Renten-Ruckrede von Ludwig Zitzmann: Am Ende soll man sagen können, es war ein erfülltes Leben
Neuhaus. Mit dem früheren Sparkassendirektor Ludwig Zitzmann konnten wir für die Echo-Renten-Debatte einen Pensionär reaktivieren, der sich gleich nach seinem letzten Arbeitstag mit einem Start-up selbstständig gemacht hat. Der Unruheständler weiß also genau, wovon er spricht.

Bereits im telefonischen Vorgespräch über Gott und die Trump-Welt macht Ludwig Zitzmann klar, was ihm in seiner neuen Lebensphase besonders wichtig ist. Aspekte wie Achtsamkeit, Philosophie und der Sinn des Lebens bewegen den Mann, für den Zahlen in seinem Berufsleben im Zentrum standen.
„Wenn einem bewusst wird, dass die Zeit ausläuft, wird sie besonders wertvoll“, philosophiert der ehemalige Spardirektor. Deshalb übe er Selbstdisziplin und habe seinen üblichen Rhythmus beibehalten.
Wenn man sich dann nicht aufrafft und die Stunden verstreichen lässt, ein Tag dem anderen gleicht, zerrinnt einem die Zeit zwischen den Fingern. Ludwig Zitzmann
Was fange ich jetzt mit mir an?
„Ich komme ja aus einer Zahlenwelt“, beginnt Ludwig Zitzmann sein Impuls-Referat. „Daten, Fakten, Zahlen waren das, was mich lange Zeit begleitet hat.“ Und nun also Ruhestand. „Jetzt endlich habe ich diese Zeit erreicht“, denke man sich. „Endlich bin ich in meiner großen Freiheit – Sie hören das immer wieder.“ Stattdessen der Schock: „Was mache ich jetzt mit mir?“ Was soll man mit dieser Zeit, mit dieser vermeintlichen Freiheit, mit diesem Ich im Ruhestand anfangen?
„Den Garten beackern, das Gartenhaus ausräumen, die Wohnung mal anders organisieren?“ Keine gute Idee, findet der Banker a.D. „Ich glaube, das kann es auf Dauer nicht sein.“ Was aber sonst? Man sollte sich lange Zeit vor diesem Moment Gedanken darüber machen:
Wie könnte es denn weitergehen, was bewegt mich wirklich, was wollte ich schon immer tun, welche Hobbys würden mich jetzt interessieren – das Malen, das Gärtnern, die Natur, mache ich den Jagdschein? Ludwig Zitzmann
Wann sind die Lebensträume ausgeträumt?
Kollegen hätten so etwas oder Ähnliches getan: „Ich habe von einem leitenden Beamten in München gehört, der will sich jetzt mit seinem Lebenstraum, der Archäologie, auseinandersetzen“, erzählt Zitzmann. „Ein leitender Beamter in Regensburg geht in der Kunst auf.“ Ein Dritter studiere Geschichte oder Philosophie. Oder, um erst mal klein anzufangen: „Es gibt Kurse in der Volkshochschule, über Themen, die einen bewegen.“ Ein weites Feld in aller Kürze also, dieser letzte Lebensabschnitt.
„Und ich bitte Sie alle, die an dieser Schwelle stehen, einfach darüber nachzudenken: Große Reisen können Highlights sein, aber das wird sich irgendwann totlaufen – reisen Sie, solange es möglich ist, solange man die körperliche Fitness hat.“ Dann kämen bescheidenere Bedürfnisse. Man brauche Zeit für seine Seele, für seinen Geist, für seinen Körper.
Wir alle wissen, je länger wir uns mit der Erde auseinandersetzen dürfen, desto schwieriger wird’s, körperlich fit zu bleiben. Ludwig Zitzmann

Nicht übertreiben, aber gegen Einsamkeit vorbeugen
Auch sein Wissen weiterzugeben, könne bereichern: „Alt hilft Jung, als Business Angel, was auch immer.“ Es gebe viele Möglichkeiten freiwilliger Arbeit: für Senioren, für Vereine, für Verbände. „Ich weiß, Vereinsarbeit wird immer weniger geschätzt, die Vereine haben Nachwuchsprobleme, vielleicht kann man sich da engagieren.“ Dabei aber, bitte schön, immer auf sich selber achten, sich nicht übernehmen. Kein „Papa ante Portas“ werden und sich in den nächsten Fulltime-Job stürzen.
„An eines bitte ich Sie zu denken, was aus meiner Sicht sehr, sehr wichtig ist“, appelliert der besorgte Sparkassen-Pensionär, „so, mit 60 spätestens realisieren wir, dass die Generation vor uns geht, die beruflichen Kontakte dünnen sich gewaltig aus, die privaten Kontakte werden weniger.“ Deshalb wirklich darauf achten, soziale Kontakte auszubauen und zu intensivieren.
Weil leider werden sie biologisch immer weniger, wenn wir nichts tun, und dann wundern wir uns, wenn wir am Ende unseres Lebens oder in der schwierigen letzten Phase relativ allein sind. Ludwig Zitzmann
Kein Getriebener eines Terminkalenders
Daran müsse man auch in der eigenen Familie arbeiten. „Ich bin aufgebrochen in eine neue Welt“, beschreibt Zitzmann sein Best-Ager-Abenteuer, „Ja, Sie haben es gesagt, ich habe mich selbstständig gemacht.“ Er wolle sein Wissen weitergeben: „Ich tue es, ich helfe Menschen, die meine Hilfe nachfragen – aber ich bin nicht mehr Getriebener eines Terminkalenders.“ Er nehme vielmehr bewusst die Natur wahr, nehme sich die Zeit, für Dinge zu leben, die er vorher nicht hatte.
Das Stückchen Freiheit, das Stück Eigenständigkeit, genieße er in vollen Zügen. „Und da bitte ich Sie, einfach darüber nachzudenken, wie Sie sich das organisieren, um die letzte Phase so zu gestalten, wie Sie es wollen – mit einem erfüllten Leben.“ Egal, was man tue, es sollte erfüllt sein. Denn es würden Momente kommen, die einem nicht gefallen: „Wir werden Abschiede erleben.“ Es gehe ja nicht mehr aufwärts, es gehe nur noch rauswärts aus dieser Welt.
Aber wenn wir selber aus dieser Welt gehen, soll man sagen können, es war ein erfülltes Leben! Ludwig Zitzmann
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