Palliativmedizin vermittelt menschliche und würdige Sterbehilfe
Weiden. Schwerstkranke Menschen fürchten sich oft vor einem langsamen und schmerzhaften Tod. So entsteht der Wunsch nach Sterbehilfe durch ein schnell wirksames todbringendes Medikament. Unter welchen Umständen dies in Deutschland möglich ist, darüber sprach ein erfahrener Experte.
Über das Thema Sterbehilfe wird seit Jahren in Deutschland außerordentlich kontrovers diskutiert. Fast immer geht es dabei um Moral und Ethik, um medizinische Fragen und oft auch um das Strafrecht. Der Mediziner Dr. Manfred Hausel, Ethikberater und Gründer des Ethikkomitees am Klinikum Nordoberpfalz, erläuterte in seinem Vortrag unter der Überschrift „Assistierter Suizid/Sterbehilfe – Eine Option am Lebensende?“ alle wichtigen Aspekte dieses umstrittenen Themas. Eingeladen hatte der Freundeskreis Weiden der Evangelischen Akademie Tutzing.
Der lange Weg zur Akzeptanz von Sterbehilfe in Deutschland
Laut Dr. Hausel verhinderten jahrzehntelang in Deutschland eine restriktive Gesetzeslage und die ärztliche Standesordnung den Einsatz von assistierter Sterbehilfe. Erlaubt war lediglich passive oder indirekte Sterbehilfe, zum Beispiel durch Abbruch einer Therapie. Der Tod durfte laut Dr. Hausel nur „nicht intendierte Folge einer Therapie sein“. Geschäftsmäßig betriebene Sterbehilfe wurde bestraft. Wer damals aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollte, musste deshalb ins europäische Ausland, zum Beispiel in die Schweiz oder in die Niederlande fahren.
Recht auf Sterben: Urteil ohne klare Linie
Eine völlig neue Rechtslage entstand mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020, wonach das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst. Auch die freiwillige Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, wird als legale Möglichkeit nicht ausgeschlossen. Mit diesem Urteil ist, laut Dr. Hausel, zwar eine neue Rechtslage, aber noch längst keine eindeutige Klärung aller wichtigen Verfahrensfragen der Sterbehilfe geschaffen worden. „Wir brauchen unbedingt Regelungen“, fordert der Mediziner.
Der Bundestag konnte sich im Juli letzten Jahres dazu mehrheitlich nicht entscheiden, und eine beauftragte Arbeitsgruppe habe bis heute noch kein Ergebnis vorgelegt. Nach wie vor würden also Rahmenbedingungen für die Sterbehilfe, wie sie zum Beispiel Österreich mit einem sogenannten Sterbeverfügungsgesetz habe, fehlen. Noch immer befinde man sich deshalb in vielen Fällen „in einer Grauzone“. Auch wenn die ärztliche Berufsordnung nunmehr die Hilfe zur Selbsttötung nicht mehr ausschließe, blieben trotzdem die Behandlungspflichten des Arztes erhalten. Und bei der Sterbehilfe müsste dann die ärztliche Kunst dafür eingesetzt werden, jemanden sterben zu lassen.
Palliativversorgung als Schlüssel zum würdevollen Sterben
Anhand zahlreicher beispielhafter Einzelfälle aus der Praxis des Ethikkomitees begründete Dr. Hausel, dass die Palliativ- und Hospizversorgung sehr häufig den Einsatz von Sterbehilfe-Aktivitäten erübrigen könnten. Dies gelte zum Beispiel für die Sterbebegleitung. Sterben wird dabei zugelassen, aber ohne Gift, meint Dr. Hausel. Es bedeute „in Würde sterben, ohne Angst, Schmerz, Hunger und Durst“. Das alles könnten die auch in der nördlichen Oberpfalz vorhandenen stationären oder auch ambulante Palliativ- und Hospizeinrichtungen leisten.
Sehr hilfreich bei deren Arbeit sei auch, wenn eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht vorliegen würden. Darin könnte unter anderem frühzeitig bestimmt werden, was zum Beispiel im Demenzfalle geschehen solle. Für die Nutzung der Palliativ- und Hospizversorgung spräche auch, dass Sterbenswillige nicht selten auch plötzlich neuen Lebensmut zeigen. „Es ist ein Wechsel zwischen Hoffen und Verzweiflung“, sagt der Ethik-Experte. Außerdem müsse möglichst verhindert werden, dass, zum Beispiel von Angehörigen, Druck auf die kranken Menschen ausgeübt werde. Ein solches Schutzkonzept fordern auch die christlichen Kirchen in Deutschland, während der Islam und das Judentum ein generelles Nein zur Sterbehilfe sagen.
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