Schobers Rock Kolumne: Urlaubs Feeling auf den neuen Scheiben
Weiden. Kitty Solaris, oft als "Queen of Indie" betitelt, zeigt auf ihrem neuen Album eine breitere stilistische Palette, die vom minimalistischen Elektro zu Indie-Pop reicht. Julian Dawson feiert mit einem neuen Album, das Vergangenheit und Gegenwart verbindet, seinen 70. Geburtstag und hofft auf späten Ruhm. Die Decemberists veröffentlichen nach sechs Jahren Wartezeit ein doppeltes Meisterwerk, das diverse musikalische Genres erkundet und ihre 25-jährige Kreativität würdigt.

Wer jetzt am Strand liegt oder sich auf einem Gipfel wohlfühlt, sollte etwas Muse haben und sich mal ein paar ziemlich großartige Scheiben reinziehen. Viele davon laden zu einer Zeit-Reise ein, Urlaubs-Feeling ist also garantiert. Im September letzten Jahres war die Berliner „Queen of Indie“, Kitty Solaris zu Gast in der Sünde. Vielleicht war ja einer der Leser beim Konzert. Damals galt es das Album, „Sunglasses“ zu promoten, jetzt legt die umtriebige Musikerin mit Herrn „James Bond“ (Broken Silence) nach.
Warum James Bond, keine Ahnung. Man trifft auf dem Album zwar auf das Robert Palmer-Cover („Johnny And Marry“) und der war echt eine coole Socke. Man trifft auch auf den „Peace Train“, der nicht von Cat Stevens stammt und auch auf die „Heroes“, die nichts mit David Bowie zu tun haben, typische Soundtrack-Melodien sucht man jedoch vergebens. Kitty Solaris, die sich einst zwischen Patti Smith und Blondie angesiedelt hatte, ist weiterhin auf dem eher minimalistischen Elektro-Trip, der sich aber jetzt doch wieder mehr dem Indie-Pop der Velvet Underground-Schule hinwendet.
2-Meter-Glatzen-Mann
Lieder wie „Spring Air“ sind schon fast Folk-verliebt in ihrer behäbigen Zartheit. Der nach der südamerikanischen Droge „Ayahuasca“ benannte Song, entfaltet, dank repetitivem Tribal-Sound, seine halluzinogene Wirkung auch ganz ohne die entspreche Substanz, das erwähnte Palmer-Cover wird auf Drum-Computer, ein paar Synthies und viel Hall reduziert. Kitty Solaris James Bond „Hommage“ gefällt besser als die Alben zuvor, ist es doch stilistisch wieder breiter angelegt.
Der Dezember ist noch lange hin, eine Kapelle gleichen Namens sorgt im Hochsommer aber schon für Feierlaune. War vor über 35 Jahren auch schon mal in der Weidn zu Gast. Von wegen Wonnebrocken! Kann sich noch jemand an den 2-Meter-Glatzen-Mann Julian Dawson erinnern? Das gastierte Ende der 80er mit seiner Band und dem Debüt-Album, „As Real As Disneyland“ im JuZ Weiden. Das grandiose Werk wurde von krassen Musikern wie Jaki Liebezeit, Rosko Gee, Helmut Zerlett und Linda Hayes eingespielt und enthielt eigentlich Hits für Millionen.
Namedropping zum 70.
Eigentlich, denn obgleich bei einem Major (Deutsche Grammophon) erschienen, hakte die Karriere. Dawson macht aber bis heute weiter, auch wenn man über einen Club-Act nie hinausgekommen ist. Eine Ausnahme gab es jedoch, der Song, „How Can I Sleep Without You“ schaffte es sogar in die deutschen Charts. Dieser ist nun als Duett mit Lucinda Williams, einigen weiteren Neuinterpretationen aus seiner 40-jährigen Karriere, aber auch neuen Kompositionen auf seinem aktuellen Werk, „Julian Dawson“ (Magic Mile Music) zu hören.
Man kann nur die Daumen drücken, dass es mit diesem Namedropping zum 70. Geburtstag noch zu spätem Ruhm reichen wird, ist das Werk doch einmal mehr randvoll gefüllt mit tollen Singer/Songwriter-Songs zwischen Folk, Rock und Pop.
Von wegen breit angelegt: Da kommt der neue Longplayer (es ist sogar ein Doppel-Album!) der Decemberists genau richtig. Satte sechs Jahre hat man darauf warten müssen, doch was Colin Meloy und seine Kapelle, verstärkt um Produzent Tucker Martine und mit Gastauftritten von James Mercer von The Shins und Mike Mills von REM hier abliefert, ist einmal mehr eine Klasse für sich. Die ersten Stücke auf „As It Ever Was, So It Will Be Again“ (Thirty Tigers) klingen nicht nur wegen der Bläser und des Mariachi-Touchs nach einer anderen tadellosen Band, nämlich Calexico.
25 Jahre Kreativität
„The Reapers“ kreuzt mit seiner psychedelischen Querflöte Irish-Folk mit dem Art-Pop der Canterbury-Scene, „William Fitzwilliam“ führt uns dann wieder zurück nach Nashville, mit der minimalistischen Liebeserklärung „All I Want Is You“ sind wir dann beim puristischen Folk angelangt, „Born To The Morning“ weckt uns dann im Rock-Galopp mit Klimper-Klavier und Synthi-Kreischen.
Wäre das nicht alles schon herrlich genug, gibt es am Ende mit „Joan In The Garden“ noch ein fast 20-minütiges, recht typisches Decemberists-Monster von einem Song (inklusive eines leider recht experimentell und kakophonisch geratenem Mittelteil), der 25 Jahre Kreativität in einem einzigen Lied zusammengefasst. Das Pendant zu Grateful Deads „Terrapin Station“ vielleicht, wobei man auch oft an die monumentalen Epen von Pink Floyd erinnert wird. Ein Wonnebrocken von einem Album!
Nach drei doch recht differenzierten Pop-Alben, die mit vielen kleinen Überraschungen langjährige Freude bereiten sollten, begeben wir uns mal kurz in die „Niederungen“ des fröhlich dahingaloppierenden Hard-Rocks. Highly Suspect aus Massachusetts tragen die Bedenken ja schon im Namen, auf“ As Above, So Below“ (Warner) kommt es dann aber doch nicht so schlimm wie befürchtet. „Summertime Voodoo“ eröffnet mit herrlich wuchtigen Gitarren zu Purple´schen Orgelgetöse, um sich dann erstmal komplett zurückzunehmen.
Und am Ende wird der Song zu einem klassischen Rock-Song, der jedem 70er-Album zur Zier gereichen würde. Die folgende „Suicide Machine“ verbreitet Krach, mit den „Plastic Boxes“ kehrt wieder etwas Nostalgie und Gelassenheit zurück und mit „Melatonie“ folgt die erste richtige Akustik-Ballade. Hier zeigt die Band um die Zwillinge Ryan und Rich Meyer, dass sie auch gefühlig-atmosphärische Töne anschlagen können, was übrigens bestens gelingt.
Dass man auch zeitgemäßen Indie-Rock auf der Spur hat, demonstrieren das Nirwana-artige „Run For Your Death (More Pills)“ und „Champagne At Our Funeral“ und mit dem intensiven, über siebenminütigem „Then Mickey 2“ wagt man einen Blick in Richtung Shoegaze. Eher interessant denn suspekt, das Ganze.
Captain Speed Fingers und seine Band in restaurierter Qualität.
1969, da war Joe Ely immerhin schon 21 Jahre alt und hätte theoretisch auch auf dem legendären Festival auftreten können. Blöd nur, dass den Mann aus Amarillo noch keiner kannte. Ein Jahr später gründete er erst seine Flatlanders und begründete damit das neue Genre des sogenannten Alternative-Country. Der löste sich von der konservativen Nashville-Doktrin und mischte Country, Blues, Honky-Tonk, Rock ’n’ Roll, Cajun und Tex-Mex und wurde richtiggehend aufsässig.
Ein Cowboy auf Abwegen blickt zurück
Bruce Springsteen fand das ziemlich dufte und unterstütze Ely wo er nur konnte, sang mit ihm im Duett (wie auch hier auf „Odds Of The Blues“) und coverte seine Lieder. „Driven to Drive“ (Thirty Tigers) wurde von Ely selbst produziert und enthält Aufnahmen, die er über mehrere Jahrzehnte hinweg in den Spurstudios außerhalb von Austin eingespielt hat. Unterstützt wurde er dabei von den Musikern Joel Guzman am Akkordeon, Keyboarder Bill Guinn, Sänger Eddie Beethoven, Geiger Richard Bowden, Gitarrist Jeff Plankenhorn und dem Tontechniker Pat Manske, der das Schlagzeug beisteuerte.
Die Bewegung in diesen Liedern erinnert an Autos, Motorräder, Greyhound-Busse und Trucks. Es gibt Pedal-to-the-Metal-Hymnen, die einen geraden Streifen zweispuriger Landstraße hinunterrasen; ein träges Schlendern auf dem Gulf Blues Highway; eine Geschichte über die Flucht auf der Interstate; Geschichten darüber, wie man von hier nach dort kommt, und Lieder darüber, wie man überhaupt nirgendwo hinkommt.
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