Schobers Rock Kolumne: Das Jahr beginnt mit vielen belgischen und niederländischen Singer/SongwriterInnen

Oberpfalz. Wir blicken nochmals zurück auf das letzte Jahr und begegnen hier einem alten Zausel mit Gandalf-Wanderstab zusammen mit seiner Frau auf dem Cover.

Tucker Zimmerman, , Issac Roux, ETA IVtet, The Sarandons, Roosmarijn, Ramkot

Es handelt sich um den 83-jährigen Tucker Zimmerman und seine Frau Marie Claire mit der er seit 55 Jahren verheiratet ist. Wer aber ist dieser Mann?! Zimmerman ist nicht ein verschollener Bruder von Bob Dylan, er wurde vielmehr in San Franzisco geboren und entzog sich dann dem Wehrdienst durch einen nicht endenden Ausflug nach Europa, wo er letztendlich in Belgien hängen geblieben ist. Hunderte von Songs hat er seitdem geschrieben, David Bowie hielt ihn für einen der fähigsten Songwriter überhaupt. Adriane Lenker und ihre Band Big Thief denken da genauso und haben den Oldtimer revitalisiert und mit ihm das Album mit dem passenden Titel, „Dance Of Love“ (Beggars) aufgenommen. Vor diesem kann man sich nun schon alleine wegen des betagten Alters einer der Protagonisten verbeugen, man kann es aber einfach auch ganz neutral als ein gelungenes Singer/Songwriter-Werk mit berührenden Duetten begreifen. Lenkers noch juvenile Stimme kontrastiert atmosphärisch dicht mit der brüchigen Zimmermans bei diesen zwischen Folk, Country und Blues angesiedelten Akustik-Balladen, die auch mal von Streichern oder Bläsern gestützt werden. Ergreifend schön.

die Ups & Downs des alltäglichen Lebens

Ebenfalls aus Belgien stammt der noch sehr junge Kollege, Issac Roux. Der hat die Musik sogar studiert, und zwar am renommiertem Liverpool Institute for Performing Arts, welches von Sir Paul McCartney persönlich mitgegründet wurde. Durch die enge Verbindung des Institutes mit dem Beatle, legte dieser wohl auch letzte Hand an den Songs des Debüts, „Troubled Waters“ (Mayway Records) an. Das klingt jetzt aber keineswegs nach den Wings, Herr Roux verfügt über ein erstaunlich wandlungsfähiges Organ, das von zart-fragil bis energisch-rau reicht. Damit schwelgt er in zart gezupften akustischen Klavier- und Gitarren-Balladen, die er mit sphärischen Keyboard-Klängen anreichert oder er erklimmt im vollen Ornat üppige, fast schon orchestrale Fleet Foxes-Gipfel. Mit seinen Liedern über die Ups & Downs des alltäglichen Lebens, will er seinen Mitmenschen und Zuhörern Mut machen. Kann man ja immer gebrauchen.

Ein Jam-Monster aus den USA

Ex-Isotope 217 und -Tortoise Musiker Jeff Parker ist da aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Zusammen mit Saxophonist Josh Johnson(SML, Meshell Ndegeocello, Leon Bridges), Anna Butterssam Bass(SML, Jason Isbell, Phoebe Bridgers) und Schlagzeuger Jay Bellerose(Robert Plant, Allen Toussaint, Joe Henry) hat er unter dem Projektnamen, ETA IVtet das Album, „The Way Out of Easy“ (International Anthem) aufgenommen. In nur einer einzigen Nacht entstanden befinden sich vier, zwischen 16 und 25 Minuten lange Instrumentals darauf, die diese ungemeine Spielfreude und Improvisationslust gekonnt einfangen. Jazz wie er sein sollte, losgelöst, frei schwingend, trotzdem technisch brillant umgesetzt und eine Wohltat für Herz und Seele.

Angenehme Unaufgeregtest aus Kanada

Vom Jazz (wie er sein sollte), zur Americana, wie diese am entspanntesten klingt. Ein Quintett aus Kanada, The Sarandons, machen dabei eine extrem gute Figur, denn diese Zutaten stimmen. Entschleunigt und relaxt wie bei den Dire Straits geht es hier zu. Die Melodieführung erinnert ein wenig an Bruce Springsteen, wobei die vielen kleinen Gitarren-Ornamente mehr schliff haben und auch teils von Tom Verlaine stammen könnten. Gibt die Combo wie in „Dream Machine“ oder „Feb_View“ ein wenig Gas kommen auch die Kings Of Leon und gar die Manic Street Preachers ins Spiel, am besten musizieren diese Jungs aber im Rock-Pop-Bereich des Titelstücks, „Drawing Dead“ (Flying Colours). Die Themenvielfalt dieser Lieder ist weit gestreut und handelt von Alltäglichem, der Liebe, aber auch dem Unfall von Sänger Dave Suchons Vater, der zu einer Querschnittslähmung führte. Seine Schlussfolgerung: niemals aufgeben.

Kein Käse aus Holland

Sind die Kanadier fest im Hier & Jetzt verankert, bezieht eine Holländerin ihre Inspirationen klar aus der mystisch verklärten Natur. Roosmarijn Tuenter, kurz Roosmarijn gerufen singt dabei so beseelte Zeilen wie „Oh deer, your beauty is as profound as the lake in which we swim. Oh deer, let’s sink deeper and deeper – when I’m with you I have nothing to fear.” Wen das nicht berührt, der ist wahrscheinlich schon tot. Auf Ihrem Debüt, „Wild Open Space“ (The Orchard) sind lauter solche Song-Perlen, die vor allem durch die zarte, manchmal fast gehauchte Stimme („The Mother“) ihrer Protagonistin und deren Bratschenspiel bestechen. Diese zupft oder streichelt sie, reichert diese kammermusikalischen Folk-Pretiosen mit weiteren Streichern und Bläsern an und ist damit ganz nah an Kolleginnen wie Joanna Newsome, Jessica Pratt, Weyes Blood oder Julia Holter. Sehr schön klingt das im Track „Fire Walk With Me“, der filigran und minimalistisch beginnt und sich mehr und mehr in einen euphorischen Klangrausch hineinsteigert. Eine berauschende Neuentdeckung.

Viel Lärm um nichts?

Kehren wir am Ende nochmals ins Land der Pralinen- und Pommes-Freunde zurück. Dort treiben nämlich nicht nur alte Zausel, junge Singer/Songwriter oder famose Art-Rock-Kapellen ihr Unwesen, es gibt da tatsächlich auch ganz straighte und vor allem laute Rocker. Diese hier sind ein Trio und hören auf den Namen Ramkot. Nicht in Brüssel sondernd auf der kalifornischen Rancho de la Luna in Joshua Tree, wo schon Foo Fighters, Arctic Monkeys, Kyuss und Queens Of The Stone Age Alben machten wurde eingespielt. Und nach einer Mischung aus diesen Bands klingt das Album, „Rosa“ (V2) nun auch. Zunächst wird wild Punk- und Alternativ-Rock-mäßig gerumpelt. „Hollow“ nimmt die Schärfe aber auch die Geschwindigkeit raus und klingt dann sogar ein wenig psychedelisch, der „Zeppelin“ hat dann gar den Funk und der ans Ende gesetzte Titeltrack beendet dieses vielseitige Werk mit einer Klavier-Ballade, dem herzerwärmenstem Stück des Albums.

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