Degen-Attacke: Psychiater rät zu Unterbringung – Rückfallgefahr noch zu groß

Weiden. Auch am dritten Tag des Gerichtsverfahrens gegen die Degen-Angreiferin vom Unteren Markt in Weiden standen etliche Zeugen auf dem Programm. Spannender Höhepunkt war die Einschätzung des psychiatrischen Gutachters.

Gutachter spricht mit mutmaßlicher Degenattentäterin
Der psychiatrische Gutachter Dr. Johannes Schwerdtner (rechts) spricht in einer Verhandlungspause mit der Beschuldigten. Foto: Martin Stangl

Große Spannung im Degen-Verfahren, denn am Vormittag begann die Anhörung von weiteren Zeugen, die am Tattag in der Fußgängerzone Beobachtungen vom Attentat gemacht haben. So berichtete eine Gastronomie-Mitarbeiterin, dass die Beschuldigte ohne Vorwarnung auf einen zufällig vorbeikommenden Mann mit dem später sichergestellten Degen eingestochen hatte. Dabei sei viel Blut geflossen.

Eine weitere Tatzeugin berichtete, dass sie beobachtet hatte, wie die Beschuldigte mit dem Degen fuchtelnd durch die Fußgängerzone lief: „Ich dachte zunächst, dass die Frau mit der Waffe zu einer historischen Stadtführung gehört.“ Trotzdem sei sie vorsichtig gewesen, weil die Frau wirr vor sich hingemurmelt habe. Erst als diese unvermittelt auf die Gruppe von drei Männern einstach, „war mir klar, dass hier Gefahr im Verzug ist“.

Beherztes Eingreifen verhinderte Schlimmeres

Ein zufällig in der Fußgängerzone anwesender Elektromeister aus dem Landkreis Neustadt erfasste die bedrohliche Situation sehr schnell. Er brachte gemeinsam mit dem Kellner des “Bräuwirts” die Angreiferin zu Boden. „Mir war schnell klar, dass die Frau nicht Herr ihrer Sinne war.“ Durch die Tätigkeit seiner Frau im Bezirksklinikum Wöllershof sei er dafür sensibilisiert.

Ein schlechtes Zeugnis stellte der beherzt eingreifende Mann den zusammengelaufenen Passanten aus, die mit unqualifizierten Bemerkungen die Angreiferin attackierten. Schon einmal hat es in der Gerichtsverhandlung Verwunderung über eine Gafferin gegeben, die filmte und sinnlose Kommentare abgab. Auch der herbeigerufenen Polizeistreife unterstellte der Ersthelfer wenig professionelles Vorgehen: „Die waren zwar sehr schnell vor Ort, gingen aber wenig planvoll vor. Den Degen haben sie überhaupt nicht wahrgenommen.“

Bei Einlieferung in Klinik extrem aggressiv

Im Anschluss kam der behandelnde Arzt der Forensik im Bezirkskrankenhaus Mainkofen zu Wort, der die Angeklagte nach der Erstunterbringung in der Psychiatrie begutachtete. Schon kurz nach der Einlieferung rastete die Frau im Bezirksklinikum total aus und zeigte sich gegenüber dem Pflegepersonal handgreiflich und verbal extrem aggressiv. “Erst durch eine entsprechende Medikation konnte das Erregungspotential auf ein niedrigeres Niveau eingestellt werden.”

In der zukünftigen medikamentösen Einstellung sah der Facharzt auch den Schlüssel zur Rückkehr in ein einigermaßen normales Leben. Seine Einschätzung: “Mit der entsprechenden medikamentösen Einstellung könnte man viel erzielen.” Diese Aussage unterstützte die Angeklagte mit einem sichtbaren Kopfnicken. Insgesamt bescheinigte er seiner damaligen Patientin Geduld und eine positive Einstellung zur Therapie.

Trotzdem warnte er vor einer vorschnellen, unkontrollierten Entlassung: “Die Medikamente allein bringen nichts. Sie braucht eine umfassende Betreuung.” Die vorliegende paranoide Schizophrenie berge hochgradig die Gefahr eines Rückfalls, wenn die Medikamente abgesetzt werden. Mit dem bisherigen Behandlungsverlauf zeigte sich der Arzt zufrieden, weil die Angeklagte sich sehr einsichtig zeige und die Angebote gerne in Anspruch nehme.

Psychiatrisches Gutachten: Pro Unterbringung

Der beauftragte Sachverständige Dr. Johannes Schwerdtner stellte dem Gericht seine umfassende Einschätzung der Patientin vor. Ausgehend von der überwiegend durch den Vater bedingten schwierigen Kindheit wusste er von mindestens zwei Suizidversuchen zu berichten. Diese Verzweiflungstaten passierten bereits im Jugendalter und mündeten bald in permanente psychische Probleme.

Nach dem Tod der Eltern kamen dann finanzielle Engpässe auf die bereits früh erwerbsunfähige Altenpflegerin zu. Daraus entwickelten sich Wahnvorstellungen, die sich in Ängsten und Verfolgungswahn äußerten. Sie fühlte sich Todesdrohungen ausgesetzt, was sie dazu veranlasste, aus der Hinterlassenschaft ihres Vaters einen Degen und ein ganzes Arsenal von Messern im Auto “zur Notwehr” mit sich zu führen. Auf ärztliches Anraten hin habe sich die Beschuldigte in der Vergangenheit auch immer wieder Hilfe in Wöllershof gesucht, so ihr mit Psychopharmaka geholfen werden konnte.

Prognose für ein Leben in Freiheit

Die Zukunftsaussichten für die Beschuldigte beurteilte der Facharzt für Psychiatrie unter bestimmten Umständen für möglicherweise positiv. “Der stark wachsende Existenzdruck durch finanzielle Nöte, Hausverkauf und soziale Isolation steuerte unmittelbar vor der Tat auf einen Höhepunkt zu.” Durch zukünftig entsprechende Entlastung und enge Unterstützung könne ein Leben außerhalb einer psychiatrischen Einrichtung durchaus möglich sein.

Ein Rückfall ohne Medikamente liege nach derzeitigem Stand “in einem hohen Bereich”. Bis zu einer Entlassung seien noch viele Schritte notwendig, was zwei bis drei Jahre brauchen könnte. Der Gutachter empfahl eine weitere stationäre Unterbringung, bis Behandlungserfolge sichtbar sind.

Letzte Zeugen: Waffenexperte und Rechtsmediziner

Das Sicherungsverfahren wird am Montag, 20. März, ab 9 Uhr fortgesetzt. Angehört werden dann der Rechtsmediziner Prof. Peter Betz aus Erlangen sowie Waffenexperte Axel Mathei vom Landeskriminalamt als letzte Zeugen.

* Diese Felder sind erforderlich.