Prozess in Weiden: Dealer verkaufen Heroin aus Forensik heraus

Weiden/Regensburg. Heroin aus dem Klinikfenster. In der Forensik des Bezirksklinikums Regensburg sollten Straftäter von ihrer Sucht befreit werden. Stattdessen dealten sie von dort aus weiter.

Forensik Regensburg
Die Forensik und Jugendforensik auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses (medbo) für Straftäter, daneben befindet sich die Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo der 14-Jährige zuletzt untergebracht war. Foto: Karin Daubenmerkl

Vor dem Landgericht Weiden muss sich aktuell ein 27-Jähriger aus Nittenau (Landkreis Schwandorf) verantworten. Ursprünglich war er des 53-fachen Drogenhandels angeklagt. Außer dem Hauptangeklagten stehen sein kleiner Bruder (21) und drei Komplizen vor Gericht.

Statt brav die Suchttherapie zu absolvieren, betrieben der 27-Jährige und mindestens zwei weitere Patienten schwunghaften Handel mit Drogen. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Weiden aus Vernehmungen war auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses Regensburg zeitweise ein Kilo Heroin vergraben.

Ausgabe über Fenster des Raucherzimmers

Der Hauptabnehmer schilderte als Zeuge vor Gericht, wie er das Heroin in Empfang nahm. Er spazierte auf das frei zugängliche, parkähnliche Klinikgelände. Der Bereich der Forensik ist zwar von meterhohen Zäunen umgeben, aber die Abgabe der Drogen sei über das Fenster des Raucherzimmers möglich gewesen.

Nach dem Maßregelvollzug ging es ab 2021 draußen munter weiter: Die Brüder und ihre Freunde lieferten bis rauf nach Wunsiedel und runter nach Neumarkt. Alles, was gefragt war: Heroin, Kokain, Methamphetamin, Marihuana, Haschisch, Ecstasy-Tabletten. Vor der Weidener Strafkammer steht als fünfte Angeklagte die Wirtin (35) einer Pension im Landkreis Schwandorf, wo sich nach der BKH-Zeit der Drogenbunker befand.

Die Plädoyers werden für Montag, 9. Januar, erwartet, möglicherweise fällt auch schon ein Urteil. Nach Verständigungsgesprächen werden die ursprünglich angeklagten 53 Fälle des Drogenhandels wohl auf die sicher nachweisbaren Fälle beschränkt. Den Hauptangeklagten erwarten um die acht Jahre Haft. Sein Verteidiger ist Anwalt Rouven Colbatz.

Der Prozess wirft ein fragwürdiges Licht auf mögliches „Ausnutzen“ des Maßregelvollzugs. Suchtkranke Angeklagte können auf Anordnung des Gerichts statt im Gefängnis in einer forensischen Klinik untergebracht werden. Auch hier leben sie hinter Gittern und hohen Zäunen. Aber es besteht die Chance einer Freilassung nach der Halbstrafe. Entsprechend begehrt ist der „64er“ (Paragraph 64), wie ihn der Angeklagte und seine zwei Komplizen bekommen hatten.

Die Zahl der strafrechtlich untergebrachten Patienten in den 14 Bezirkskrankenhäusern hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt: In Bayern von 1.400 (Jahr 2000) auf 2.700 Patienten (2021; Quelle: Zentrum Bayern Familie und Soziales). Das Haushaltsvolumen des Freistaats Bayern für den Maßregelvollzug 2021 rund 333 Millionen Euro, pro Person also etwa 110.000 Euro im Jahr.

BKH: keine Stellungnahme

Die Forensik des Bezirksklinikums Regensburg wollte auf Nachfrage des OberpfalzECHO mit Rücksicht auf Patientendaten keine Auskunft geben.

Die Festnahme der Angeklagten erfolgte im März 2022.

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