man sein. Aber ich habe ihm einfach vertraut. Das war für mich überhaupt nie ein Thema, dass da irgendetwas Böswilliges kommen könnte. Zeugin
Rätselhaft bleibt die Rolle der letzten beiden festen Partnerinnen des Angeklagten und seiner Mutter. Die ergaunerten Gelder liefen teilweise über ihre Konten. Die Mutter hielt immer die schützende Hand über ihn, berichtet der Jugendfreund. “Ich glaube, am Ende war auch sie ein Opfer seiner Geschichten.” Auch die Witwe verlor Haus und Hof und musste 2024 in Begleitung des Gerichtsvollziehers ihr Eigenheim im Landkreis Neustadt/WN verlassen.
Der Prozess wird am Freitag, 11. Juli, 9 Uhr fortgesetzt. An Zeugen stehen noch Geschädigte aus, außerdem der Ermittlungsleiter der Weidener Kriminalpolizei. Zudem wird für den nächsten Prozesstag die angekündigte Erklärung des Angeklagten erwartet. Nach einem Rechtsgespräch hatte er über seinen Verteidiger Oliver Plate ein Geständnis angekündigt. Im Gegenzug hat die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Dr. Marco Heß ein Strafmaß zwischen 7 Jahren 3 Monaten und 7 Jahren 9 Monaten ausgesetzt. Fraglich, ob der Prozess am 11. Juli abgeschlossen werden kann: Plädoyers und Urteil brauchen auch Zeit.
Viele haben noch Rechnung offen
Der Zuhörerraum ist am Freitag voll besetzt. Die Wachtmeister stellen eine dritte Stuhlreihe auf. Laut wird verabredet, ob man Champagner für den Tag der Urteilsverkündung besorgen sollte. Wenn der Immobilienmakler verurteilt ist, soll der Schampus sprudeln. Viele haben noch eine Rechnung mit dem Angeklagten offen.
Einige Geschädigte bemühen sich offenbar, per Zivilklagen am Landgericht Weiden an ihr Geld zu kommen. Die anhängigen Verfahren sind aktuell ausgesetzt, bis der Strafprozess zu Ende ist. Äußerst fraglich, ob etwas zu holen ist: Der Insolvenzverwalter beziffert die Schulden bei 58 Gläubigern auf mindestens 3,6 Millionen Euro.
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