Schobers Rock-Kolumne: „Als ich mit John Cale Squash im Injoy spielte“ – im März live in München mit Band

Parkstein. Er hat sie alle geholt: Konzertveranstalter Hubert Schober brachte Rio Reiser oder Manfred Man nach Weiden. Der gelernte Sozialpädagoge veranstaltete international erfolgreiche Shows wie die Circus-Produktion Mother Africa. Für OberpfalzECHO rezensiert er musikalische Neuerscheinungen und Evergreens.

Schobers sechs Scheiben des Monats. Cover-Collage: jrh

Als das Weidener Zelt-Festival zum ersten Mal seine Pforten öffnete – 1989 müsste das gewesen sein – füllten es Gäste aus ganz Europa. John Cale gab sein einziges Konzert auf dem Kontinent – und spielte mit mir eine Runde Squash im injoy (die ich mit Mühe gewinnen konnte, der Typ war technisch super, ich schneller auf den Beinen).

Das ist nun schon eine ganze Weile her, der Meister feierte letztes Jahr bereits seinen 80. Geburtstag – und schwieg zuvor über ein Jahrzehnt. Irgendwie hatte man seinen Frieden damit gemacht, die letzten Werke waren eh ein wenig geschmäcklerisch, es grassierten vielmehr die Bedenken der Imageschädigung. Live ist der Ausnahmekünstler übrigens am 5. März in der Münchner Muffathalle zu erleben. Pflichttermin!

Leicht hat es uns Cale noch nie gemacht!Hubert Schober

Und ja, leicht macht es uns der studierte Musiker und Miterfinder einer der wegweisendsten Kapellen der Pop-Geschichte, Velvet Underground, auch auf „Mercy“ (Domino) nicht. Aber leicht hat er es sich und uns ja noch nie wirklich gemacht, seien es nun nervtötende Viola- oder eruptive Gesangseinlagen gewesen. John Cale, der Sanfte, John Cale, der Berserker. Auf „Mercy“ dominiert der Sanfte und der Suchende, der Experimentierfreudige, der auch im Alter noch visionäre, der Wandelbare und doch immer an seiner markanten Stimme Identifizierbare.

Verletzliche Liebeslieder und hoffnungsvolle Überlegungen für die Zukunft. Trump und Brexit, Covid und der Klimawandel, Bürgerrechte und Rechtsextremismus – Cale ließ die schlechten Nachrichten des Tages in seine Zeilen einfließen, ob das nun bedeutete, über die Souveränität und den rechtlichen Status des in Polnähe schmelzenden Meereises nachzudenken oder über die ungelenke Bewaffnung der Amerikaner.

Ein wacher, schlauer Kopf war er schon immer. Und anstelle ihm einmal in hoffentlich erst vielen Jahren Tribute zu zollen, haben sich jetzt schon illustre Gäste eingefunden, um diese kühlen wie kühnen, elektrifizierten Kunst-Lieder zwischen Avantgarde, Electric und Pop zu bereichern und umzusetzen. Animal Collective, Sylvan Esso, Laurel Halo, Tei Shi, Actress, Weyes Blood oder die Fat White Family, alles Grenzgänger und Forschende wie Cale selbst bereichern dieses Alterswerk, das Bowie’s „Blackstar“ ebenbürtig ist.

Neues von Blues-Ikone Joe Louis Walker

Auch nur ein paar Jahre jünger als der Waliser (und langjähriger Wahl-New Yorker) ist die Blues-Ikone Joe Louis Walker aus San Francisco. Vorbelastet durch ein musikalisches Elternhaus führte Ihn kein geringerer als Mike Bloomfield in die Musikszene ein, so dass der Jungspund schon mit Größen wie Jimi Hendrix, den Grateful Dead, Freddie King, Muddy Waters, Steve Miller oder John Lee Hooker, B.B. King und James Cotton jamte. In den 70ern entdeckte der Blues-Mann auch Gospel und Soul und führte seitdem diese Stile – noch ergänzt durch etwas Jazz und Funk – zusammen.

Das bescherte Ihm nicht nur sechsmal den Gewinn des Blues Music Awards, auch der Grammy winkte von weitem. Auf dem aktuellen Werk bleibt er seinem Stil treu, schwelgt in Streicher-gestützten Soul-Balladen (die ein wenig an Lenny Kravitz erinnern), intoniert barmende Gospel-Songs, schickt uns mit funky Nummern auf den Tanzboden -und hat natürlich mal wieder den Blues in all seinen Schattierungen. Das „Weight Of The World“ (Bertus) kann man mit solchen Platten recht gut ertragen.

Ungefähre Wellen: Kann man, muss man nicht

Ich nehme mal an, dass die Jungs von den Circa Waves kein Werk der bislang genannten Musiker –Velvet Underground vielleicht einmal ausgenommen – je gehört, geschweige denn als Inspirationsquelle genützt haben. Hätte unter Umständen nicht geschadet, denn ihre Mischung aus Indie-Rock und Brit-Pop ist zwar nett, aber das ist so ziemlich das Schlimmste, was man über eigentlich ambitionierte Musiker und ihr Werk sagen kann.

Anstelle sich „Never Going Under“ (PIAS) (in diesem Falle ein frommer Wunsch) anzuhören, kann man sich auch besser eine Platte der Arctic Monkeys, der Killers, der Strokes oder Kooks zu Gemüte führen und man bekommt dafür reineren Stoff geboten. Irgendwie klingt das alles ein wenig gequält, uninspiriert und beliebig zusammengeschustert, als müsse man den Plattenvertrag erfüllen. Man kann dazu aber gut Fahrstuhl fahren, die Zeitung lesen oder auf die nächste (spannendere) Band beim Festival warten.

Irgendwas auf Johnnys Notebook

Nicht viel anderes gilt es von dem in Wuppertal und Madrid verwurzelten Synth-Punk Duo Johnny Notebook zu vermelden. Der Roland-TR505-Drum-Composer bildet zusammen mit dem PolyKorg800-Synthesizer und Vocoder-Gesängen die Grundlage all dieser Songs.

Eigentlich sind es ja eher kurzlebige, rhythmische Skizzen – auf „Johnny Notebook And The 28th Century Mates“. Kurz, knapp, direkt, als würden Devo die alten Sex Pistol-Songs covern. Was hier definitiv fehlt, ist ein wenig Abwechslung.

Frank Popps Vintage-Sound

Die wiederum garantiert uns Herr Frank Popp mit seinem Ensemble. Einst durch einen Coca-Cola-Werbespot und seinem Beitrag zum Film, „Password: Swordfish“ (mit John Travolta und Halle Berry) zu einiger Berühmtheit gelangt, offeriert sein Album, „Shifting“ (Unique) eine eklektische (und oftmals cineastische) Reise durch allerlei Seventies-Funk, -Soul, -Rhythm’n‘Blues- und -Pop-Sounds. Obgleich das Werk recht kompakt wie stringent geraden ist, sorgen vor allem diverse Gäste für Abwechslung.

Da wäre schon mal die großartige Stimme von Anna Glahn auf „See It Coming“, oder die mehrfach wiederkehrende von Jesper Munk, der ja auch schon mal ein Gastspiel in der Sünde in Weiden gab. Außerdem hören wir noch Lucy Kruger, Aydo Abay, Sam Leigh-Brown und erstmals auch den Meister selbst. Wer auf guten Vintage-Sound von den Blues Brothers über Glam-Rock bis zu den Soul- und Pop-Größen der 70er steht, darf hier ein Schatzkästlein öffnen.

Sanfte kanadische Singer-Songwriterin

Zum Abschluss noch etwas Besinnliches aus Kanada. Jill Barber ist dort eine Größe, hat sich schon mal Gold geholt und konnte jüngst auf 100 Millionen Streams auf Spotify zurückgreifen. Man kennt die Singer-Songwriterin also auch schon in anderen Gefilden, die 38 Millionen Landsleute allein werden es nicht gewesen sein.

„Homemaker“ (Outside) ist ein recht leises Folk- & Country-Album, bei dem auf üppige Streicher oder anderen Firlefanz verzichtet wurde. Die sanfte, etwas kindlich-naive und an Cindy Lee Berryhill erinnernde Stimme steht zusammen mit der Akustischen im Zentrum und erzählt Geschichten über die Komplexität von Mutterschaft, Ehe und den Kampf, sich in der eigenen Identität zu Hause zu fühlen.

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1 Kommentare

Ewald Zenger - 23.02.2023

Wie immer ist es eine Freude, Hubert Schobers Kritiken/Empfehlungen zu lesen! Auch wenn es die Augen schmerzt, wenn in der Einleitung wieder „Manfred Man (!)“ steht, nachdem es schon einmal korrigiert wurde^^

Zur John Cale: Ich hatte 1989 beim ZELT-Festival das zweifelhafte Vergnügen, den Meister mit dem geliehenen Benz aus München abzuholen und nach seinem Auftritt wieder zurück ins Sheraton zu fahren. Darauf bestand er, obwohl das neue Hotel Admira in Weiden dem in die Jahre gekommenen Sheraton in München an Komfort, Platz und Preis überlegen war. Auch sonst schien mein musikalisches Idol ein recht arroganter Typ zu sein, aber egal: Seine Musik und sein Solo-Auftritt am Klavier waren großartig 🙂