Rupprecht im Echo-Interview (1): Was will die CSU in der Migrationspolitik anders machen?
Weiden. Die politische Stimmung in Deutschland ist nach dem Ampel-Aus-Chaos am Boden. In den Umfragen führt die Union. Der Weidener Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht beschreibt in einer Interviewserie die Ausgangslage – und was er für die Region erreichen möchte.
Die Stimmung im Land ist schlecht, das Vertrauen in die Politik auf niedrigem Niveau. Wie wollen Sie die Menschen davon überzeugen, dass eine unionsgeführte Regierung eine Politik hinbekommt, die Probleme zufriedenstellend löst?
Rupprecht: Unsere Region hat die Fähigkeit, sich aus schwierigen Lagen herauszuarbeiten, weil unsere Leute fleißig sind. Es braucht einen Ruck, um möglichst viele Menschen mitzunehmen, ein Programm, in dem sich Alt und Jung, Arbeitnehmer und Unternehmer wiederfinden. Wir müssen die Frustration und Lethargie überwinden und zusammen, alle in derselben Richtung, anpacken.
Beim Deutschlandrat der Jungen Union in Weiherhammer mit Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann fiel die konstruktive Herangehensweise beim Thema Migration mit dem Migrationsexperten Gerald Knaus (siehe Infokasten unten) positiv auf – jetzt setzt die CSU im Wahlkampf doch wieder auf Töne wie „knallhart“. Dient das der Lösungsfindung wirklich?
Rupprecht: Die zwei wichtigsten Themen für die Bürger sind: Bekommen wir ein Wirtschaftswachstum in Gang, und führen wir die Migration auf ein Niveau zurück, dass die Leute wieder sagen, „ich fühle mich zu Hause in meinem Land“?
Wenn wir das nicht hinbekommen, bekommen wir bei der nächsten Wahl eine Mehrheit der Populisten. Albert Rupprecht
Wenn Trump sein Wahlversprechen wahrmacht, wird aller Wahrscheinlichkeit nach Putin zumindest auf Sicht freie Hand in der Ukraine bekommen – möglicherweise darüber hinaus. Der Nahe Osten ist und bleibt ein Pulverfass, Stichworte Gaza und Syrien. Der Migrationsdruck wird also eher steigen. Europa dichtzumachen, ist nach Auffassung vieler Experten eine Illusion. Wieso sollten Ihnen AfD-Wähler glauben, dass die Union das völlig anders bewältigt als bisher?
Rupprecht: Wir wollen drei Dinge ändern: Erstens muss differenziert werden zwischen Bürger- und Menschenrechten. Das heißt, nicht sofort Sozialleitungen im vollen Umfang für alle Schutzsuchenden, um den Pulleffekt zu reduzieren …
… was verfassungsrechtlich umstritten ist.
Rupprecht: Das stimmt, aber die Verfassungswirklichkeit zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht sehr viele Entscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers akzeptiert, weil man in Karlsruhe auch sieht, dass man Grundgesetze nicht nur nach dem Buchstaben auslegen kann, sondern Entwicklungen, wie die Ausnutzung des – aus historischen Gründen – weltweit großzügigsten Asylrechts. Was ich den Menschen überhaupt nicht zum Vorwurf mache, die aus elenden Verhältnissen zu uns kommen wollen. Nur ist das in vielen Fällen eben kein Asylgrund.
Was wollen Sie noch verändern?
Rupprecht: Zweitens halte ich es für zwingend notwendig, die Grenzen zu sichern.
Das habe ich auch 2015, mit vielen in der CDU/CSU oder auch bei der Bundespolizei, schon anders gesehen als Bundeskanzlerin Angela Merkel. Albert Rupprecht
Halten Sie es für realistisch, die immensen EU-Außengrenzen hermetisch abzuriegeln, inklusive aller Seewege und der Versuche Russlands die EU-Staaten durch gezielte Migrationssteuerung an den Ostgrenzen zu destabilisieren?
Rupprecht: Ich halte es nicht nur für realistisch – im Übrigen zeigen das auch die Erfahrungen der Bundespolizei Waidhaus –, sondern auch für verfassungsrechtlich geboten, unsere deutschen Grenzen zu schützen. Da ist vieles machbar. Das wird zwar zu einer Kaskade führen, die den Druck an den Außengrenzen zunehmen lässt, das dann mit einem gemeinsamen Vorgehen der EU-Staaten geregelt werden muss.
Wird das nicht, wie bereits jetzt, lediglich dazu führen, dass die Flüchtlinge nach der riskanten Mittelmeerüberfahrt in Italien und Griechenland landen? Wie wollen Sie die EU-Staaten, die das Pech haben, an den Außengrenzen zu liegen, davon überzeugen, die gesamte Last der Migration zu bewältigen? Italien versucht, Migranten gegen Bezahlung nach Albanien abzuschieben. Eine Praxis, die italienische Gerichte bisher in die Schranken weisen.
Rupprecht: Richtig ist, dass es unmenschlich ist, Menschen dem Risiko auszusetzen, im Mittelmeer zu ertrinken. Anlaufstationen wie Italien haben Schwierigkeiten, diese Situation in den Griff zu bekommen. Auch die Versuche Großbritanniens, Asyl-Außenlager in Ruanda einzurichten, wurden gerichtlich gestoppt.
Unter anderem auch deswegen, weil die bisherigen Abkommen mit den nordafrikanischen Regimen gezeigt haben, dass Asylsuchende dort mitnichten auf faire Verfahren hoffen können, sondern misshandelt und in die Wüste verfrachtet werden.
Rupprecht: Diese Praxis ist in der Tat nicht zu tolerieren. Wenn man eine Lösung außerhalb Europas anstrebt, wie sie auch Migrationsforscher Knaus vorschlägt, dann muss man das mit zuverlässigen Regierungen sorgfältig ausverhandeln und klare Regeln schaffen.
Beim Türkei-Abkommen hat das auch lange gut funktioniert. Ich glaube, dass ein geordnetes Verfahren gelingen kann und muss. Albert Rupprecht
Lange hat sich die Politik auch des Feigenblattes bedient, man müsse ja nur die Fluchtursachen bekämpfen. Einer Nato-Allianz ist es nicht einmal gelungen, einen demokratischen Regimewechsel in nur einem Land – Afghanistan oder Irak – durchzusetzen. Laut dem Konfliktforschungsinstitut „Uppsala Conflict Data Program“ (UCDP) gibt es allein 55 verschiedene Konflikte mit staatlicher Beteiligung, von denen acht die Intensitätsstufe eines Krieges erreicht haben. Wie will man da Fluchtursachen bekämpfen?
Rupprecht: Da gebe ich Ihnen recht. Die Bekämpfung von Fluchtursachen ist ein notwendiges, aber sehr langfristiges Ziel. Und wir wollen uns auch nicht völlig abschotten. Uns geht es darum, unseren deutschen Beitrag zu leisten. Zum einen bei Menschen mit triftigem Asylgrund, die aber auch bereit sein müssen, sich zu integrieren. Zum anderen bei Menschen, die eine berufliche Perspektive suchen, und bereit sind, die Sprache zu lernen und sich als Fachkräfte bei uns einzubringen. Da müssen wir besser werden. Wenn sich jemand bewirbt, muss das Prüfverfahren zügig gehen.
Wenn ich mir anschaue, wie wochenlang verhindert wurde, dass Pflegekräfte von den Philippinen bei uns einreisen können, dann widerspricht das den Interessen des Standorts Deutschland. Albert Rupprecht
Unions-Migrationspolitik statt AfD-Remigrationshetze
Ganz Europa schaue gebannt darauf, sagt Gerald Knaus, ob es der Union als Partei der Mitte bei dieser Wahl gelinge, rechtspopulistische Dexit-Parteien in Schach zu halten. „Im Grundsatzprogramm der Union und auch der EVP ist alles enthalten, was ganz klar die Unterschiede zur AfD aufzeigt, aber auch die Versäumnisse des Ampel-Koalitionsvertrags, illegale Migration zu reduzieren.“ Die Zahlen seien nach der Groko drastisch gestiegen.
„Das Narrativ der AfD stimmt ja nicht, dass unter unionsgeführten Regierungen nichts passiert sei.“ Die Zahl der Asylanträge sei 2016, als Russland in den Bürgerkrieg in Syrien eingegriffen und eine Massenflucht ausgelöst habe, von damals 720.000 auf 140.000 in 2019 gefallen. „Das war nur noch ein Fünftel, und ist jedes Jahr gesunken.“
„Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD“
Knaus appelliert an die Union, sich klar von der offenen, rassistischen Remigrationsrhetorik der AfD abzugrenzen und erinnert an die Aussagen Christian Lüths. Der damalige Sprecher der AfD-Fraktion, hatte der damals noch rechtslastigen YouTuberin Lisa Licentia, verraten: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“ Deshalb begrüße er es, wenn noch mehr Flüchtlinge kämen. Man könne später Migranten ja auch „erschießen“ oder „vergasen“.
Konkret vertritt Gerald Knaus pragmatische Ansätze in der Migrationspolitik und setzt sich für humane, geordnete und wirksame Lösungen ein:
- Menschlichkeit und Kontrolle verbinden: Knaus fordert eine Migrationspolitik, die sowohl menschlich als auch kontrolliert ist. Das bedeutet, dass Migration geordnet und legal ablaufen muss, ohne die Rechte von Geflüchteten und Migranten zu verletzen. Er lehnt eine Politik der Abschottung ab, spricht sich jedoch für klare Regeln aus, um unkontrollierte Migration und illegale Schleusertätigkeit einzudämmen.
- Kooperation mit Drittstaaten: Er setzt auf Abkommen mit Drittstaaten, ähnlich wie das EU-Türkei-Abkommen, um Migration zu steuern. Diese Vereinbarung sollte auf Gegenseitigkeit, rechtsstaatlichen Grundsätzen und gerechterer Lastenteilung beruhen. Ziel ist es, Migranten vor gefährlichen Routen zu schützen und sichere, legale Wege zu eröffnen.
- Schutz der Menschenrechte: Knaus betont, dass der Schutz der Menschenrechte und die Einhaltung des internationalen Flüchtlingsrechts zentrale Bestandteile jeder Migrationspolitik sein müssen. Er kritisiert Praktiken wie illegale Pushbacks oder menschenunwürdige Bedingungen in Flüchtlingslagern scharf.
- Förderung legaler Wege: Um irreguläre Migration einzudämmen, fordert er die Schaffung legaler Alternativen wie Arbeitsmigration, Resettlement-Programme und temporäre Schutzmechanismen.
- Reform des EU-Asylsystems: Knaus plädiert für eine Reform des Dublin-Systems, das Länder an den EU-Außengrenzen überfordert. Er schlägt ein flexibleres System vor, das Solidarität zwischen den EU-Staaten stärkt und Verantwortung gerechter verteilt.
- Effiziente Verfahren: Asylverfahren sollten schneller und transparenter gestaltet werden, um langwierige Unsicherheiten für Geflüchtete und ineffiziente Bürokratie zu vermeiden. Gleichzeitig sei es wichtig, Rückführungen für abgelehnte Asylbewerber rechtssicher und human durchzuführen.
- Akzeptanz in der Bevölkerung: Knaus argumentiert, dass Europa zeigen muss, Migration effektiv steuern zu können, um Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten.
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