So geht lebendiges Museum: Geschichtspark Bärnau als Treffpunkt der Museumspädagogen

Bärnau. Von wegen museal: Museumspädagogen aus der Oberpfalz und Westböhmen zeigten in Bärnau, wie lebendig die Museumslandschaft auf beiden Seiten der offenen Grenze ist. Eine gute Vorbereitung auf die Veranstaltungsreihe zwischen 25. und 29. Mai (Infokasten).

Treffen der bayerischen und tschechischen Museumspädagogen im Geschichtspark Bärnau. Foto: Jürgen Herda

Dort, wo Geschichte lebendig wird, trafen sich zu Beginn der Freiluft-Saison Vertreter von Museen aus der Oberpfalz und Westböhmen: Im Geschichtspark Bärnau, wo Handwerker mit mittelalterlichen Methoden und Werkzeugen eine Reisestation des deutsch-tschechischen Kaisers Karls IV. konstruieren – und Wissenschaftler daraus Erkenntnisse für nachhaltiges Bauen in der Gegenwart ableiten.

Bis zu 2000 Schüler durchlaufen den Geschichtspark

Noch wichtiger als das Interesse der Fachleute: „Wir haben im Schnitt 1500 bis 2000 Schüler pro Saison zu Besuch“, freut sich Stefan Wolters, wissenschaftlicher Leiter des Geschichtsparks, über den Zuspruch der nächsten Generation. „Jetzt gehen auch langsam die Handwerker-Workshops wieder an, wo jeder selber mitmachen kann“, betont der Archäologe den interaktiven Charakter des größten mittelalterlichen Freiluftmuseums Deutschlands.

„Wir geben mit unserer Bauherrenberatung die Kompetenz in puncto nachhaltiges Bauen an Bauherren weiter, die ökologisch mit traditionellen Methoden und Materialien bauen wollen“, erklärt Wolters. Mit Themen rund um das historische Handwerk will der Geschichtspark die eigene Reichweite erhöhen. „Wir bauen mit Wandergesellen“, sagt der experimentelle Archäologe, „sie bringen Techniken aus ihrer Heimat mit und lernen bei uns traditionelle, mittelalterliche Bauweisen.“

Traditionelles Bauen ökologischer und auf Sicht günstiger

Mehr als ein wissenschaftliches Experiment: „Das ist praktiziertes, nachhaltiges Bauen als Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise“, sagt Wolters. „Ich baue ein Haus, das 400 Jahre hält – unsere Handwerker schrauben keine Fenster aus China zusammen, sie stellen Fenster mit Glas aus Zwiesel her.“ Damit sicherten sie eine autarke Bauwirtschaft und verringerten den ökologischen Fußabdruck durch kurze Wege. Ein weiterer Pluspunkt: „Viele Zimmerleute lernen die traditionellen Techniken zwar noch theoretisch, wenden sie aber nicht mehr an“, sagt Wolters.

„In ein paar Jahren rechnen wir ab“, prophezeit der umtriebige wissenschaftliche Leiter, „ich bin mir sicher, dass auf Sicht unsere Art des Bauens kostengünstiger ist. Unsere Fundamente sind aus verdichtetem Kalk statt Beton.“ Beton müsse nach 80 Jahren ersetzt werden: „Alle Autobahnbrücken sind marode.“ Weshalb sogar das Fraunhofer-Institut mit Interesse nach Bärnau blicke. „Sie sind interessiert an unserem Ansatz“, freut sich Wolters. „Das letzte Haus, das wir bauen, wird sogar ein Smarthome“, lässt er aufhorchen. „Glasfaser wird verlegt, ich messe Innen-, Außentemperatur, Staubpartikel und Feuchtigkeit, um nachzuweisen, welche Vorteile unsere Bauweise hat.“

Stefan Wolters, wissenschaftlicher Leiter des Geschichtsparks Bärnau. Foto: Jürgen Herda

Chronisch unter Erfolgsdruck

Gleichzeitig steht das bayerisch-böhmische Projekt chronisch unter Erfolgsdruck. „Wir sind auf europäische Fördermittel angewiesen“, sagt Wolters, „derzeit betreiben wir acht Projekte parallel zum normalen Museumsbetrieb.“ Keine geringe Belastung für die Mitarbeiter und den geistigen Vater des Geschichtsparks, Alfred Wolf: „Der Geschichtspark hält sich durch fortgesetzte Förderprojekte am Leben.“ Schon seit Jahren strebe man deshalb eine Basisförderung an, um Betrieb und Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern.

„Es gibt einen Beschluss des Landtags vom Oktober 2021“, sagt Wolf. „Das Centrum Bavaria Bohemia sowie der Geschichtspark Bärnau sind wertvolle Beispiele zur Intensivierung des grenzüberschreitenden, kulturellen Austauschs und gegenseitiger Verständigung“, heiße es da. „Ihr langfristiger Erhalt und Betrieb ist im Sinne des Landtags.“ Bei einem hochkarätigen Besuch Anfang Mai versicherte Florian Herrmann, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten: „Wir kriegen das irgendwie hin, wir wissen nur noch nicht genau wie.“

Zentrum für Baukultur: „Wer erkennt, zerstört nicht“

Solche Sorgen plagen die stärker staatlich organisierte tschechische Museumslandschaft weniger. Alžběta Kratochvílová, Leiterin des Zentrums für Baukulturerbe des Nationalen Technikmuseums Plasy, ist fest eingebunden in die Struktur staatlicher Museen. „Unser Museum möchte den Besuchern den Blick auf Bauwerke öffnen“, erklärt sie. „Wir möchten den Besuchern lehren, Gebäude zu lesen, sie zu verstehen und ihren historischen Wert im regionalen Kontext zu erkennen.“ Ganz im Sinne des Mottos des Zentrums für Baukultur: „Wer erkennt, zerstört nicht.“

Jana Hutníková, Leiterin des Museums des Böhmischen Waldes in Tachov und Vorsitzende im Verband der Museen und Galerien der Tschechischen Republik, will Museumspädagogik nicht ausschließlich als Methode zum Wissenstransfer an Schulen verstanden wissen. „Das ist eine zu enge Sichtweise“, sagt Hutníková. „Es geht um die wirksame Präsentation der Sammlungen.“

Regionalmuseen als Gestalter des Gedächtnisses

Regionalmuseen stärkten mehr denn je ihre Position als Gestalter des Gedächtnisses – vor allem in Regionen wie Tachov, in denen nach dem Zweiten Weltkrieg ein regelrechter Bevölkerungsaustausch stattgefunden habe. „Ausstellungen und Vorträge zeigen bisher tabuisierte oder unbekannte Fakten.“ Das sei auch deshalb relevant, weil Generationen heranwachsen, die zwar hier geboren wurden: „Den Geburtsort ihrer Eltern können sie aber nicht als ihre Heimat betrachten.“

Erika Rahm vom Museums-Quartier Tirschenreuth stellt Beispiele für Spezial- und interaktive Führungen vor. „Beliebt sind Projekte und Projekttage, wie zum Beispiel eine Nacht im Museum oder das Präparieren einer Forelle.“ Tobias Hammerl gibt einen Überblick über das Jahresprogramm des Freilandmuseums Oberpfalz und erläutert einige neue Projekte wie die Planung eines Holzhauses im Baukasten-System.

Zuzana Verešová (Mitte) hält ihr Zertifikat über den erfolgreich absolvierten Lehrgang zur Museumspädagogin in Händen halten. Mit ihr freuen sich (von links) Alfred Wolf, Stefan Wolters, Ilona Hunsperger und Václav Vrbík. Foto: Geschichtspark Bärnau

Deutsch-tschechische Museumspädagogik

Organisiert hatte die Veranstaltung Zuzana Verešová vom Verein „Via Carolina – Goldene Straße e.V.“. Sie moderierte auch die Diskussion. Verešova selbst hat im vergangenen Jahr ihr Zertifikat als Museumspädagogin erworben. Die Mutter zweier kleiner Kinder kann dank ihrer Zweisprachigkeit hervorragend mit gemischten Gruppen interagieren.

Verešova studierte Soziologie an der Westböhmischen Universität Pilsen und anschließend Gender Studies an der Karlsuniversität in Prag. Im Herbst 2020 kam sie als Projektleiterin nach Bärnau und begleitet seitdem zweisprachige Schülergruppen durch den Geschichtspark. Die Veranstaltung wurde vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds finanziell unterstützt.

Veranstaltungen im Geschichtspark

  • Kleidung im Mittelalter: 27. Mai bis 29. Mai

Kleider machen Leute. Dieses Sprichwort ist allgemein bekannt und galt auch schon vor mehr als 1000 Jahren. Wie Leute Kleider machten, und wie sich diese Kleidung vom frühen bis zum späten Mittelalter entwickelte, das können Interessierte in den verschiedenen Zeitfenstern des Geschichtsparks erfahren.

Die Besucher lernen Arbeitsschritte von der Faser bis zum fertigen Kleidungsstück kennen. Was ist der Unterschied zwischen Tunika und Schecke? Wie wurden Schuhe hergestellt? Und was trug man, um seine Zeitgenossen zu beeindrucken? All das kann man die Mitwirkenden im Geschichtspark Bärnau-Tachov fragen. Eine Modenschau durch die Jahrhunderte bietet reichlich Anschauungsmaterial.

  • Fokus Handwerk: 29. Mai

Beim Vortrag zum Thema „Kalkherstellung – Kalkbrennen, die Arten von Öfen, Löschen und Lagern“ können Besucher mit Handwerkern intensiv ins Gespräch kommen und viel Wissenswertes zu historischem Handwerk im modernen Bau erfahren.

  • Berufsorientierung für Jugendliche: 29. Mai

Dieser Kurs richtet sich insbesondere an Jugendliche, die an einer Ausbildung im Handwerk interessiert sind. Unter Anleitung von professionellen Handwerksmeistern bekommen alle Interessierten an diesem Tag die Möglichkeit, in vier Handwerksberufe hineinzuschnuppern und eigenhändig auszuprobieren: Steinmetz, Schmied, Zimmerer und Schreiner. Um eine verbindliche Anmeldung unter info@geschichtspark.de oder 09635-924 9975 wird gebeten.

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