Tag der Caniden: Tischenreuther Hundeflüsterin zeigt ihre kleinen Tricks

Tirschenreuth. Am 4. Juni kommt Deutschland auf den Hund. Rund 10 Millionen beste Freunde des Menschen leben in deutschen Haushalten. Wie das mit Wastl, Buddy oder Luna noch artgerechter klappen kann, erklärt am Tag des Hundes Caniden-Trainerin Cornelia Kisser aus Tirschenreuth.

Hundetrainerin Cornelia Kisser mit ihren Lieblingen Rosa und Wilma. Foto: Simone Reger/Time capture

Nichts gegen Katzen, Vögel, Hasen und Hamster. Aber am heutigen Tag des Hundes stehen kleine Kläffer und sanfte Riesen im Mittelpunkt. Als treuer Begleiter des Menschen tragen sie dazu bei, dass Kinder soziale Verantwortung lernen und alleinstehende Senioren weniger einsam sind. 

Clevere Vierbeiner unterstützen Blinde bei der Bewältigung ihres Alltags, Rettungs- und Spürhunde sind oft die letzte Chance für Lawinen- oder Erdbebenopfer, Drogen- und Sprengstoffhunde erschnüffeln Rauschgifte und explosive Materialien, bevor sie größeren Schaden anrichten können. 

Der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) hat den Tag 2010 ins Leben gerufen. Seitdem findet er jährlich am ersten Sonntag im Juni mit einem Aktionswochenende rund um den Hund statt –  mit Fokus auf Hundesport und Hundeerziehung sowie dem Ziel der Bildung regionaler Netzwerke. OberpfalzECHO lässt die Tirschenreuther Trainerin Cornelia Kisser zu Wort kommen, die mit ihrer Hundeschule „Canis adjuvans – der helfende Hund“ zwischen Vier- und Zweibeinern übersetzt.

Worauf es ankommt: liebevolle Konsequenz

„Seit ich Teenager war, bin ich mit Hunden spazieren gegangen”, blickt Cornelia Kisser auf eine lange Freundschaft mit Afghanen, Bobtails, Collies und Co, zurück. „Ich habe schnell gemerkt, worauf es ankommt: auf eine liebevolle Konsequenz, damit Hunde verstehen können, was wir von ihnen wollen.“ Die gelernte Krankenpflegerin entschied sich 2015, aus ihrer Leidenschaft einen Beruf zu machen und absolvierte eine Hundetherapieausbildung in der Eppinger Niederlassung des Münsteraner Instituts für therapeutische Fortbildung und tiergestützte Therapie (M.I.T.T.T.).

„Die Steinfurter ­Therapiebegleithund-Methode will Hunde und Thera­peuten – Pädagogen, Ärzte und Psycho­logen – so schulen, dass Hunde als Ergänzung und Unter­stützung in der Therapie und Förderung kranker, alter oder behinderter Menschen ein­gesetzt werden können“, erklärt Kisser. Sie geht in Förderklassen, stellt ihre Hunde vor. Die Wirkung ist signifikant: „Die Tiere schaffen es, auch aggressive Kinder zu beschwichtigen.“

Therapiehündin Wilma mit einem Jungen beim Waldspaziergang. Foto: Simone Reger/Time capture

Ängstlicher Straßenhund trifft auf verspielte Wilma

Das Interview mit Cornelia führen wir natürlich nicht in der Redaktion, sondern hundegerecht auf einer Wiese bei Tirschenreuth  – beim Spaziergang mit den coolen Therapiehunden und meiner ängstlichen rumänischen Straßenhundedame. „Sie ist eine Seniorin”, erkennt die Kennerin gleich, „sie sucht eine Individualdistanz von drei Metern, der Schwanz ist verklemmt, und meine Wilma will spielen.” Das gefällt dem traumatisierten Flüchtlingshund gar nicht: „Sie geht erst zurück und greift dann an, wenn man sie nicht in Ruhe lässt – eine normale defensive Aggression.”

Schon Welpen seien nicht per se unverdorben, weiß Kisser: „Die bekommen von der Mutter ihr Päckchen mit. Wenn die ein posttraumatisches Erlebnis hatte, werden auch die Kleinen hippelig, haben einen höheren Cortisolspiegel, wenn sie aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden.“ Kein Wunder, dass die kleine Rumänin, die auf der Straße um ihr nacktes Leben kämpfen musste, keine Stimmungsrakete ist.

Rumänische Flüchtlingshündin Mädi schaut noch etwas bedröppelt. Foto: Jürgen Herda

Tierheimhund eher für erfahrene Halter

Und natürlich spielen auch genetische Prädispositionen eine Rolle: „Hunderassen wurden nach bestimmten Kompetenzen gezüchtet, ob Jagdhund oder Hütehund, jeder nach seinem selektiven Verhalten – Jack Russell oder Yorkshire Terrier etwa, um Ratten zu jagen, das ist alles andere als ein Schleifchen-Hund.“ Dennoch sei die Zuchtselektion keine endgültige Determinante. „Oft haben selbst Pitbulls eine lange Leitung, bis etwas passiert“, wehrt sie sich gegen rassische Vorverurteilungen.

 „Aber wenn er beißt, ist halt gleich auch richtig was passiert.“ Deshalb rät sie besonders Anfängern davon ab, einen Hund der Kategorie 1 oder 2 zu halten, die als potenziell gefährlich gelten. „Auch wenn es Rottweiler gibt, die richtige Lämmchen sind, kann man nie wissen.” Dazu kommt, dass Versicherung und Hundesteuer teurer sind. Auch ein Hund aus dem Tierheim sei eher was für Halter mit Erfahrung: „Das ist eine Blackbox“, sagt die Hundeexpertin, „man weiß nie, was drin steckt.“

Wilma und Rosa haben Spaß beim Auslauf. Foto: Simone Reger/Time capture

Pudel, Retriever oder Beagles für die Familie

Kissers Australian Shepherds seien selbstbewusste Individualisten. Als klassische Familienhunde empfiehlt Kisser Pudel, Retriever oder Beagles. Jenseits aller Hundepsychologie gibt sie kein Tier verloren:  „Der Vorteil ist, ein Hund lebt immer in der Gegenwart.” Mit anderen Worten: Er ist auch mit weniger rosiger Vergangenheit noch lernfähig und kann wieder Vertrauen fassen. „Man muss kleine Schritte machen.“ 

Apropos kleine Schritte: Auf dem Feldweg kommen uns jetzt zwei Reiterinnen entgegen. Erste Bewährungsprobe für unsere gemischte Tiergruppe. „Mein Pferd ist Hunde gewöhnt“, sagt Kisser, „aber die kenne ich nicht – wenn so ein Fluchttier in gestreckten Galopp verfällt, ist das nicht lustig für die Reiterin.“

Szenen einer Hundeschule beim Social Walk: Wo ist denn jetzt das Leckerli?, schaut Rosa fragend. Fotos: Simone Reger/Time capture

Leckerlis als Lockmittel

Die entspannten Mienen der beiden Mädels hoch zu Ross machen deutlich: Das ist hier nicht zu befürchten. Und auch die Hunde haben ganz andere Interessen. Sie lesen die Spuren vermutlich Tausender Artgenossen, die hier ihren olfaktorischen Abdruck hinterlassen haben. Für den Fall der Fälle hat Cornelia aber auch immer noch Leckerlis dabei. 

„Der Schlecktube mit Joghurt kann keiner meiner Hunde widerstehen“, lockt sie ihre pelzigen Freunde. Überhaupt sollte man sich von dem Gedanken verabschieden, die Tiere mit Strafreizen erziehen zu können. „Wer kommt schon gerne, wenn Ungemach droht“, sagt sie. Einleuchtend: „Was dem Hund gefällt, ist Futter und Streicheln.“ Dafür kann er sogar mal starken Gerüchen widerstehen.

Es funktioniert: Hündin Rosa holt sich eine Portion Joghurt. Foto: Jürgen Herda

Kissers fünf Lockrufe

„Ich habe für meine Hunde fünf Rufe“, erläutert Kisser ihr Gehorsamskonzept, mit dem sie das bellende Trio stressfrei freilaufen lassen kann. „Das muss man step by step aufbauen – bei Welpen erst einmal in Nahdistanz, und dann kann man das immer weiter ausdehnen.“ Man sollte sich dabei aber immer im Klaren sein, was man will: „Muss der Hund sofort kommen, darf er noch ausschnüffeln? Und in welcher Distanz will ich ihn haben – auf einen halben Meter Entfernung oder muss er bei Fuß verharren?“ Gute Frage … Hier einige Antworten:

Kommando 1 „Hier”: „Am Anfang lobe ich immer auf kurzer Distanz, sag’ ihnen, ,guck mal, da ist ein Guti auf dem Boden’.  Wenn du rufst und der Hund kommt nicht, lernt er, das hat keine Konsequenz – damit macht man den Rückruf kaputt.” Deshalb nur maximal zweimal rufen: „Wenn er dann nicht kommt, bestrafe ich ihn mit Ignorieren – Rudelentzug ist eine der schlimmsten Strafen.” Aber maximal zwei Minuten. Dann nochmal versuchen. Immer wieder, immer weiter, bis es klappt.

Kommando 2 „Komm“: „Dabei geht’s darum, dass Hunde und Herrin in die gleiche Richtung marschieren, sie dürfen dabei schnüffeln, aber sollen im Dunstkreis bleiben.“ Gleiche Methode wie oben, bis es der Hund kapiert hat. Nur Geduld!

Kommando 3 „Pfiff“: „Jetzt wird’s schon ernster, der Pfiff bedeutet das Gleiche wie ,hier’ nur aus weiterer Entfernung, damit der Hund es auch wirklich hört und trotz der Distanz der leckeren Geruchsspur widersteht.“

Kommando 4, Schlachtruf „Huiiii“: „Sofort hierher, mein Freundchen! Das sollte ein einsilbiges, markiges, unmissverständliches Kommando sein.“ 

Kommando 5 „gogogo”: „Ein moduliertes gogogo signalisiert, keep going, wir trödeln hier nicht, wir marschieren zügig weiter.“

Und bei alledem nicht vergessen: „Körpersprache ist für Tiere sehr wichtig, damit der Hund gerne kommt, bitten wir ihn herein wie einen lieben Besuch, statt sich vor dem Tier aufzubauen wie bei einem unerwünschten Vertreter – klar, dass das abschreckend ist.“ Deshalb sei es besser, sich seitlich hinzustellen, statt sich wie ein Grizzly aufzutürmen.

Therapiehündinnen Rosa und Wilma mit einem Jungen beim Waldspaziergang. Foto: Simone Reger/Time capture

Jugendtherapeut: Vom Hund akzeptiert

In Einzelstunden mit verunsicherten Kindern und Jugendlichen schafft es die Hundetherapeutin, Vertrauen und Verantwortungsgefühl aufzubauen. „Wir haben es geschafft, dass ein recht isolierter 14-jähriger Junge sich beim Umgang mit anderen jetzt viel leichter tut”, erzählt Kisser, während sie Wilma mit „gogogo” wieder einspurt. Der Weg ins Herz führt über das Gefühl, angenommen zu sein: „Er hat zum ersten Mal gespürt, wie es sich anfühlt, wenn ein anderes Lebewesen ihn so akzeptiert, wie er ist.” 

Wenn er Hündin Wilma sieht, und sie ihren Freudentanz aufführt, quietscht auch er vor Freude. Das kann man sich gut vorstellen, wenn man die ausgelassene Hündin herumtollen sieht.  Die Folge: „Er ist weniger misstrauisch, kann klarer formulieren, was er möchte und was nicht, hat gelernt, die Körpersprache anderer zu interpretieren.“ Eben das, was man soziale Kompetenz nennt.

Auf dem Präsentierteller: Wilma kommt auch bei Senioren gut an. Foto: Simone Reger/Time capture

Kleines Mädchen wieder angstfrei

Ein Mädchen, das panische Angst vor Hunden hatte, weil sie mal von einem großen Tier angesprungen worden war, hat bei Kisser ganz langsam begonnen, wieder Vertrauen zu fassen. „Wir haben mit Bildern und Videos von meinen Hunden angefangen und sie gefragt, mit welchem Hund möchtest du mal Kontakt haben?” Die Kleine hat sich für Wilma entschieden. Die Therapeutin hat ihr im nächsten Schritt die Hunderegeln beigebracht: „Nicht schreien, damit sie sich nicht erschrecken.” Die Annäherung erfolgt behutsam. „Darf ich auf die Bank steigen?”, sucht sie erst mal nach Sicherheitsabstand. Mama und Papa sollten auch mit dabei sein, der Hund erst mal an der Leine an einem Haken an der Wand bleiben. 

„Du bestimmst die Entfernung“, beruhigt Kisser. Von Treffen zu Treffen baut das Mädchen ihre Angst ab, legt erst einmal Futter hin, lernt, kleine Kommandos zu geben. „Die erste Berührung gab’s nach 20 Sitzungen“, erzählt die Therapeutin, „dann ging’s schnell, sie hat den Hund sogar in ihre Höhle eingeladen – dann noch den zweiten und dritten.“ Am Ende sei sie völlig angstfrei mit der Hundegruppe mitgelaufen: „Sie ist so glücklich und frei mit den Hunden über die Wiese gesprungen“, freut sich Kisser.

Früh übt sich: Conny trainiert spielerisch mit Klein-Frieda. Foto: Simone Reger/Time capture

Hunde für Anfänger, Familien und Könner

Wer über die Anschaffung eines Hundes nachdenkt, sollte sich nicht nur im Klaren sein, für ein bis zwei Jahrzehnte Verantwortung für ein sensibles Lebewesen zu übernehmen. Das Tier muss auch zu den Lebensumständen von Herrchen, Frauchen und gegebenenfalls Kindern passen.  

Labrador: freundlicher Anfängerhund

Der Labrador Retriever, eine von der Fédération Cynologique Internationale (FCI), dem größten kynologischen Dachverband, anerkannte britische Hunderasse, gilt als aktiv und freundlich. Der gesellige Hund braucht Auslauf und Aufgaben, um sich artgerecht entwickeln zu können. Man sollte bereit sein, den Labrador ausreichend beschäftigen zu können.

Golden Retriever: beliebter Familienhund

Der Goldene Apportierhund, ebenfalls britischer Abstammung, wurde gezüchtet, um erlegte Enten zu apportieren. Das sanfte Langhaar ist kinderlieb, gehorsam und lernfähig – in der Regel also der perfekte Familienhund. Sie sind auch als Blinden-, Therapie- oder Behindertenbegleithund im Einsatz. Auch er braucht wie der Labrador viel Beschäftigung und Bewegung.

Cleverer Pudel: für unternehmungslustige Spielgefährten

Ach ja, der Pudel! Durch die manchmal absurde Ästhetik seiner Besitzer mit grotesken Frisuren verunstaltet, ist das lockige Kerlchen eine richtige Intelligenzbestie. Nicht umsonst hat ihn Goethes Faust als Attribut Mephistopheles’ auserkoren, auch wenn er alles andere als bösartig ist. Im Gegenteil: Pudel sind loyale und verschmuste Begleiter. Wer sich mit ihnen beschäftigt, kann ihnen schnell kleine Kunststücke beibringen.

Labradoodle: Mischling für Familien-Einsteiger

Der Labradoodle, eine australische Mischung aus Labrador und Königspudel, sieht nicht nur zum Knuddeln aus, er ist auch meistens ein begeisterter Spielgefährte. Ursprünglich als Assistenzhund für blinde Allergiker gezüchtet, weil er wenig haart, sprüht das große Wollknäuel voller Energie, und passt bestens in Familien, die ihre Freizeit nicht vor dem Handy verbringen.

Französische Bulldogge: Ideal für Stadtbewohner

Französische Bulldoggen sind meist fröhlich, aber ein bisschen faul. Sie schätzen eher kurze Spaziergänge. Mit anderen Worten: der ideale Hund für Stadtbewohner mit eingeschränktem Bewegungsdrang. Der gutmütigen Bulldogge fehlt jeglicher Jagdtrieb, sie verstehen sich oft auch mit Katzen – sofern Katzen sie lassen. Allerdings: Durch die angezüchtete veränderte Wirbelsäule leiden Französische Bulldoggen vermehrt unter Schmerzen und im fortschreitenden Alter häufig unter Harn- und Kot-Absatzstörungen.

Dackel: für anspruchsvolle erfahrene Traditionalisten

Er durfte in keiner bayerischen Serie fehlen und war mal so was wie das zweite Nationaltier der Tschechen nach dem böhmischen Löwen. Der eigenwillige Dackel ist als Wastl prädestiniert für alte Dackel des Schlages eines Gustl Bayerhammer. Liebevolle Konsequenz eines sachkundigen Hundeführers ab Welpenalter ist vonnöten, um dem selbstbewussten Wackeldackel ein wenig Erziehung angedeihen zu lassen. Das große Ego des tiefergelegten Krummbeiners führt zu wenig Respekt auch vor größeren Hunden. Wer seinen Dackel nicht im Griff hat, muss mit Konfrontationen rechnen. Und leider sind Dackel durch ihre im Verhältnis zu den Beinen extrem lange Wirbelsäule anfällig für eine Sonderform des Bandscheibenvorfalls, die Dackellähme.

Euer Kläffer will nicht gehorchen? Schnupperstunde gewinnen!

Unbequeme Wahrheit: Meist ist nicht der Vierbeiner schuld, der Zweibeiner macht was falsch. Schnupperstunde bei Cornelia Kisser gefällig? Schreibt an redaktion@oberpfalzECHO.de, Stichwort Hundeschule, aus allen Einsendungen ziehen wir eine(n) zukünftige(n) Hundeflüsterer(in).

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