Simon Grajer: Oberpfälzer SPD-Europa-Kandidat Thomas Rudner „einfach lässig und cool“

Weiden. Die Nordoberpfälzer SPD hat für Uli Grötsch ein neues Gesicht aus dem Hut gezaubert. Der 26-jährige Rechtsreferendar Simon Grajer ist neuer Unterbezirksvorsitzender. Ein Automatismus für das Bundestagsmandat, das der neue Polizeibeauftragte Grötsch zurückgegeben hat, ist das nicht.

Im Huckepack nach Europa: Thomas Rudner (links), Nachfolger von Ismail Ertug, will den Oberpfälzer Sitz im Straßburger Europa-Parlament verteidigen. Simon Grajer unterstützt den 62-Jährigen als Huckepack-Kandidat. Fotomontage: SPD

Simon wer? Simon Grajer! Der Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Nürnberg ist zumindest in der Nordoberpfälzer SPD kein Unbekannter. Der 26-Jährige vom Ortsverein Weiden-Neunkirchen war drei Jahre Juso-Bezirksvorsitzender und tritt als „Huckepack-Kandidat“ gemeinsam mit dem Oberpfälzer SPD-Spitzenkandidaten Thomas Rudner bei der Europawahl im Juni an.

Im Redaktionsgespräch schildert der neue Unterbezirksvorsitzende, wie sich die Genossen im hohen Norden der Oberpfalz, wo sie eine immer noch vergleichsweise solide Parteistruktur haben – Uli Grötsch: „Der Unterbezirk Weiden-Neustadt-Tirschenreuth ist hinter München nach wie vor der zweitgrößte in Bayern“ –  kurz-, mittel- und langfristig neu positionieren wollen.

Simon Grajer, neuer SPD-Unterbezirksvorsitzender in der Nordoberpfalz und Huckepack-Kandidat bei der Europa-Wahl, im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Herr Grajer, Sie treten das Erbe von Uli Grötsch an, der als langjähriger Bundestagsabgeordneter und zwischenzeitlicher Generalsekretär der Bayern-SPD einen hohen Bekanntheitsgrad hat. Ist damit auch die Nachfolge für das Bundestagsmandat geregelt?

Simon Grajer: Es gibt keinen Automatismus für das Mandat. Der Unterbezirk, der bei uns dem Bundestagswahlkreis entspricht, ist ohnehin eine etwas komische Zwischenebene in der Partei, die es so nicht überall gibt. Das hat Vorteile, weil man einen größeren regionalen Horizont hat. Ich sehe meine Aufgabe jetzt erst einmal darin, die SPD inhaltlich und organisatorisch für die kommenden Wahlen bestmöglich aufzustellen.

Apropos Wahlen: Die Europawahl steht ja vor der Tür. Nachdem der langjährige Amberger Europa-Abgeordnete und Oberpfälzer SPD-Co-Vorsitzende Ismail Ertug seinen Rückzug erklärt hat, will der Regensburger Nachrücker Thomas Rudner das Oberpfälzer Mandat in Brüssel verteidigen. Was ist Ihr Beitrag als Huckepack-Kandidat zum Europa-Wahlkampf?

Grajer: Ich bin seit 10 Jahren in der Partei und deshalb gut vernetzt. Wir werden Thomas mit vollem Einsatz in der Nordoberpfalz unterstützen. Es ist für einen Kandidaten nicht leicht, in der ganzen Oberpfalz präsent zu sein. Nachdem Isi sein Mandat niedergelegt hat, ist Thomas als Huckepack-Kandidat reingekommen.

Thomas Rudner hat dankenswerterweise das Mandat angenommen, das ansonsten nach Hessen gegangen wäre. Simon Grajer

Er hat seine tolle Position als Geschäftsführer der Stiftung Jugendaustausch Bayern aufgegeben, die er mit Begeisterung ausgefüllt hat. Obwohl er Anfang 60 ist, hat er seine gesamte berufliche Laufbahn der Jugendarbeit gewidmet – zunächst als Landesjugendsekretär der DGB-Jugend, als ehrenamtlicher Vizepräsident des Bayerischen Jugendrings, später als Leiter des Koordinierungszentrums Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch „Tandem“ in Regensburg. Thomas weiß also, wie man Generationengerechtigkeit lebt. Davon können wir auch in der SPD profitieren. Und er ist einfach lässig und cool. Auch wenn er nicht der Jüngste ist, liegen ihm junge Menschen am Herzen.

Apropos Jugend: Nachwuchs fehlt in allen Parteien. Welche Ideen haben Sie, um junge Menschen für die oft recht dröge Parteiarbeit zu begeistern?

Grajer: Da kommt es sehr viel auf einen guten, persönlichen Kontakt vor Ort an. Bei den Jusos hadern viele mit der Ampel und mit Kanzler Olaf Scholz. Wenn man aber vor Ort eine gute inhaltliche Basis hat, bleiben sie trotzdem bei der Stange. Nur, wenn man präsent ist, kann man Menschen von eigenen Positionen überzeugen. Wir gehen in Kneipen, diskutieren mit den Leuten. Die junge Generation ist ja politisiert, das Interesse ist da. Schwieriger ist es, sie für Parteien zu begeistern. Wichtiger ist aber, sie für die Demokratie zu begeistern, wenn ihnen schon die Parteiendemokratie nicht mehr als der attraktivste Weg erscheint. Fridays for Future hat viel ins Rollen gebracht. Der politische Output war da, aber es fehlt der Einstieg in die Umsetzung.

Jungen, ungeduldigen Klimaschützern zu erklären, dass man in der Demokratie einen langen Atem braucht, um von eigenen Positionen eine Mehrheit zu überzeugen, dürfte ähnlich schwer sein, wie bei Landwirten Sympathien für die Notwendigkeit von teurem Agrardiesel zu erwarten …

Grajer: Ich kann das absolut nachvollziehen, wie frustrierend es ist, wenn man Anträge vom Ortsverein über den Unterbezirk bis zum Bundesparteitag bringt, und sie am Ende im koalitionären Betrieb versanden. Aber wir haben keinen anderen Weg, um Kompromisse auszuhandeln. Das ist enorm aufreibend und zermürbend.

Aber was wäre die Alternative? Einen autoritären Bestimmer? Und wieso sollte der dann im Interesse der Mehrheit unserer Bürger entscheiden? Simon Grajer

Sie sind für die alte Tante SPD mit ihren 26 Jahren noch ein junger Hüpfer. Das Durchschnittsalter der Mitglieder liegt bei rund 60 Jahren. Wie wollen Sie die unterschiedlichen Interessen der Jungen, die um ihre Rente und das Klima fürchten, und der Alten, die sich einen schönen Lebensabend verdient haben, in Einklang bringen?

Grajer: Es stimmt, wir sind eine alte Partei. Deshalb ist klar, dass ich als Unterbezirksvorsitzender auf alle Mitglieder zugehen will und muss. Ich stelle mich den Ortsvereinen vor, suche den Austausch, höre mir alle Meinungen an. Und dann werden wir nach Positionen suchen, die wir gemeinsam vertreten können – mit starker sozialer Komponente, die uns eint und die uns auch Europa liefern kann.

In den USA spielen die beiden großen Parteien lediglich die Rolle von Wahl-Plattformen – wäre es nicht besser, die Parteien für Sympathisanten zu öffnen, die sich für bestimmte Themen engagieren wollen?

Grajer: Das kann ich mir gut vorstellen. Die Labour Party in Großbritannien arbeitet mit Unterstützerlisten, um Anhänger zu organisieren, die nicht gleich Mitglieder werden wollen. Es wird auch für die Suche nach guten Kandidaten immer wichtiger, engagierte Persönlichkeiten zu gewinnen, auch wenn sie nicht das Sitzfleisch für die 100-prozentige Ochsentour mitbringen.

Zumindest bei jungen Menschen hatten rot-grüne Positionen immer eine deutliche Mehrheit. Inzwischen legt die AfD bei Umfragen in dieser Altersgruppe deutlich zu – auch wenn eine Jugendstudie zu dem Thema inzwischen wegen ihrer Methodik kritisiert wird und die diversen Spionage-Affären Wirkung zeigen. Was macht die Partei dennoch für rund 20 Prozent der Gen Z wählbar?

Grajer: Die Ursache alleine bei der Präsenz der AfD auf TikTok zu suchen, ist zu kurz gegriffen – auch wenn ich mich bei dem Thema an die eigene Nase fassen muss. Wir hängen uns zu wenig in die Bespielung der Sozialen Medien rein, wo sich nun mal die meisten jungen Menschen tummeln. Wir sind in der Pflicht, möglichst viele Menschen zu erreichen, und deshalb auch in diese Medien reinzugehen.

Allerdings befürchte ich, dass die bewusst emotionalisierende Methode der AfD auf Probleme hinzuweisen, Ängste und Sorgen aufgreifen, egal wie realistisch sie sind, den Algorithmus immer besser bedient als nüchterne Informationen. Simon Grajer

Ich kann verstehen, dass viele, nicht nur junge Menschen, wegen der kriegerischen Krisen, der Klimakatastrophe, verunsichert sind. Dazu kommt der Eindruck, nichts gehe voran. Offensichtlich ist das der Grund für einige, auf eine Partei umzuschwenken, die den Finger in die Wunde legt – auch wenn sie keinerlei Rezepte hat, diese zu heilen. Und natürlich spielt es auch eine Rolle, in welchen sozialen Umfeld man sich bewegt.

Die AfD lehnt die Europäische Union als „gescheitertes Projekt“ ab, will einen Bund von europäischen Nationalstaaten, die wieder Hoheit vor allem über das Thema Asylpolitik erhalten sollen. Deren EU-Wahlprogramm fordert die „Begrenzung“ der Brüsseler „EU-Macht“ und der Migrationszahlen. In Wirklichkeit ist Brüssel aber eher machtlos, was ihren Einfluss auf die globale Politik betrifft.

Grajer: Die AfD fordert die Abschaffung der von ihr sogenannten GEZ-Zwangsgebühren, was nichts mit Europa-Politik zu tun hat, und die Eindämmung der angeblichen Flüchtlingsflut – Schlagworte, die verfangen. Dabei wäre es ja gerade die gemeinsame Aufgabe Europas, Flüchtlinge gerecht über alle Länder zu verteilen. Die AfD verschärft das Problem, weil sie dieselbe Haltung wie Orbáns Ungarn hat, keine Flüchtlinge aufzunehmen – als ob sich dadurch die Krisen dieser Welt in Luft auflösen würden.

Dennoch geben die Ampel-Parteien bei jedem Prozent, das die AfD bei Umfragen zulegt, fünf Prozent der eigenen Haltung zur Flüchtlingspolitik auf …

Grajer: Ich finde die Tendenz der gesamten Bundespolitik, dem Diskurs hinterherzulaufen, statt mutig in die andere Richtung zu gehen, völlig falsch. Gerade der Bundeskanzler müsste viel öfter eine klare Ansage machen.

Boris Pistorius hat in Washington gesagt: Ich bin bereit, Führung zu übernehmen – sollte man das Angebot annehmen?

Grajer: Na ja, er ist derzeit der beliebteste Politiker.

Es gibt so eine Sehnsucht für hemdsärmelige Führung. Ich fremdle damit. Und ich glaube auch nicht, dass jemand ernsthaft überlegt, den Kanzler auszutauschen. Simon Grajer

Man kann über Scholz sagen, was man will, aber Olaf hat dazu beigetragen, die Wahl zu gewinnen.

… weil Laschet an der falschen Stelle gelacht hat, und Scholz im Wahlkampf genauso wenig gesagt hat wie danach und deswegen nicht so viel falsch machen konnte?

Grajer: Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass Olaf Scholz die höchsten Popularitätswerte in der Oberpfälzer SPD hat. Ich halte es aber auch nicht für zielführend, alles immer an einzelnen Personen fest zu machen. Mit sind Inhalte wichtiger als Köpfe.

Naja, es wäre schon auch nicht schlecht, wenn überzeugende Kandidaten die Inhalte glaubwürdig verkörpern würden …

Grajer: Wir haben in der Oberpfälzer SPD mit der Abgeordneten Carolin Wagner in Regensburg und MdB Sebastian Roloff, der in der Oberpfalz aufgewachsen ist, junge, unbelastete Politiker, die ihre Positionen sehr authentisch rüberbringen, im Austausch sind mit jungen Menschen und für ihre Inhalte mit den Mühlen Berlins kämpfen. Wenn dann auch sie manchem Koalitionskompromiss zustimmen, fragt das Juso-Herz: Muss das sein? Aber das ist halt in der repräsentativen Demokratie ein Drahtseilakt, Positionen glaubhaft zu vertreten und dennoch regierungsfähig zu bleiben, was ohne Kompromisse nicht geht.

Apropos Kompromiss: Finanzminister Christian Lindner stellt den bereits beschlossenen Rentenkompromiss wieder infrage, weil andere Ministerien, wie etwa der Verteidigungsminister, mehr Geld fordern. Wie soll das gehen, ohne die Schuldenbremse auszusetzen, was die FDP kategorisch ausschließt?

Grajer: Überall kriselt es, ob in der Bildung oder bei Krankenhäusern. Wir müssen da in die Offensive kommen, Gesundheit darf kein Profitsystem bleiben. Wir müssen in alle Bereiche reingehen, und dazu brauchen wir Geld. Wenn wir es jetzt nicht machen, wird es später umso teurer. Die Schuldenbremse darf kein Selbstzweck sein.

Da Sie lieber über Inhalte reden: Die SPD wirbt auf ihren Europa-Plakaten mit „Besonnen handeln“ und für „Maß, Mitte und Frieden“ – wie man mit der Haltung, die Ukraine am ausgetreckten Arm verhungern zu lassen, für Frieden sorgen will, leuchtet mir nicht ein. Wie sehen Sie das?

Grajer: AlsJurist und Völkerrechtler sage ich klar, ein Angriffskrieg muss geächtet werden.

Putin muss die Ächtung spüren. Wir können es nicht zulassen, dass sich das durchsetzt. Simon Grajer

Und wir sind schon gar nicht in der Position, den Menschen in der Ukraine zu erklären, wie sie ihre Rechte wahrzunehmen haben. Gleichzeitig muss man das Völkerrecht, wie es derzeit ist – von westlicher Dominanz geprägt – auf den Prüfstand stellen. Wenn wir authentisch bleiben wollen, müssen wir uns auch im Nahen Osten glaubhaft verhalten. Unsere oberste Prämisse muss sein, Menschlichkeit zu bewahren.

Auf allen Seiten leidet die Zivilbevölkerung. Vor allem Frauen und Kinder. Wir müssen immer versuchen, den Menschenrechten den höchsten Stellenwert einzuräumen. Dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat, steht außer Frage. Aber auch, dass das palästinensische Volk nicht gleichbedeutend mit der Hamas ist. Es gibt bei uns viele, die deswegen sagen: Absolute Solidarität mit Israel, aber nicht unbedingt mit der Staatsführung.

Simon Grajer, neuer SPD-Unterbezirksvorsitzender in der Nordoberpfalz und Huckepack-Kandidat bei der Europa-Wahl, im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

SPD-Europa-Wahlkampf in der Oberpfalz

  • Pizza und Politik mit MdEP Thomas Rudner, MdB Carolin Wagner und Simon Grajer, Huckepackkandidat für die Europawahl: Offener Meinungsaustausch am Freitag, 24. Mai, 18 bis 20 Uhr | Unterer Markt, 92637 Weiden
  • Infostand des SPD Ortsvereins Klardorf zur Europawahl mit MdEP Thomas Rudner: Am Samstag, 25. Mai, 10 bis 12 Uhr | Schuhhaus Gruber, Marktplatz 30, 92421 Schwandorf
  • „Was haben Kinder und Jugendliche von der EU?“: Gesprächsrunde im Rahmen des EM-Jugendcamps der Sportjugend Regensburg in Zusammenarbeit mit dem Sportamt der Stadt Regensburg am Dienstag, 28. Mai, 12.30 bis 14 Uhr | Sportanlage Ost, Guerickestraße 81a, 93053 Regensburg.
  • Auf ein Eis mit Katarina Barley und Thomas Rudner: Die Spitzenkandidatin Katarina Barley kommt in die Oberpfalz. Zusammen mit Thomas Rudner freuen wir uns auf ein Eis am Regensburger Neupfarrplatz am Dienstag, 28. Mai, ab 15 Uhr.
  • Infostand der SPD Ortsvereine Dachelhofen und Bubach zur Europawahl: Der SPD-Stadtverband Schwandorf lädt am Samstag, 1. Juni, 10 bis 12 Uhr | Schuhhaus Gruber, Marktplatz 30, 92421 Schwandorf
  • Infostand des SPD Ortsvereins Fronberg zur Europawahl: Am Samstag, 8. Juni, 10 Uhr bis 12 Uhr | Apollo-Optik, Marktplatz 32, 92421 Schwandorf.

* Diese Felder sind erforderlich.